Nathan der WeiseEin dramatisches Gedicht in fünf Aufzügen
PERSONEN
- Sultan Saladin
- Sittah, dessen Schwester
- Nathan, ein reicher Jude in Jerusalem
- Recha, dessen angenommene Tochter
- Daja, eine Christin, aber in dem Hause des Juden, als Gesellschafterin der Recha
- Ein junger Tempelherr
- Ein Derwisch
- Der Patriarch von Jerusalem
- Ein Klosterbruder
- Ein Emir nebst verschiedenen Mameluken des Saladin
Die Szene ist in Jerusalem.
ERSTER AUFZUG
ERSTER AUFTRITT
Szene: Flur in Nathans Hause.
Nathan von der Reise kommend. Daja ihm entgegen.
DAJA
NATHAN
Ja, Daja; Gott sei Dank! Doch warum endlich?
Hab ich denn eher wiederkommen wollen?
Und wiederkommen können? Babylon
Ist von Jerusalem, wie ich den Weg,
Seitab bald rechts, bald links, zu nehmen bin
Genötigt worden, gut zweihundert Meilen;
Und Schulden einkassieren, ist gewiss
Auch kein Geschäft, das merklich fördert, das
So von der Hand sich schlagen lässt.
DAJA
NATHAN
DAJA
NATHAN
DAJA
NATHAN
DAJA
NATHAN
DAJA
NATHAN
DAJA
NATHAN
DAJA
NATHAN
DAJA
NATHAN
DAJA
NATHAN
DAJA
NATHAN
DAJA
NATHAN
DAJA
NATHAN
DAJA
NATHAN
DAJA
NATHAN
DAJA
NATHAN
DAJA
Diesen Morgen lag
Sie lange mit verschlossnem Aug', und war
Wie tot. Schnell fuhr sie auf, und rief: „Horch! horch!
Da kommen die Kamele meines Vaters!
Horch! seine sanfte Stimme selbst!” — Indem
Brach sich ihr Auge wieder: und ihr Haupt,
Dem seines Armes Stütze sich entzog,
Stürzt auf das Kissen. — Ich, zur Pfort' hinaus!
Und sieh: da kommt Ihr wahrlich! kommt Ihr wahrlich!
Was Wunder! ihre ganze Seele war
Die Zeit her nur bei Euch — und ihm. —
NATHAN
DAJA
NATHAN
DAJA
NATHAN
DAJA
NATHAN
DAJA
NATHAN
DAJA
Er kam, und niemand weiß woher.
Er ging, und niemand weiß wohin. — Ohn alle
Des Hauses Kundschaft, nur von seinem Ohr
Geleitet, drang, mit vorgespreiztem Mantel,
Er kühn durch Flamm’ und Rauch der Stimme nach,
Die uns um Hülfe rief. Schon hielten wir
Ihn für verloren, als aus Rauch und Flamme
Mit eins er vor uns stand, im starken Arm
Empor sie tragend. Kalt und ungerührt
Vom Jauchzen unsers Danks, setzt seine Beute
Er nieder, drängt sich unters Volk und ist —
Verschwunden!
NATHAN
DAJA
Nachher die ersten Tage sahen wir
Ihn untern Palmen auf und nieder wandeln,
Die dort des Auferstandnen Grab umschatten.
Ich nahte mich ihm mit Entzücken, dankte,
Erhob, entbot, beschwor — nur einmal noch
Die fromme Kreatur zu sehen, die
Nicht ruhen könne, bis sie ihren Dank
Zu seinen Füßen ausgeweinet.
NATHAN
DAJA
NATHAN
DAJA
Nichts weniger!
Ich trat ihn jeden Tag von neuem an;
Ließ jeden Tag von neuem mich verhöhnen.
Was litt ich nicht von ihm! Was hätt ich nicht
Noch gern ertragen! — Aber lange schon
Kommt er nicht mehr, die Palmen zu besuchen,
Die unsers Auferstandnen Grab umschatten;
Und niemand weiß, wo er geblieben ist. —
Ihr staunt? Ihr sinnt?
NATHAN
Ich überdenke mir,
Was das auf einen Geist, wie Rechas, wohl
Für Eindruck machen muss. Sich so verschmäht
Von dem zu finden, den man hochzuschätzen
Sich so gezwungen fühlt; so weggestoßen,
Und doch so angezogen werden; — Traun,
Da müssen Herz und Kopf sich lange zanken,
Ob Menschenhass, ob Schwermut siegen soll
Oft siegt auch keines; und die Phantasie,
Die in den Streit sich mengt, macht Schwärmer,
Bei welchen bald der Kopf das Herz, und bald
Das Herz den Kopf muss spielen. — Schlimmer Tausch! —
Das Letztere, verkenn ich Recha nicht,
Ist Rechas Fall: sie schwärmt.
DAJA
NATHAN
DAJA
Vornehmlich eine — Grille, wenn Ihr wollt,
Ist ihr sehr wert. Es sei ihr Tempelherr
Kein irdischer und keines irdischen;
Der Engel einer, deren Schutze sich
Ihr kleines Herz, von Kindheit auf, so gern
Vertrauet glaubte, sei aus seiner Wolke,
In die er sonst verhüllt, auch noch im Feuer,
Um sie geschwebt, mit eins als Tempelherr
Hervorgetreten, — Lächelt nicht! — Wer weiß?
Lasst lächelnd wenigstens ihr einen Wahn,
In dem sich Jud' und Christ und Muselmann
Vereinigen; — so einen süßen Wahn!
NATHAN
DAJA
NATHAN
DAJA
ZWEITER AUFTRITT
Recha und die Vorigen.
RECHA
So seid Ihr es doch ganz und gar, mein Vater?
Ich glaubt, Ihr hättet Eure Stimme nur
Vorausgeschickt. Wo bleibt Ihr? Was für Berge,
Für Wüsten, was für Ströme trennen uns
Denn noch? Ihr atmet Wand an Wand mit ihr,
Und eilt nicht, Eure Recha zu umarmen?
Die arme Recha, die indes verbrannte! —
Fast, fast verbrannte! Fast nur. Schaudert nicht!
Es ist ein garst’ger Tod, verbrennen.
NATHAN
RECHA
Ihr musstet über
Den Euphrat, Tigris, Jordan; über — wer
Weiß was für Wasser all? — Wie oft hab ich
Um Euch gezittert, eh das Feuer mir
So nahe kam! Denn seit das Feuer mir
So nahe kam: dünkt mich im Wasser sterben
Erquickung, Labsal, Rettung. — Doch Ihr seid
Ja nicht ertrunken: ich, ich bin ja nicht
Verbrannt. Wie wollen wir uns freun, und Gott,
Gott loben! Er, er trug Euch und den Nachen
Auf Flügeln seiner unsichtbaren Engel
Die ungetreuen Ström’ hinüber. Er,
Er winkte meinem Engel, dass er sichtbar
Auf seinem weißen Fittiche mich durch
Das Feuer trüge —
NATHAN
beiseite
RECHA
NATHAN
RECHA
lächelnd
NATHAN
RECHA
NATHAN
RECHA
NATHAN
Wie? Weil
Es ganz natürlich, ganz alltäglich klänge,
Wenn dich ein eigentlicher Tempelherr
Gerettet hätte: sollt es darum weniger
Ein Wunder sein? — Der Wunder höchstes ist,
Dass uns die wahren, echten Wunder so
Alltäglich werden können, werden sollen.
Ohn dieses allgemeine Wunder hätte
Ein Denkender wohl schwerlich Wunder je
Genannt, was Kindern bloß so heißen müsste,
Die gaffend nur das Ungewöhnlichste,
Das Neuste nur verfolgen.
DAJA
zu Nathan
NATHAN
Lass mich! — Meiner Recha wär
Es Wunders nicht genug, dass sie ein Mensch
Gerettet, welchen selbst kein kleines Wunder
Erst retten müssen? Ja, kein kleines Wunder!
Denn wer hat schon gehört, dass Saladin
Je eines Tempelherrn verschont? dass je
Ein Tempelherr von ihm verschont zu werden
Verlangt? gehofft? ihm je für seine Freiheit
Mehr als den ledern Gurt geboten, der
Sein Eisen schleppt, und höchstens seinen Dolch?
RECHA
NATHAN
DAJA
Nun ja. — So sagt man freilich; — doch man sagt
Zugleich, dass Saladin den Tempelherrn
Begnadigt, weil er seiner Brüder einem,
Den er besonders lieb gehabt, so ähnlich sehe.
Doch da es viele zwanzig Jahre her,
Dass dieser Bruder nicht mehr lebt — er hieß,
Ich weiß nicht wie — er blieb, ich weiß nicht wo: —
So klingt das ja so gar — so gar unglaublich,
Dass an der ganzen Sache wohl nichts ist.
NATHAN
Ei, Daja! Warum wäre denn das so
Unglaublich? Doch wohl nicht — wie’s wohl geschieht —
Um lieber etwas noch Unglaublichers
Zu glauben? — Warum hätte Saladin,
Der sein Geschwister insgesamt so liebt,
In jüngern Jahren einen Bruder nicht
Noch ganz besonders lieben können? — Pflegen
Sich zwei Gesichter nicht zu ähneln? — Ist
Ein alter Eindruck ein verlorner? — Wirkt
Das Nämliche nicht mehr das Nämliche? —
Seit wann? — Wo steckt hier das Unglaubliche? —
Ei freilich, weise Daja, wär’s für dich
Kein Wunder mehr; und deine Wunder nur
Bedürf … verdienen, will ich sagen, Glauben.
DAJA
NATHAN
RECHA
NATHAN
Vielmehr, du lässt dich gern belehren. —
Sieh! eine Stirn, so oder so gewölbt;
Der Rücken einer Nase, so vielmehr
Als so geführet; Augenbraunen, die
Auf einem scharfen oder stumpfen Knochen
So oder so sich schlängeln; eine Linie,
Ein Bug, ein Winkel, eine Falt’, ein Mal,
Ein Nichts, auf eines wilden Europäers
Gesicht: — und du entkommst dem Feu’r in Asien!
Das wär kein Wunder, wundersücht’ges Volk?
Warum bemüht ihr denn noch einen Engel?
DAJA
NATHAN
Stolz! und nichts als Stolz! Der Topf
Von Eisen will mit einer silbern Zange
Gern aus der Glut gehoben sein, um selbst
Ein Topf von Silber sich zu dünken. — Pah! —
Und was es schadet, fragst du? Was es schadet?
Was hilft es? dürft ich nur hinwieder fragen. —
Denn dein „Sich Gott um so viel näher fühlen”
Ist Unsinn oder Gotteslästerung. —
Allein es schadet; ja, es schadet allerdings. —
Kommt! hört mir zu. — Nicht wahr? dem Wesen, das
Dich rettete — es sei ein Engel oder
Ein Mensch — dem möchtet ihr, und du besonders,
Gern wieder viele große Dienste tun?
Nicht wahr? — Nun, einem Engel, was für Dienste,
Für große Dienste könnt ihr dem wohl tun?
Ihr könnt ihm danken; zu ihm seufzen, beten;
Könnt in Entzückung über ihn zerschmelzen;
Könnt an dem Tage seiner Feier fasten,
Almosen spenden — Alles nichts. — Denn mich
Däucht immer, dass ihr selbst und euer Nächster
Hierbei weit mehr gewinnt, als er. Er wird
Nicht fett durch euer Fasten; wird nicht reich
Durch eure Spenden; wird nicht herrlicher
Durch eu’r Entzücken; wird nicht mächtiger
Durch eu’r Vertraun. Nicht wahr? Allein ein Mensch!
DAJA
RECHA
NATHAN
DAJA
NATHAN
RECHA
DAJA
RECHA
NATHAN
RECHA
DAJA
NATHAN
RECHA
NATHAN
RECHA
NATHAN
DAJA
NATHAN
DAJA
NATHAN
DAJA
NATHAN
DAJA
NATHAN
RECHA
NATHAN
Gewiss, nicht tot! Denn Gott lohnt Gutes, hier
Getan, auch hier noch. — Geh! — Begreifst du aber,
Wie viel andächtig schwärmen leichter, als
Gut handeln ist? Wie gern der schlaffste Mensch
Andächtig schwärmt, um nur, — ist er zu Zeiten
Sich schön der Absicht deutlich nicht bewusst —
Um nur gut handeln nicht zu dürfen?
RECHA
NATHAN
DAJA
NATHAN
DAJA
NATHAN
DAJA
NATHAN
DRITTER AUFTRITT
Nathan und der Derwisch.
DERWISCH
NATHAN
DERWISCH
NATHAN
DERWISCH
NATHAN
DERWISCH
NATHAN
DERWISCH
NATHAN
DERWISCH
NATHAN
DERWISCH
NATHAN
DERWISCH
NATHAN
DERWISCH
NATHAN
DERWISCH
NATHAN
DERWISCH
NATHAN
DERWISCH
NATHAN
DERWISCH
NATHAN
DERWISCH
NATHAN
DERWISCH
NATHAN
DERWISCH
NATHAN
DERWISCH
NATHAN
DERWISCH
NATHAN
DERWISCH
NATHAN
DERWISCH
Erriet ich’s nicht? Dass Ihr doch immer
So gut als klug, so klug als weise seid? —
Geduld! Was Ihr am Hafi unterscheidet,
Soll bald geschieden wieder sein. — Seht da
Das Ehrenkleid, das Saladin mir gab.
Eh es verschossen ist, eh es zu Lumpen
Geworden, wie sie einen Derwisch kleiden,
Hängt’s in Jerusalem am Nagel, und
Ich bin am Ganges, wo ich leicht und barfuß
Den heißen Sand mit meinen Lehrern trete.
NATHAN
DERWISCH
NATHAN
DERWISCH
NATHAN
DERWISCH
NATHAN
DERWISCH
„Ein Bettler wisse nur, wie Bettlern
Zumute sei; ein Bettler habe nur
Gelernt, mit guter Weise Bettlern geben.
Dein Vorfahr, sprach er, war mir viel zu kalt,
Zu rauh. Er gab so unhold, wenn er gab;
Erkundigte so ungestüm sich erst
Nach dem Empfänger; nie zufrieden, dass
Er nur den Mangel kenne, wollt er auch
Des Mangels Ursach' wissen, um die Gabe
Nach dieser Ursach' filzig abzuwägen.
Das wird Ai-Hafi nicht! So unmild mild
Wird Saladin im Hafi nicht erscheinen!
Ai-Hafi gleicht verstopften Röhren nicht,
Die ihre klar und still empfangnen Wasser
So unrein und so sprudelnd wieder geben.
Al-Hafi denkt, Al-Hafi fühlt wie ich!” —
So lieblich klang des Voglers Pfeife, bis
Der Gimpel in dem Netze war. — Ich Geck!
Ich eines Gecken Geck!
NATHAN
DERWISCH
Ei was! — Es wär nicht Geckerei,
Bei Hunderttausenden die Menschen drücken,
Ausmergeln, plündern, martern, würgen; und
Ein Menschenfreund an Einzeln scheinen wollen?
Es wär nicht Geckerei, des Höchsten Milde,
Die sonder Auswahl über Bös' und Gute
Und Flur und Wüstenei, in Sonnenschein
Und Regen sich verbreitet — nachzuäffen,
Und nicht des Höchsten immer volle Hand
Zu haben? Was? es wär nicht Geckerei …
NATHAN
DERWISCH
NATHAN
DERWISCH
NATHAN
VIERTER AUFTRITT
Daja eilig herbei. Nathan.
DAJA
NATHAN
DAJA
NATHAN
DAJA
NATHAN
DAJA
NATHAN
DAJA
NATHAN
So wie ich vom Kamele
Gestiegen? — Schickt sich das? — Geh, eile du
Ihm zu, und meld ihm meine Wiederkunft.
Gib Acht, der Biedermann hat nur mein Haus
In meinem Absein nicht betreten wollen;
Und kommt nicht ungern, wenn der Vater selbst
Ihn laden lässt. Geh, sag, ich lass ihn bitten,
Ihn herzlich bitten …
DAJA
NATHAN
Nathan eilt hinein, und Daja heraus.
FÜNFTER AUFTRITT
Szene: ein Platz mit Palmen,
unter welchen der Tempelherr auf und nieder geht. Ein
Klosterbruder folgt ihm in einiger Entfernung von der
Seite, immer als ob er ihn anreden wolle.
TEMPELHERR
KLOSTERBRUDER
TEMPELHERR
KLOSTERBRUDER
TEMPELHERR
KLOSTERBRUDER
TEMPELHERR
KLOSTERBRUDER
TEMPELHERR
KLOSTERBRUDER
TEMPELHERR
KLOSTERBRUDER
TEMPELHERR
KLOSTERBRUDER
TEMPELHERR
KLOSTERBRUDER
TEMPELHERR
KLOSTERBRUDER
TEMPELHERR
KLOSTERBRUDER
TEMPELHERR
KLOSTERBRUDER
Tempelherr
KLOSTERBRUDER
TEMPELHERR
Nun, Bruder? Nun: —
Ich bin ein Tempelherr; und ein gefangner —
Setz ich hinzu: gefangen bei Tebnin,
Der Burg, die mit des Stillstands letzter, Stunde
Wir gern erstiegen hätten, um sodann
Auf Sidon loszugehn; — setz ich hinzu:
Selbzwanzigster gefangen und allein
Vom Saladin begnadiget: so weiß
Der Patriarch, was er zu wissen braucht —
Mehr, als er braucht.
KLOSTERBRUDER
TEMPELHERR
Weiß ich das selber? — Schon
Den Hals entblößt, kniet ich auf meinem Mantel;
Den Streich erwartend, als mich schärfer Saladin
Ins Auge faßt, mir näher springt, und winkt.
Man hebt mich auf; ich bin entfesselt; will
Ihm danken; seh sein Aug’ in Tränen; stumm
Ist er, bin ich; er geht, ich bleibe. — Wie
Nun das zusammenhängt, enträtsle sich
Der Patriarche selbst.
KLOSTERBRUDER
TEMPELHERR
KLOSTERBRUDER
TEMPELHERR
KLOSTERBRUDER
TEMPELHERR
KLOSTERBRUDER
TEMPELHERR
KLOSTERBRUDER
TEMPELHERR
KLOSTERBRUDER
Muss doch wohl! Denn — sagt
Der Patriarch — an diesem Briefchen sei
Der ganzen Christenheit sehr viel gelegen.
Dies Briefchen wohl bestellt zu haben — sagt
Der Patriarch — werd einst im Himmel Gott
Mit einer ganz besondem Krone lohnen.
Und dieser Krone — sagt der Patriarch —
Sei niemand würd’ger, als mein Herr.
TEMPELHERR
KLOSTERBRUDER
TEMPELHERR
KLOSTERBRUDER
Er sei
Hier frei; könn' überall sich hier besehn;
Versteh', wie eine Stadt zu stürmen und
Zu schirmen; könne — sagt der Patriarch —
Die Stärk’ und Schwäche der von Saladin
Neu aufgeführten, innern, zweiten Mauer
Am besten schätzen, sie am deutlichsten
Den Streitern Gottes — sagt der Patriarch —
Beschreiben.
TEMPELHERR
KLOSTERBRUDER
TEMPELHERR
KLOSTERBRUDER
TEMPELHERR
KLOSTERBRUDER
TEMPELHERR
Welch ein Patriarch! — Ja so!
Der liebe, tapfre Mann will mich zu keinem
Gemeinen Boten; will mich — zum Spion. —
Sagt Euerm Patriarchen, guter Bruder,
So viel Ihr mich ergründen können, wär
Das meine Sache nicht. — Ich müsse mich
Noch als Gefangenen betrachten; und
Der Tempelherren einziger Beruf
Sei, mit dem Schwerte dreinzuschlagen, nicht
Kundschafterei zu treiben.
KLOSTERBRUDER
Dacht ich’s doch! —
Will's auch dem Herrn nicht eben sehr verübeln.
Zwar kommt das Beste noch. — Der Patriarch
Hiernächst hat ausgegattert, wie die Veste
Sich nennt, und wo auf Libanon sie liegt,
In der die ungeheuren Summen stecken,
Mit welchen Saladins vorsicht’ger Vater
Das Heer besoldet, und die Zurüstungen
Des Kriegs bestreitet. Saladin verfügt
Von Zeit zu Zeit auf abgelegnen Wegen
Nach dieser Veste sich, nur kaum begleitet. —
Ihr merkt doch?
TEMPELHERR
KLOSTERBRUDER
TEMPELHERR
KLOSTERBRUDER
TEMPELHERR
KLOSTERBRUDER
TEMPELHERR
KLOSTERBRUDER
TEMPELHERR
KLOSTERBRUDER
TEMPELHERR
KLOSTERBRUDER
TEMPELHERR
KLOSTERBRUDER
Allerdings! —
Zwar — meint der Patriarch — des Dankes sei
Man quitt, vor Gott und Menschen quitt, wenn uns
Der Dienst um unsertwillen nicht geschehen.
Und da verlauten wolle — meint der Patriarch —
Dass Euch nur darum Saladin begnadet,
Weil ihm in Eurer Mien', in Euerm Wesen,
So was von seinem Bruder eingeleuchtet …
TEMPELHERR
Auch dieses weiß der Patriarch; und doch? —
Ah! wäre das gewiss! Ah, Saladin! —
Wie? die Natur hätt auch nur Einen Zug
Von mir in deines Bruders Form gebildet:
Und dem entspräche nichts in meiner Seele?
Was dem entspräche, könnt ich unterdrücken,
Um einem Patriarchen zu gefallen? —
Natur, so lügst du nicht! So widerspricht
Sich Gott in seinen Werken nicht! — Geht, Bruder! —
Erregt mir meine Galle nicht! — Geht! geht!
KLOSTERBRUDER
SECHSTER AUFTRITT
Der Tempelherr und Daja, die den Tempelherrn schon eine
Zeitlang von weitem beobachtet hatte, und sich nun ihm
nähert.
DAJA
TEMPELHERR
DAJA
TEMPELHERR
DAJA
TEMPELHERR
DAJA
TEMPELHERR
DAJA
TEMPELHERR
DAJA
TEMPELHERR
DAJA
TEMPELHERR
DAJA
TEMPELHERR
DAJA
TEMPELHERR
DAJA
TEMPELHERR
DAJA
TEMPELHERR
DAJA
Hätt ich,
Wenn er so gut nicht wär, es mir so lange
Bei ihm gefallen lassen! Meint Ihr etwa,
Ich fühle meinen Wert als Christin nicht?
Auch mir ward’s vor der Wiege nicht gesungen,
Dass ich nur darum meinem Ehgemahl
Nach Palästina folgen würd, um da
Ein Judenmädchen zu erziehn. Es war
Mein lieber Ehgemahl ein edler Knecht
In Kaiser Friedrichs Heere —
TEMPELHERR
DAJA
TEMPELHERR
Ja, ja, verfolgen.
Ich will nun einmal Euch nicht weiter sehn!
Nicht hören! Will von Euch an eine Tat
Nicht fort und fort erinnert sein, bei der
Ich nichts gedacht; die, wenn ich drüber denke,
Zum Rätsel von mir selbst mir wird. Zwar möcht
Ich sie nicht gern bereuen. Aber seht,
Ereignet so ein Fall sich wieder: Ihr
Seid Schuld, wenn ich so rasch nicht handle; wenn
Ich mich vorher erkund — und brennen lasse,
Was brennt.
DAJA
TEMPELHERR
DAJA
TEMPELHERR
DAJA
TEMPELHERR
Er geht.
DAJA
TEMPELHERR
DAJA
Sie geht ihm von weitem nach.
ZWEITER AUFZUG
ERSTER AUFTRITT
Szene: des Sultans Palast.
Saladin und Sittah spielen Schach.
SITTAH
SALADIN
SITTAH
SALADIN
SITTAH
SALADIN
SITTAH
SALADIN
SITTAH
SALADIN
SITTAH
SALADIN
SITTAH
SALADIN
SITTAH
SALADIN
SITTAH
SALADIN
SITTAH
Frag noch! — Weil du mit Fleiß, mit aller
Gewalt verlieren willst. — Doch dabei find
Ich meine Rechnung nicht. Denn außer, dass
Ein solches Spiel das unterhaltendste
Nicht ist: gewann ich immer nicht am meisten
Mit dir, wenn ich verlor? Wann hast du mir
Den Satz, mich des verlornen Spieles wegen
Zu trösten, doppelt nicht hernach geschenkt?
SALADIN
SITTAH
SALADIN
SITTAH
SALADIN
SITTAH
SALADIN
SITTAH
SALADIN
SITTAH
Sie lässt sie stehen.
SALADIN
SITTAH
SALADIN
SITTAH
SALADIN
SITTAH
SALADIN
Ganz recht! — Du hast gewonnen, und
Al-Hafi zahlt. Man lass’ ihn rufen! gleich! —
Du hattest, Sittah, nicht so Unrecht: ich
War nicht so ganz beim Spiele, war zerstreut.
Und dann: wer gibt uns denn die glatten Steine
Beständig, die an nichts erinnern, nichts
Bezeichnen? Hab ich mit dem Iman denn
Gespielt? — Doch was? Verlust will Vorwand. Nicht
Die ungeformten Steine, Sittah, sind’s,
Die mich verlieren machten: deine Kunst,
Dein ruhiger und schneller Blick.
SITTAH
SALADIN
SITTAH
SALADIN
So spielen wir um so viel gieriger! —
Ah! weil es wieder losgeht, meinst du? — Mag's! —
Nur zu! — Ich habe nicht zuerst gezogen;
Ich hätte gern den Stillestand aufs Neue
Verlängert; hätte meiner Sittah gern,
Gern einen guten Mann zugleich verschafft.
Und das muss Richards Bruder sein: er ist
Ja Richards Bruder.
SITTAH
SALADIN
SITTAH
Hab ich des schönen Traums nicht gleich gelacht?
Du kennst die Christen nicht, willst sie nicht kennen.
Ihr Stolz ist: Christen sein; nicht Menschen. Denn
Selbst das, was noch von ihrem Stifter her,
Mit Menschlichkeit den Aberglauben wirzt,
Das lieben sie, nicht weil es menschlich ist:
Weil’s Christus lehrt; weil’s Christus hat getan. —
Wohl ihnen, dass er ein so guter Mensch
Noch war: Wohl ihnen, dass sie seine Tugend
Auf Treu und Glauben nehmen können! — Doch
Was Tugend? — Seine Tugend nicht; sein Name
Soll überall verbreitet werden; soll
Die Namen aller guten Menschen schänden,
Verschlingen. Um den Namen, um den Namen
Ist ihnen nur zu tun.
SALADIN
SITTAH
SALADIN
Die Christen glauben mehr Armseligkeiten,
Als dass sie die nicht auch noch glauben könnten! —
Und gleichwohl irrst du dich. — Die Tempelherren,
Die Christen nicht, sind Schuld: sind nicht, als Christen,
Als Tempelherren Schuld. Durch die allein
Wird aus der Sache nichts. Sie wollen Acca,
Das Richards Schwester unserm Bruder Melek
Zum Brautschatz bringen müsste, schlechterdings
Nicht fahren lassen. Dass des Ritters Vorteil
Gefahr nicht laufe, spielen sie den Mönch,
Den albern Mönch. Und ob vielleicht im Fluge
Ein guter Streich gelänge, haben sie
Des Waffenstillestandes Ablauf kaum
Erwarten können. — Lustig! Nur so weiter!
Ihr Herren, nur so weiter! — Mir schon recht!
Wär alles sonst nur, wie es müsste.
SITTAH
SALADIN
SITTAH
SALADIN
SITTAH
SALADIN
ZWEITER AUFTRITT
Der Derwisch Al-Hafi. Saladin. Sittah.
AL-HAFI
SALADIN
AL-HAFI
SALADIN
In Gedanken hin und her gehend.
AL-HAFI
SITTAH
AL-HAFI
das Spiel betrachtend
SITTAH
ihm winkend
AL-HAFI
noch auf das Spiel gerichtet
SITTAH
AL-HAFI
zu Sittah
SITTAH
AL-HAFI
SITTAH
ihm näher tretend
AL-HAFI
noch auf das Spiel geheftet
SITTAH
AL-HAFI
SALADIN
kaum hinhörend
AL-HAFI
SALADIN
noch so
SITTAH
AL-HAFI
noch immer in das Spiel vertieft
SALADIN
tritt hinzu und wirft das Spiel um
AL-HAFI
SALADIN
zu Sittah
SITTAH
von Zeit zu Zeit dem Hafi winkend
SALADIN
AL-HAFI
SITTAH
AL-HAFI
SALADIN
SITTAH
AL-HAFI
SALADIN
SITTAH
SALADIN
SITTAH
Lass eine Kleinigkeit, mein Bruder, dir
Nicht näher treten, als sie würdig ist,
Du weißt, ich habe zu verschiednen Malen
Dieselbe Summ' im Schach von dir gewonnen.
Und weil ich jetzt das Geld nicht nötig habe;
Weil jetzt in Hafis Kasse doch das Geld
Nicht eben allzu häufig ist, so sind
Die Posten stehn geblieben. Aber sorgt
Nur nicht! Ich will sie weder dir, mein Bruder,
Noch Hafi, noch der Kasse schenken.
AL-HAFI
SITTAH
AL-HAFI
Saladin.
AL-HAFI
SITTAH
zu Saladin
AL-HAFI
SALADIN
AL-HAFI
SALADIN
Sie umarmend.
SITTAH
AL-HAFI
SALADIN
SITTAH
SALADIN
Ah! Ah! Nun schlägst du meine Freudigkeit
Auf einmal wieder nieder! — Mir, für mich
Fehlt nichts, und kann nichts fehlen. Aber ihm,
Ihm fehlet; und in ihm uns allen. — Sagt,
Was soll ich machen? — Aus Ägypten kommt
Vielleicht noch lange nichts. Woran das liegt,
Weiß Gott. Es ist doch da noch alles ruhig. —
Abbrechen, einziehn, sparen, will ich gern,
Mir gern gefallen lassen, wenn es mich,
Bloß mich betrifft; bloß ich, und niemand sonst
Darunter leidet. — Doch was kann das machen?
Ein Pferd, ein Kleid, ein Schwert, muß ich doch haben.
Und meinem Gott ist auch nichts abzudingen.
Ihm g’nügt schon so mit wenigem genug;
Mit meinem Herzen. — Auf den Überschuss
Von deiner Kasse, Hafi, hatt ich sehr
Gerechnet.
AL-HAFI
SALADIN
SITTAH
SALADIN
Nur völlig nicht!
Das fehlte noch! — Geh gleich, mach Anstalt, Hafi!
Nimm auf, bei wem du kannst! und wie du kannst!
Geh, borg, versprich. — Nur, Hafi, borge nicht
Bei denen, die ich reich gemacht. Denn borgen
Von diesen, möchte wiederfordern heißen.
Geh zu den Geizigsten; die werden mir
Am liebsten leihen. Denn sie wissen wohl,
Wie gut ihr Geld in meinen Händen wuchert.
AL-HAFI
SITTAH
AL-HAFI
betroffen
SITTAH
AL-HAFI
SITTAH
AL-HAFI
SITTAH
AL-HAFI
SITTAH
AL-HAFI
SITTAH
AL-HAFI
SITTAH
AL-HAFI
SITTAH
AL-HAFI
Zur Not wird er Euch Waren borgen.
Geld aber, Geld? Geld nimmermehr. — Es ist
Ein Jude freilich übrigens, wie’s nicht
Viel Juden gibt. Er hat Verstand; er weiß
Zu leben; spielt gut Schach. Doch zeichnet er
Im Schlechten sich nicht minder, als im Guten,
Vor allen andern Juden aus. — Auf den,
Auf den nur rechnet nicht. — Den Armen gibt
Er zwar, und gibt vielleicht trotz Saladin;
Wenn schon nicht ganz so viel, doch ganz so gern;
Doch ganz so sonder Ansehn, Jud’ und Christ
Und Muselmann und Parsi, alles ist
Ihm eins.
SITTAH
SALADIN
SITTAH
AL-HAFI
Da seht nun gleich den Juden wieder;
Den ganz gemeinen Juden! — Glaubt mir’s doch! —
Er ist aufs Geben Euch so eifersüchtig,
So neidisch! Jedes Lohn von Gott, das in
Der Welt gesagt wird, zög er lieber ganz
Allein. Nur darum eben leiht er keinem,
Damit er stets zu geben habe. Weil
Die Mild' ihm im Gesetz geboten, die
Gefälligkeit ihm aber nicht geboten, macht
Die Mild’ ihn zu dem ungefälligsten
Gesellen auf der Welt. Zwar bin ich seit
Geraumer Zeit ein wenig übern Fuß
Mit ihm gespannt; doch denkt nur nicht, dass ich
Ihm darum nicht Gerechtigkeit erzeige.
Er ist zu allem gut, bloß dazu nicht;
Bloß dazu wahrlich nicht. Ich will auch gleich
Nur gehn, an andre Türen klopfen … Da
Besinn ich mich so eben eines Mohren,
Der reich und geizig ist. — Ich geh, ich geh.
SITTAH
SALADIN
DRITTER AUFTRITT
Sittah. Saladin.
SITTAH
SALADIN
SITTAH
Ist’s möglich, dass ein Mann
Dir so verborgen blieb, von dem es heißt,
Er habe Salomons und Davids Gräber
Erforscht, und wisse deren Siegel durch
Ein mächtiges geheimes Wort zu lösen?
Aus ihnen bring’ er dann von Zeit zu Zeit
Die unermesslichen Reichtümer an
Den Tag, die keinen mindern Quell verrieten.
SALADIN
SITTAH
SALADIN
SITTAH
Sein Saumtier treibt auf allen Straßen, zieht
Durch alle Wüsten; seine Schiffe liegen
In allen Häfen. Das hat mir wohl eh'
Al-Hafi selbst gesagt, und voll Entzücken
Hinzugefügt, wie groß, wie edel dieser
Sein Freund anwende, was so klug und emsig
Er zu erwerben für zu klein nicht achte;
Hinzugefügt, wie frei von Vorurteilen
Sein Geist, sein Herz wie offen jeder Tugend,
Wie eingestimmt mit jeder Schönheit sei.
SALADIN
SITTAH
Kalt nun wohl nicht; verlegen,
Als halt' er’s für gefährlich, ihn zu loben,
Und woll' ihn unverdient doch auch nicht tadeln.
Wie? oder wär es wirklich so, dass selbst
Der Beste seines Volkes seinem Volke
Nicht ganz entfliehen kann? dass wirklich sich
Al-Hafi seines Freunds von dieser Seite
Zu schämen hätte? — Sei dem, wie ihm wolle! —
Der Jude sei mehr oder weniger
Als Jud’, ist er nur reich: genug für uns!
SALADIN
SITTAH
Ja, was heißt
Bei dir Gewalt? Mit Feu’r und Schwert? Nein! nein!
Was braucht es mit den Schwachen für Gewalt,
Als ihre Schwäche? — Komm für jetzt nur mit
In meinen Harem, eine Sängerin
Zu hören, die ich gestern erst gekauft.
Es reift indes bei mir vielleicht ein Anschlag,
Den ich auf diesen Nathan habe. — Komm!
VIERTER AUFTRITT
Szene: vor dem Hause des Nathan, wo es an die Palmen stößt.
Recha und Nathan kommen heraus. Zu ihnen Daja.
RECHA
NATHAN
RECHA
NATHAN
RECHA
NATHAN
RECHA
NATHAN
RECHA
NATHAN
RECHA
NATHAN
RECHA
NATHAN
DAJA
RECHA
DAJA
RECHA
DAJA
NATHAN
RECHA
DAJA
RECHA
NATHAN
DAJA
RECHA
Beide hinein.
FÜNFTER AUFTRITT
Nathan und bald darauf der Tempelherr.
NATHAN
Fast scheu ich mich des Sonderlings. Fast macht
Mich seine rauhe Tugend stutzen. Dass
Ein Mensch doch einen Menschen so verlegen
Soll machen können! — Ha! er kommt. — Bei Gott!
Ein Jüngling wie ein Mann. Ich mag ihn wohl,
Den guten, trotz’gen Blick! den drallen Gang!
Die Schale kann nur bitter sein: der Kern
Ist’s sicher nicht. — Wo sah ich doch dergleichen? —
Verzeihet, edler Franke …
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
Wenn zu danken: — spart’s! Ich hab
Um diese Kleinigkeit des Dankes schon
Zu viel erdulden müssen. — Vollends Ihr,
Ihr seid mir gar nichts schuldig. Wusst ich denn
Dass dieses Mädchen Eure Tochter war?
Es ist der Tempelherren Pflicht, dem Ersten
Dem Besten beizuspringen, dessen Not
Sie sehn. Mein Leben war mir ohnedem
In diesem Augenblicke lästig. Gern,
Sehr gern ergriff ich die Gelegenheit,
Es für ein andres Leben in die Schanze
Zu schlagen: für ein andres — wenn’s auch nur
Das Leben einer Jüdin wäre.
NATHAN
Groß!
Groß und abscheulich! — Doch die Wendung lässt
Sich denken. Die bescheidne Größe flüchtet
Sich hinter das Abscheuliche, um der
Bewundrung auszuweichen. — Aber wenn
Sie so das Opfer der Bewunderung
Verschmäht, was für ein Opfer denn verschmäht
Sie minder? — Ritter, wenn Ihr hier nicht fremd
Und nicht gefangen wäret, würd ich Euch
So dreist nicht fragen. Sagt, befehlt: womit
Kann man Euch dienen?
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
Nun gut, das will ich auch nicht ganz verreden,
Um meines Mantels willen nicht. Sobald
Der ganz und gar verschlissen, weder Stich
Noch Fetze länger halten will: komm ich
Und borge mir bei Euch zu einem neuen
Tuch oder Geld. — Seht nicht mit eins so finster!
Noch seid Ihr sicher; noch ist’s nicht so weit
Mit ihm. Ihr seht, er ist so ziemlich noch
Im Stande. Nur der eine Zipfel da
Hat einen garst’gen Fleck: er ist versengt.
Und das bekam er, als ich Eure Tochter
Durchs Feuer trug.
NATHAN
der nach dem Zipfel greift und ihn betrachtet
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
Stellt und verstellt Euch, wie Ihr wollt. Ich find
Auch hier Euch aus. Ihr wart zu gut, zu bieder,
Um höflicher zu sein. — Das Mädchen, ganz
Gefühl; der weibliche Gesandte, ganz
Dienstfertigkeit; der Vater weit entfernt —
Ihr trugt für ihren guten Namen Sorge;
Floht ihre Prüfung; floht, um nicht zu siegen.
Auch dafür dank ich Euch —
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
Mit diesem Unterschied ist’s nicht weit her.
Der große Mann braucht überall viel Boden;
Und mehrere, zu nah gepflanzt, zerschlagen
Sich nur die Äste. Mittelgut, wie wir,
Find’t sich hingegen überall in Menge.
Nur muss der eine nicht den andern mäkeln.
Nur muss der Knorr den Knuppen hübsch vertragen.
Nur muss ein Gipfelchen sich nicht vermessen,
Dass es allein der Erde nicht entschossen.
TEMPELHERR
Sehr wohl gesagt! — Doch kennt Ihr auch das Volk,
Das diese Menschenmäkelei zuerst
Getrieben? Wisst Ihr, Nathan, welches Volk
Zuerst das auserwählte Volk sich nannte?
Wie? wenn ich dieses Volk nun, zwar nicht hasste,
Doch wegen seines Stolzes zu verachten
Mich nicht entbrechen könnte? Seines Stolzes,
Den es auf Christ und Muselmann vererbte,
Nur sein Gott sei der rechte Gott! — Ihr stutzt,
Dass ich, ein Christ, ein Tempelherr, so rede?
Wenn hat, und wo die fromme Raserei,
Den bessern Gott zu haben, diesen bessern
Der ganzen Welt als besten aufzudringen,
In ihrer schwärzesten Gestalt sich mehr
Gezeigt, als hier, als jetzt? Wem hier, wem jetzt
Die Schuppen nicht vom Auge fallen … Doch
Sei blind, wer will! — Vergesst, was ich gesagt,
Und lasst mich!
Will gehen.
NATHAN
Ha! Ihr wisst nicht, wie viel fester
Ich nun mich an Euch drängen werde. — Kommt,
Wir müssen, müssen Freunde sein! — Verachtet
Mein Volk so sehr Ihr wollt. Wir haben beide
Uns unser Volk nicht auserlesen. Sind
Wir etwa unser Volk? Was heißt denn Volk?
Sind Christ und Jude eher Christ und Jude,
Als Mensch? Ah! wenn ich einen mehr in Euch
Gefunden hätte, dem es g’nügt, ein Mensch
Zu heißen!
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
SECHSTER AUFTRITT
Die Vorigen und Daja eilig.
DAJA
NATHAN
DAJA
NATHAN
TEMPELHERR
DAJA
NATHAN
DAJA
NATHAN
DAJA
NATHAN
SIEBENTER AUFTRITT
Nathan und der Tempelherr.
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
Durch das er mir
Ein doppelt, dreifach Leben schenkte. Dies
Hat alles zwischen uns verändert; hat
Mit eins ein Seil mir umgeworfen, das
Mich seinem Dienst auf ewig fesselt. Kaum,
Und kaum kann ich es nun erwarten, was
Er mir zuerst befehlen wird. Ich bin
Bereit zu allem; bin bereit ihm zu
Gestehn, dass ich es Euertwegen bin.
TEMPELHERR
Noch hab ich selber ihm nicht danken können,
So oft ich auch ihm in den Weg getreten.
Der Eindruck, den ich auf ihn machte, kam
So schnell, als schnell er wiederum verschwunden.
Wer weiß, ob er sich meiner gar erinnert.
Und dennoch muss er, einmal wenigstens,
Sich meiner noch erinnern, um mein Schicksal
Ganz zu entscheiden. Nicht genug, dass ich
Auf sein Geheiß noch bin, mit seinem Willen
Noch leb: ich muss nun auch von ihm erwarten,
Nach wessen Willen ich zu leben habe.
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
Er geht.
NATHAN
der ihm mit Erstaunen nachsieht)
„Der Forscher fand nicht selten mehr, als er
Zu finden wünschte.” — Ist es doch, als ob
In meiner Seel’ er lese! — Wahrlich ja,
Das könnt auch mir begegnen. — Nicht allein
Wolfs Wuchs, Wolfs Gang: auch seine Stimme . So,
Vollkommen so, warf Wolf sogar den Kopf;
Trug Wolf sogar das Schwert im Arm; strich Wolf
Sogar die Augenbraunen mit der Hand,
Gleichsam das Feuer seines Blicks zu bergen. —
Wie solche tiefgeprägte Bilder doch
Zu Zeiten in uns schlafen können, bis
Ein Wort, ein Laut sie weckt! — Von Stauffen! —
Ganz recht, ja, ja! ganz recht; Filnek und Stauffen. —
Ich will das bald genauer wissen, bald.
Nur erst zum Saladin. — Doch wie? lauscht dort
Nicht Daja? — Nun, so komm nur näher, Daja.
ACHTER AUFTRITT
Daja. Nathan.
NATHAN
DAJA
NATHAN
DAJA
NATHAN
DAJA
Geht ab.
NEUNTER AUFTRITT
Nathan. Al-Hafi.
AL-HAFI
NATHAN
AL-HAFI
NATHAN
AL-HAFI
NATHAN
AL-HAFI
NATHAN
AL-HAFI
NATHAN
AL-HAFI
NATHAN
AL-HAFI
Dass
Nun Ihr sein Defterdar geworden. Ich
Bedaur' Euch. Doch mit ansehn will ich’s nicht.
Ich geh von Stund an, geh, Ihr habt es schon
Gehört, wohin, und wisst den Weg. — Habt Ihr
Des Wegs was zu bestellen, sagt: ich bin
Zu Diensten. Freilich muss es mehr nicht sein,
Als was ein Nackter mit sich schleppen kann.
Ich geh, sagt bald.
NATHAN
AL-HAFI
NATHAN
AL-HAFI
NATHAN
AL-HAFI
Ich sollt’ es wohl
Mit ansehn, wie er Euch von Tag zu Tag
Aushöhlen wird bis auf die Zehen? Sollt’
Es wohl mit ansehn, dass Verschwendung aus
Der weisen Milde sonst nie leeren Scheuern
So lange borgt, und borgt, und borgt, bis auch
Die armen eingebornen Mäuschen drin
Verhungern? — Bildet Ihr vielleicht Euch ein,
Wer Eures Gelds bedürftig sei, der werde
Doch Euerm Rate wohl auch folgen? — Ja,
Er Rate folgen! Wenn hat Saladin
Sich raten lassen? — Denkt nur, Nathan, was
Mir eben jetzt mit ihm begegnet.
NATHAN
AL-HAFI
NATHAN
AL-HAFI
NATHAN
AL-HAFI
NATHAN
AL-HAFI
NATHAN
AL-HAFI
NATHAN
AL-HAFI
NATHAN
AL-HAFI
Ach was? Ich sag Euch das nur so, damit
Ihr sehen könnt, was für ein Kopf er ist.
Kurz, ich, ich halt’s mit ihm nicht länger aus.
Da lauf ich nun bei allen schmutz’gen Mohren
Herum, und frage, wer ihm borgen will.
Ich, der ich nie für mich gebettelt habe,
Soll nun für andre borgen. Borgen ist
Viel besser nicht als betteln; so wie leihen,
Auf Wucher leihen, nicht viel besser ist,
Als stehlen. Unter meinen Gebern, an
Dem Ganges, brauch ich beides nicht, und brauche
Das Werkzeug beider nicht zu sein. Am Ganges,
Am Ganges nur gibt’s Menschen. Hier seid Ihr
Der Einzige, der noch so würdig wäre,
Dass er am Ganges lebte. — Wollt Ihr mit? —
Lasst ihm mit eins den Plunder ganz im Stiche,
Um den es ihm zu tun. Er bringt Euch nach
Und nach doch drum. So wär die Plackerei
Auf einmal aus. Ich schaff Euch einen Delk.
Kommt! kommt!
NATHAN
AL-HAFI
NATHAN
AL-HAFI
NATHAN
AL-HAFI
NATHAN
ihm nachsehend
Von einer andern Seite ab.
DRITTER AUFZUG
ERSTER AUFTRITT
Szene: In Nathans Hause.
Recha und Daja.
RECHA
Wie, Daja, drückte sich mein Vater aus?
„Ich dürf ihn jeden Augenblick erwarten?”
Das klingt — nicht wahr? — als ob er noch so bald
Erscheinen werde. — Wie viel Augenblicke
Sind aber schon vorbei! — Ah nun; wer denkt
An die verflossenen? — Ich will allein
In jedem nächsten Augenblicke leben.
Er wird doch einmal kommen, der ihn bringt.
DAJA
RECHA
DAJA
RECHA
DAJA
RECHA
Du irrst. — Was diesen Wunsch zu deinem macht,
Das Nämliche verhindert, dass er meiner
Je werden kann. Dich zieht dein Vaterland:
Und meines, meines sollte mich nicht halten?
Ein Bild der deinen, das in deiner Seele
Noch nicht verloschen, sollte mehr vermögen,
Als die ich sehn, und greifen kann, und hören,
Die Meinen?
DAJA
RECHA
Daja!
Was sprichst du da nun wieder, liebe Daja!
Du hast doch wahrlich deine sonderbaren
Begriffe! „Sein, sein Gott! für den er kämpft!”
Wem eignet Gott! Was ist das für ein Gott,
Der einem Menschen eignet? der für sich
Muss kämpfen lassen! — Und wie weiß
Man denn, für welchen Erdkloß man geboren,
Wenn man’s für den nicht ist, auf welchem man
Geboren? — Wenn mein Vater dich so hörte! —
Was tat er dir, mir immer nur mein Glück
So weit von ihm als möglich vorzuspiegeln?
Was tat er dir, den Samen der Vernunft,
Den er so rein in meine Seele streute,
Mit deines Landes Unkraut oder Blumen,
So gern zu mischen? — Liebe, liebe Daja,
Er will nun deine bunten Blumen nicht
Auf meinem Boden! — Und ich muss dir sagen,
Ich selber fühle meinen Boden, wenn
Sie noch so schön ihn kleiden, so entkräftet,
So ausgezehrt durch deine Blumen; fühle
In ihrem Dufte, sauersüßem Dufte,
Mich so betäubt, so schwindelnd! — Dein Gehirn
Ist dessen mehr gewohnt. Ich tadle drum
Die stärkern Nerven nicht, die ihn vertragen.
Nur schlägt er mir nicht zu; und schon dein Engel,
Wie wenig fehlte, dass er mich zur Närrin
Gemacht? — Noch schäm ich mich vor meinem Vater
Der Posse!
DAJA
RECHA
Darfst du nicht?
Wann war ich nicht ganz Ohr, so oft es dir
Gefiel, von deinen Glaubenshelden mich
Zu unterhalten? Hab ich ihren Taten
Nicht stets Bewunderung, und ihren Leiden
Nicht immer Tränen gern gezollt? Ihr Glaube
Schien freilich mir das Heldenmäßigste
An ihnen nie. Doch so viel tröstender
War mir die Lehre, dass Ergebenheit
In Gott von unserm Wähnen über Gott
So ganz und gar nicht abhängt. — Liebe Daja,
Das hat mein Vater uns so oft gesagt;
Darüber hast du selbst mit ihm so oft
Dich einverstanden; warum untergräbst
Du denn allein, was du mit ihm zugleich
Gebauet? — Liebe Daja, das ist kein
Gespräch, womit wir unserm Freund am besten
Entgegensehn. Für mich zwar, ja! Denn mir,
Mir liegt daran unendlich, ob auch er …
Horch, Daja! — Kommt es nicht an unsre Türe?
Wenn er es wäre! Horch!
ZWEITER AUFTRITT
Recha, Daja und der Tempelherr, dem jemand von
außen die Türe öffnet, mit den Worten:
RECHA
fährt zusammen, fasst sich, und will ihm zu Füßen fallen.
TEMPELHERR
RECHA
Ich will
Ja zu den Füßen dieses stolzen Mannes
Nur Gott noch einmal danken, nicht dem Manne.
Der Mann will keinen Dank, will ihn so wenig
Als ihn der Wassereimer will, der bei
Dem Löschen so geschäftig sich erwiesen.
Der ließ sich füllen, ließ sich leeren, mir
Nichts, dir nichts: also auch der Mann. Auch der
Ward nur so in die Glut hineingestoßen;
Da fiel ich ungefähr ihm in den Arm;
Da blieb ich ungefähr, so wie ein Funken
Auf seinem Mantel, ihm in seinen Armen;
Bis wiederum, ich weiß nicht was, uns beide
Herausschmiss aus der Glut. — Was gibt es da
Zu danken? — In Europa treibt der Wein
Zu noch weit andern Taten. — Tempelherren,
Die müssen einmal nun so handeln; müssen
Wie etwas besser zugelernte Hunde,
Sowohl aus Feuer, als aus Wasser holen.
TEMPELHERR
der sie mit Erstaunen und Unruhe die ganze Zeit über betrachtet.
DAJA
RECHA
TEMPELHERR
Pause, unter der er in Anschauung ihrer sich wie verliert.
RECHA
TEMPELHERR
RECHA
TEMPELHERR
RECHA
TEMPELHERR
RECHA
Nun das wohl nicht.
Denn wo er stand, stand er vor Gott. Und davon
Ist mir zur G’nüge schon bekannt. — Ob’s wahr,
Möcht ich nur gern von Euch erfahren, dass —
Dass es bei weitem nicht so mühsam sei,
Auf diesen Berg hinaufzusteigen, als
Herab? — Denn seht, so viel ich Berge noch
Gestiegen bin, war’s just das Gegenteil. —
Nun, Ritter? — Was? — Ihr kehrt Euch von mir ab?
Wollt mich nicht sehn?
TEMPELHERR
RECHA
TEMPELHERR
So muss
Ich doch Euch wieder in die Augen sehn. —
Was? Nun schlagt Ihr sie nieder? nun verbeißt
Das Lächeln Ihr? wie ich noch erst in Mienen
In zweifelhaften Mienen lesen will,
Was ich so deutlich hör, Ihr so vernehmlich
Mir sagt — verschweigt? — Ah Recha! Recha! Wie
Hat er so wahr gesagt; „Kennt sie nur erst!”
RECHA
TEMPELHERR
DAJA
TEMPELHERR
RECHA
TEMPELHERR
DAJA
TEMPELHERR
RECHA
TEMPELHERR
Ab.
DRITTER AUFTRITT
Recha und Daja.
RECHA
DAJA
RECHA
DAJA
RECHA
DAJA
RECHA
DAJA
RECHA
DAJA
RECHA
DAJA
RECHA
DAJA
RECHA
DAJA
RECHA
Er wird
Mir ewig wert, mir ewig werter, als
Mein Leben bleiben, wenn auch schon mein Puls
Nicht mehr bei seinem bloßen Namen wechselt;
Nicht mehr mein Herz, so oft ich an ihn denke,
Geschwinder, stärker schlägt. — Was schwatz ich? Komm,
Komm, liebe Daja, wieder an das Fenster,
Das auf die Palmen sieht.
DAJA
RECHA
DAJA
RECHA
VIERTER AUFTRITT
Szene; ein Audienzsaal in dem Palaste des Saladin.
Saladin und Sittah.
SALADIN
im Hereintreten, gegen die Türe
SITTAH
SALADIN
SITTAH
SALADIN
Und das
Mit Waffen, die ich nicht gelernt zu führen.
Ich soll mich stellen; soll besorgen lassen;
Soll Fallen legen; soll auf Glatteis führen.
Wann hätt ich das gekonnt? Wo hätt ich das
Gelernt? — Und soll das alles, ah, wozu?
Wozu? — Um Geld zu fischen! Geld! — Um Geld,
Geld einem Juden abzubangen? Geld!
Zu solchen kleinen Listen wär ich endlich
Gebracht, der Kleinigkeiten kleinste mir
Zu schaffen?
SITTAH
SALADIN
SITTAH
O nun dann!
Was hat es dann für Not! Die Schlinge liegt
Ja nur dem geizigen, besorglichen,
Furchtsamen Juden; nicht dem guten, nicht
Dem weisen Manne. Dieser ist ja so
Schon unser, ohne Schlinge. Das Vergnügen,
Zu hören, wie ein solcher Mann sich ausred’t;
Mit welcher dreisten Stärk' entweder er
Die Stricke kurz zerreißet, oder auch
Mit welcher schlauen Vorsicht er die Netze
Vorbei sich windet: dies Vergnügen hast
Du obendrein.
SALADIN
SITTAH
SALADIN
SITTAH
SALADIN
SITTAH
SALADIN
SITTAH
SALADIN
SITTAH
SALADIN
SITTAH
SALADIN
Indem sie sich durch die eine Türe entfernt, tritt Nathan zu der andern herein, und Saladin hat sich gesetzt.
FÜNFTER AUFTRITT
Saladin und Nathan.
SALADIN
NATHAN
SALADIN
NATHAN
SALADIN
NATHAN
SALADIN
NATHAN
SALADIN
NATHAN
SALADIN
NATHAN
SALADIN
NATHAN
SALADIN
NATHAN
SALADIN
NATHAN
SALADIN
NATHAN
SALADIN
NATHAN
SALADIN
NATHAN
SALADIN
Und ich ein Muselmann.
Der Christ ist zwischen uns. — Von diesen drei
Religionen kann doch eine nur
Die wahre sein. — Ein Mann, wie du, bleibt da
Nicht stehen, wo der Zufall der Geburt
Ihn hingeworfen; oder wenn er bleibt,
Bleibt er aus Einsicht, Gründen, Wahl des Bessern
Wohlan! so teile deine Einsicht mir
Denn mit. Lass mich die Gründe hören, denen
Ich selber nachzugrübeln nicht die Zeit
Gehabt. Lass mich die Wahl, die diese Gründe
Bestimmt — versteht sich, im Vertrauen — wissen,
Damit ich sie zu meiner mache. — Wie?
Du stutzest? wägst mich mit dem Auge? — Kann
Wohl sein, dass ich der erste Sultan bin,
Der eine solche Grille hat, die mich
Doch eines Sultans eben nicht so ganz
Unwürdig dünkt. — Nicht wahr? So rede doch!
Sprich! — Oder willst du einen Augenblick,
Dich zu bedenken? Gut, ich geb ihn dir. —
(Ob sie wohl horcht? Ich will sie doch belauschen;
Will hören, ob ich’s recht gemacht.) Denk nach,
Geschwind denk nach! Ich säume nicht, zurück
Zu kommen.
Er geht in das Nebenzimmer, nach welchem sich Sittah begeben.
SECHSTER AUFTRITT
Nathan allein.
Hm! hm! — wunderlich! — Wie ist
Mir denn? — Was will der Sultan? Was? — Ich bin
Auf Geld gefasst, und er will — Wahrheit. Wahrheit!
Und will sie so, — so bar, so blank, — als ob
Die Wahrheit Münze wäre! — Ja, wenn noch
Uralte Münze, die gewogen ward! —
Das ginge noch! Allein so neue Münze,
Die nur der Stempel macht, die man aufs Brett
Nur zählen darf, das ist sie doch nun nicht!
Wie Geld in Sack, so striche man in Kopf
Auch Wahrheit ein? Wer ist denn hier der Jude?
Ich oder er? — Doch wie? Sollt er auch wohl,
Die Wahrheit nicht in Wahrheit fordern? — Zwar,
Zwar der Verdacht, dass er die Wahrheit nur
Als Falle brauche, wär auch gar zu klein! —
Zu klein? — Was ist für einen Großen denn
Zu klein? — Gewiss, gewiss: er stürzte mit
Der Türe so ins Haus! Man pocht doch, hört
Doch erst, wenn man als Freund sich naht. — Ich muss
Behutsam gehn! — Und wie? wie das? — So ganz
Stockjude sein zu wollen, geht schon nicht. —
Und ganz und gar nicht Jude, geht noch minder.
Denn, wenn kein Jude, dürft er mich nur fragen,
Warum kein Muselmann? — Das war’s! Das kann
Mich retten! — Nicht die Kinder bloß speist man
Mit Märchen ab. — Er kömmt. Er komme nur!
SIEBENTER AUFTRITT
Saladin tuid Nathan.
SALADIN
NATHAN
SALADIN
NATHAN
SALADIN
NATHAN
SALADIN
NATHAN
SALADIN
NATHAN
Vor grauen Jahren lebt’ ein Mann im Osten,
Der einen Ring von unschätzbarem Wert
Aus lieber Hand besaß. Der Stein war ein
Opal, der hundert schöne Farben spielte,
Und hatte die geheime Kraft, vor Gott
Und Menschen angenehm zu machen, wer
In dieser Zuversicht ihn trug. Was Wunder,
dass ihn der Mann im Osten darum nie
Vom Finger ließ, und die Verfügung traf,
Auf ewig ihn bei seinem Hause zu
Erhalten? Nämlich so. Er ließ den Ring
Von seinen Söhnen dem Geliebtesten;
Und setzte fest, dass dieser wiederum
Den Ring von seinen Söhnen dem vermache,
Der ihm der Liebste sei; und stets der Liebste,
Ohn Ansehn der Geburt, in Kraft allein
Des Rings, das Haupt, der Fürst des Hauses werde. —
Versteh mich, Sultan.
SALADIN
NATHAN
So kam nun dieser Ring, von Sohn zu Sohn,
Auf einen Vater endlich von drei Söhnen,
Die alle drei ihm gleich gehorsam waren,
Die alle drei er folglich gleich zu lieben
Sich nicht entbrechen konnte. Nur von Zeit
Zu Zeit schien ihm bald der, bald dieser, bald
Der dritte, — sowie jeder sich mit ihm
Allein befand, und sein ergießend Herz
Die andern zwei nicht teilten, — würdiger
Des Ringes, den er denn auch einem jeden
Die fromme Schwachheit hatte, zu versprechen.
Das ging nun so, so lang es ging. — Allein
Es kam zum Sterben, und der gute Vater
Kommt in Verlegenheit. Es schmerzt ihn, zwei
Von seinen Söhnen, die sich auf sein Wort
Verlassen, so zu kränken. — Was zu tun?
Er sendet in geheim zu einem Künstler,
Bei dem er, nach dem Muster seines Ringes
Zwei andere bestellt, und weder Kosten
Noch Mühe sparen heißt, sie jenem gleich,
Vollkommen gleich zu machen. Das gelingt
Dem Künstler. Da er ihm die Ringe bringt,
Kann selbst der Vater seinen Musterring
Nicht unterscheiden. Froh und freudig ruft
Er seine Söhne, jeden insbesondre;
Gibt jedem insbesondre seinen Segen, —
Und seinen Ring, — und stirbt. — Du hörst doch, Sultan?
SALADIN
der betroffen sich von ihm gewandt
NATHAN
Ich bin zu Ende.
Denn was noch folgt, versteht sich ja von selbst. —
Kaum war der Vater tot, so kommt ein jeder
Mit seinem Ring und jeder will der Fürst
Des Hauses sein. Man untersucht, man zankt,
Man klagt. Umsonst; der rechte Ring war nicht
Erweislich —
Nach einer Pause, in welcher er des Sultans Antwort erwartet.
Fast so unerweislich als
Uns jetzt — der rechte Glaube.
SALADIN
Nathan
SALADIN
NATHAN
Und nur von Seiten ihrer Gründe nicht. —
Denn gründen alle sich nicht auf Geschichte?
Geschrieben oder überliefert! — Und
Geschichte muss doch wohl allein auf Treu
Und Glauben angenommen werden? — Nicht? —
Nun wessen Treu und Glauben zieht man denn
Am wenigsten in Zweifel? Doch der Seinen?
Doch deren Blut wir sind? Doch deren, die
Von Kindheit an uns Proben ihrer Liebe
Gegeben? die uns nie getäuscht, als wo
Getäuscht zu werden uns heilsamer war? —
Wie kann ich meinen Vätern weniger,
Als du den deinen glauben? Oder, umgekehrt:
Kann ich von dir verlangen, dass du deine
Vorfahren Lügen strafst, um meinen nicht
Zu widersprechen? Oder umgekehrt.
Das Nämliche gilt von den Christen. Nicht? —
SALADIN
NATHAN
Lass auf unsre Ring'
Uns wieder kommen. Wie gesagt: die Söhne
Verklagten sich; und jeder schwur dem Richter,
Unmittelbar aus seines Vaters Hand
Den Ring zu haben — wie auch wahr! — nachdem
Er von ihm lange das Versprechen schon
Gehabt, des Ringes Vorrecht einmal zu
Genießen. — Wie nicht minder wahr! — Der Vater,
Beteu’rte jeder, könne gegen ihn
Nicht falsch gewesen sein; und eh er dieses
Von ihm, von einem solchen lieben Vater,
Argwohnen lass': eh müss’ er seine Brüder,
So gern er sonst von ihnen nur das Beste
Bereit zu glauben sei, des falschen Spiels
Bezeihen; und er wolle die Verräter
Schon auszufinden wissen; sich schon rächen.
SALADIN
NATHAN
Der Richter sprach: wenn Ihr mir nun den Vater
Nicht bald zur Stelle schafft, so weis ich Euch
Von meinem Stuhle. Denkt Ihr, dass ich Rätsel
Zu lösen da bin? Oder harret Ihr,
Bis dass der rechte Ring den Mund eröffne? —
Doch halt! Ich höre ja, der rechte Ring
Besitzt die Wunderkraft beliebt zu machen;
Vor Gott und Menschen angenehm. Das muss
Entscheiden! Denn die falschen Ringe werden
Doch das nicht können! — Nun, wen lieben zwei
Von Euch am meisten? — Macht, sagt an! Ihr schweigt?
Die Ringe wirken nur zurück? und nicht
Nach außen? Jeder liebt sich selber nur
Am meisten? — O so seid Ihr alle drei
Betrogene Betrüger! Eure Ringe
Sind alle drei nicht echt. Der echte Ring
Vermutlich ging verloren. Den Verlust
Zu bergen, zu ersetzen, ließ der Vater
Die drei für einen machen.
SALADIN
NATHAN
Und also, fuhr der Richter fort, wenn Ihr
Nicht meinen Rat, statt meines Spruches, wollt:
Geht nur! — Mein Rat ist aber der: Ihr nehmt
Die Sache völlig wie sie liegt. Hat von
Euch jeder seinen Ring von seinem Vater,
So glaube jeder sicher seinen Ring
Den echten. — Möglich, dass der Vater nun
Die Tyrannei des einen Rings nicht länger
In seinem Hause dulden wollen! — Und gewiss,
dass er Euch alle drei geliebt, und gleich
Geliebt indem er zwei nicht drücken mögen,
Um einen zu begünstigen. — Wohlan!
Es eifre jeder seiner unbestochnen,
Von Vorurteilen freien Liebe nach!
Es strebe von Euch jeder um die Wette,
Die Kraft des Steins in seinem Ring an Tag
Zu legen! komme dieser Kraft mit Sanftmut,
Mit herzlicher Verträglichkeit, mit Wohltun,
Mit innigster Ergebenheit in Gott,
Zu Hülf'! Und wenn sich dann der Steine Kräfte
Bei Euem Kindes-Kindeskindern äußern:
So lad ich über tausend tausend Jahre
Sie wiederum vor diesen Stuhl. Da wird
Ein weis’rer Mann auf diesem Stuhle sitzen,
Als ich, und sprechen. Geht! — So sagte der
Bescheidne Richter.
SALADIN
NATHAN
SALADIN
der auf ihn zustürzt, und seine Hand ergreift, die er bis zu Ende nicht wieder fahren lässt.
NATHAN
SALADIN
NATHAN
SALADIN
NATHAN
SALADIN
NATHAN
SALADIN
NATHAN
Ich komm von einer weiten Reis’, auf welcher
Ich Schulden eingetrieben. — Fast hab ich
Des baren Gelds zu viel. — Die Zeit beginnt
Bedenklich wiederum zu werden; — und
Ich weiß nicht recht, wo sicher damit hin. —
Da dacht ich, ob nicht du vielleicht, — weil doch
Ein naher Krieg des Geldes immer mehr
Erfordert, — etwas brauchen könntest.
SALADIN
ihm steif in die Augen sehend
NATHAN
SALADIN
NATHAN
SALADIN
NATHAN
SALADIN
NATHAN
SALADIN
NATHAN
SALADIN
Er? Hat er das? — Ha! danach sah er aus.
Das hätte traun mein Bruder auch getan,
Dem er so ähnelt! — Ist er denn noch hier?
So bring ihn her! — Ich habe meiner Schwester
Von diesem ihrem Bruder, den sie nicht
Gekannt, so viel erzählet, dass ich sie
Sein Ebenbild doch auch muss sehen lassen! —
Geh, hol ihn! — Wie aus einer guten Tat,
Gebar sie auch schon bloße Leidenschaft,
Doch so viel andre gute Taten fließen!
Geh, hol ihn!
NATHAN
indem er Saladins Hand fahren lässt.
SALADIN
Ab von der andern Seite.
ACHTER AUFTRITT
Die Szene: unter den Palmen,
in der Nähe des Klosters, wo der Tempelherr Nathans wartet.
TEMPELHERR
geht, mit sich selbst kämpfend, auf und ab, bis er losbricht.
— Hier hält das Opfertier ermüdet still. —
Nun gut! Ich mag nicht, mag nicht näher wissen,
Was in mir vorgeht; mag voraus nicht wittern,
Was vorgehn wird. — Genug, ich bin umsonst
Geflohn; umsonst. — Und weiter könnt ich doch
Auch nichts, als fliehn! — Nun komm’, was kommen soll! —
Ihm auszubeugen, war der Streich zu schnell
Gefallen, unter den zu kommen, ich
So lang und viel mich weigerte. — Sie sehn,
Die ich zu sehn so wenig lüstern war, —
Sie sehn, und der Entschluß, sie wieder aus
Den Augen nie zu lassen — Was Entschluss?
Entschluss ist Vorsatz, Tat: und ich, ich litt’,
Ich litte bloß. — Sie sehn, und das Gefühl,
An sie verstrickt, in sie verwebt zu sein
War eins. — Bleibt eins. — Von ihr getrennt
Zu leben, ist mir ganz undenkbar; wär
Mein Tod, — und wo wir immer nach dem Tode
Noch sind, auch da mein Tod. — Ist das nun Liebe:
So — liebt der Tempelritter freilich, — liebt
Der Christ das Judenmädchen freilich. — Hm!
Was tut’s? — Ich hab in dem gelobten Lande, —
Und drum auch mir gelobt auf immerdar! —
Der Vorurteile mehr schon abgelegt. —
Was will mein Orden auch? Ich Tempelherr
Bin tot; war von dem Augenblick ihm tot,
Der mich zu Saladins Gefangnen machte.
Der Kopf, den Saladin mir schenkte, war
Mein alter? — Ist ein neuer, der von allem
Nichts weiß, was jenem eingeplaudert ward,
Was jenen band; — und ist ein bessrer; für
Den väterlichen Himmel mehr gemacht
Das spür ich ja. Denn erst mit ihm beginn
Ich so zu denken, wie mein Vater hier
Gedacht muss haben; wenn man Märchen nicht
Von ihm mir vorgelogen. — Märchen? — doch
Ganz glaubliche; die glaublicher mir nie,
Als jetzt geschienen, da ich nur Gefahr
Zu straucheln laufe, wo er fiel — Er fiel?
Ich will mit Männern lieber fallen, als
Mit Kindern stehn. — Sein Beispiel bürget mir
Für seinen Beifall. Und an wessen Beifall
Liegt mir denn sonst? — An Nathans? — O an dessen
Ermuntrung mehr, als Beifall, kann es mir
Noch weniger gebrechen. — Welch ein Jude! —
Und der so ganz nur Jude scheinen will!
Da kommt er; kommt mit Hast; glüht heitre Freude.
Wer kam vom Saladin je anders? He!
He, Nathan!
NEUNTER AUFTRITT
Nathan und der Tempelherr.
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
nach einer kurzen Pause ihm plötzlich um den Hals fallend
NATHAN
TEMPELHERR
ihn eben so plötzlich wieder lassend
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
Und Ihr nehmt’s wahrlich zu genau! — Was wär’s
Denn nun? So was von Bastard oder Bankert!
Der Schlag ist auch nicht zu verachten. — Doch
Entlasst mich immer meiner Ahnenprobe.
Ich will Euch Eurer wiederum entlassen.
Nicht zwar, als ob ich den geringsten Zweifel
In Euern Stammbaum setzte. Gott behüte!
Ihr könnt ihn Blatt vor Blatt bis Abraham
Hinauf belegen. Und von da so weiter,
Weiß ich ihn selbst; will ich ihn selbst beschwören.
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
ZEHNTER AUFTRITT
Der Tempelherr und bald darauf Daja.
TEMPELHERR
Schon mehr als g’nug! — Des Menschen Hirn fasst so
Unendlich viel; und ist doch manchmal auch
So plötzlich voll! von einer Kleinigkeit
So plötzlich voll! — Taugt nichts, taugt nichts; es sei
Auch voll, wovon es will. — Doch nur Geduld!
Die Seele wirkt den aufgedunsenen Stoff
Bald ineinander, schafft sich Raum, und Licht
Und Ordnung kommen wieder. — Lieb ich denn
Zum ersten Male? Oder war, was ich
Als Liebe kenne, Liebe nicht? — Ist Liebe
Nur was ich jetzt empfinde? …
DAJA
die sich von der Seite herbeigeschlichen
TEMPELHERR
DAJA
TEMPELHERR
DAJA
TEMPELHERR
DAJA
Ei denkt doch! — Nein, Herr Ritter:
Erst Ihr; ich folge. — Denn versichert, mein
Geheimnis kann Euch gar nichts nützen, wenn
Ich nicht zuvor das Eure habe. — Nur
Geschwind! — Denn frag ich’s Euch erst ab: so habt
Ihr nichts vertrauet. Mein Geheimnis dann
Bleibt mein Geheimnis; und das Eure seid
Ihr los. — Doch, armer Ritter! — dass ihr Männer
Ein solch Geheimnis vor uns Weibern haben
Zu können auch nur glaubt!
TEMPELHERR
DAJA
Kann wohl sein. Drum muss
Ich freilich erst, Euch selbst damit bekannt
Zu machen, schon die Freundschaft haben. — Sagt:
Was hieß denn das, dass Ihr so Knall und Fall
Euch aus dem Staube machtet? dass Ihr uns
So sitzen ließet? — dass Ihr nun mit Nathan
Nicht wiederkommt? — Hat Recha denn so wenig
Auf Euch gewirkt? Wie? oder auch, so viel? —
So viel! so viel! — Lehrt Ihr des armen Vogels,
Der an der Rute klebt, Geflattre mich
Doch kennen! — Kurz: gesteht es mir nur gleich,
dass Ihr sie liebt, liebt bis zum Unsinn; und
Ich sag Euch was …
TEMPELHERR
DAJA
TEMPELHERR
DAJA
TEMPELHERR
DAJA
TEMPELHERR
DAJA
TEMPELHERR
DAJA
TEMPELHERR
DAJA
TEMPELHERR
DAJA
TEMPELHERR
DAJA
TEMPELHERR
DAJA
TEMPELHERR
DAJA
TEMPELHERR
DAJA
TEMPELHERR
DAJA
TEMPELHERR
kalt
DAJA
TEMPELHERR
DAJA
TEMPELHERR
DAJA
TEMPELHERR
hastig
DAJA
TEMPELHERR
DAJA
TEMPELHERR
DAJA
TEMPELHERR
DAJA
TEMPELHERR
DAJA
TEMPELHERR
Nathan — Wie? —
Der weise, gute Nathan hätte sich
Erlaubt, die Stimme der Natur so zu
Verfälschen? — Die Ergießung eines Herzens
So zu verlenken, die, sich selbst gelassen,
Ganz andre Wege nehmen würde? — Daja,
Ihr habt mir allerdings etwas vertraut —
Von Wichtigkeit, — was Folgen haben kann,
Was mich verwirrt, — worauf ich gleich nicht weiß,
Was mir zu tun. — Drum lasst mir Zeit. — Drum geht!
Er kommt hier wiederum vorbei. Er möcht
Uns überfallen. Geht!
DAJA
TEMPELHERR
DAJA
TEMPELHERR
VIERTER AUFZUG
ERSTER AUFTRITT
Szene: in den Kreuzgängen des Klosters.
Der Klosterbruder und bald darauf der Tempelherr.
KLOSTERBRUDER
Ja, ja! er hat schon Recht, der Patriarch!
Es hat mir freilich noch von alledem
Nicht viel gelingen wollen, was er mir
So aufgetragen. — Warum trägt er mir
Auch lauter solche Sachen auf? — Ich mag
Nicht fein sein; mag nicht überreden; mag
Mein Näschen nicht in alles stecken; mag
Mein Händchen nicht in allem haben. — Bin
Ich darum aus der Welt geschieden, ich
Für mich, um mich für andre mit der Welt
Noch erst recht zu verwickeln?
TEMPELHERR
mit Hast auf ihn zukommend
KLOSTERBRUDER
TEMPELHERR
KLOSTERBRUDER
Doch, doch! Ich glaubte nur, dass ich den Herrn
In meinem Leben wieder nie zu sehn
Bekommen würde. Denn ich hofft es zu
Dem lieben Gott. — Der liebe Gott, der weiß,
Wie sauer mir der Antrag ward, den ich
Dem Herrn zu tun verbunden war. Er weiß,
Ob ich gewünscht, ein offnes Ohr bei Euch
Zu finden; weiß, wie sehr ich mich gefreut,
Im Innersten gefreut, dass Ihr so rund
Das alles, ohne viel Bedenken, von
Euch wies’t, was einem Ritter nicht geziemt. —
Nun kommt Ihr doch! Nun hat’s doch nachgewirkt!
TEMPELHERR
KLOSTERBRUDER
Ihr habt’s nun überlegt;
Habt nun gefunden, dass der Patriarch
So Unrecht doch nicht hat: dass Ehr' und Geld
Durch seinen Anschlag zu gewinnen; dass
Ein Feind ein Feind ist, wenn er unser Engel
Auch siebenmal gewesen wäre. Das,
Das habt Ihr nun mit Fleisch und Blut erwogen,
Und kommt, und tragt Euch wieder an. — Ach Gott!
TEMPELHERR
Mein frommer, lieber Mann! gebt Euch zufrieden.
Deswegen komm ich nicht; deswegen will
Ich nicht den Patriarchen sprechen. Noch,
Noch denk ich über jenen Punkt, wie ich
Gedacht, und wollt um alles in der Welt
Die gute Meinung nicht verlieren, deren
Mich ein so grader, frommer, lieber Mann
Einmal gewürdiget. — Ich komme bloß,
Den Patriarchen über eine Sache
Um Rat zu fragen …
KLOSTERBRUDER
Sich schüchtern umsehend.)
TEMPELHERR
KLOSTERBRUDER
TEMPELHERR
Weil er das Vorrecht hat,
Sich zu vergehn, das unsereiner ihm
Nicht sehr beneidet. — Freilich, wenn ich nur
Für mich zu handeln hätte; freilich, wenn
Ich Rechenschaft nur mir zu geben hätte:
Was braucht' ich Eures Patriarchen? Aber
Gewisse Dinge will ich lieber schlecht,
Nach andrer Willen, machen; als allein
Nach meinem, gut. — Zudem, ich seh nun wohl,
Religion ist auch Partei; und wer
Sich drob auch noch so unparteiisch glaubt,
Hält, ohn es selbst zu wissen, doch nur seiner
Die Stange. Weil das einmal nun so ist;
Wird’s so wohl recht sein.
KLOSTERBRUDER
TEMPELHERR
Und doch! —
(lass sehn, warum mir eigentlich zu tun!
Um Machtspruch oder Rat? — Um lautern, oder
Gelehrten Rat?) — Ich dank Euch Bruder; dank
Euch für den guten Wink. — Was Patriarch? —
Seid Ihr mein Patriarch! Ich will ja doch
Den Christen mehr im Patriarchen, als
Den Patriarchen in dem Christen fragen. —
Die Sach’ ist die …
KLOSTERBRUDER
ZWEITER AUFTRITT
Der Patriarch, welcher mit allem geistlichen Pomp den einen
Kreuzgang heraufkommt, und die Vorigen.
TEMPELHERR
KLOSTERBRUDER
TEMPELHERR
PATRIARCH
indem er näher kommt, winkt dem Bruder
KLOSTERBRUDER
PATRIARCH
auf ihn zu gehend, indem der Bruder und das Gefolge zurücktreten
TEMPELHERR
PATRIARCH
TEMPELHERR
PATRIARCH
TEMPELHERR
PATRAIARCH
Wer sagt denn das? — Ei freilich
muss niemand die Vernunft, die Gott ihm gab,
Zu brauchen unterlassen — wo sie hin–
Gehört. Gehört sie aber überall
Denn hin? — O nein! — Zum Beispiel: wenn uns Gott
Durch einen seiner Engel, — ist zu sagen,
Durch einen Diener seines Worts — ein Mittel
Bekannt zu machen würdiget, das Wohl
Der ganzen Christenheit, das Heil der Kirche
Auf irgendeine ganz besondre Weise
Zu fördern, zu befestigen: wer darf
Sich da noch unterstehn, die Willkür des,
Der die Vernunft erschaffen, nach Vernunft
Zu untersuchen? und das ewige
Gesetz der Herrlichkeit des Himmels nach
Den kleinen Regeln einer eiteln Ehre
Zu prüfen? — Doch hiervon genug. Was ist
Es denn, worüber unsern Rat für jetzt
Der Herr verlangt?
TEMPELHERR
Gesetzt, ehrwürd’ger Vater,
Ein Jude hätt ein einzig Kind, — es sei
Ein Mädchen, — das er mit der größten Sorgfalt
Zu allem Guten auferzogen, das
Er liebe mehr als seine Seele, das
Ihn wieder mit der frömmsten Liebe liebe.
Und nun würd unsereinem hinterbracht,
Dies Mädchen sei des Juden Tochter nicht;
Er hab’ es in der Kindheit aufgelesen,
Gekauft, gestohlen — was Ihr wollt; man wisse,
Das Mädchen sei ein Christenkind, und sei
Getauft; der Jude hab' es nur als Jüdin
Erzogen; lass es nur als Jüdin und
Als seine Tochter so verharren: — sagt,
Ehrwürd’ger Vater, was wär hierbei wohl
Zu tun?
PATRIARCH
TEMPELHERR
PATRIARCH
Eins? — Da seh' der Herr,
Wie sich die stolze menschliche Vernunft
Im Geistlichen doch irren kann. — Mitnichten!
Denn ist der vorgetragene Fall nur so
Ein Spiel des Witzes, so verlohnt es sich
Der Mühe nicht, im Ernst ihn durchzudenken.
Ich will den Herrn damit auf das Theater
Verwiesen haben, wo dergleichen pro
Et contra sich mit vielem Beifall könnte
Behandeln lassen. — Hat der Herr mich aber
Nicht bloß mit einer theatral’schen Schnurre
Zum Besten; ist der Fall ein Faktum; hätt
Er sich wohl gar in unsrer Diözes',
In unsrer lieben Stadt Jerusalem,
Ereignet: — ja alsdann —
TEMPELHERR
PATRIARCH
TEMPELHERR
PATRIARCH
TEMPELHERR
PATRIARCH
TEMPELHERR
PATRIARCH
TEMPELHERR
PATRIARCH
TEMPELHERR
PATRIARCH
TEMPELHERR
will gehen
PATRIARCH
Was? mir nun
Nicht einmal Rede stehn? — Den Bösewicht;
Den Juden mir nicht nennen? — mir ihn nicht
Zur Stelle schaffen? — O da weiß ich Rat!
Ich geh sogleich zum Sultan. — Saladin,
Vermöge der Kapitulation,
Die er beschworen, muss uns, muss uns schützen:
Bei allen Rechten, allen Lehren schützen,
Die wir zu unsrer allerheiligsten
Religion nur immer rechnen dürfen!
Gottlob! wir haben das Original.
Wir haben seine Hand, sein Siegel. Wir! —
Auch mach ich ihm gar leicht begreiflich, wie
Gefährlich selber für den Staat es ist,
Nichts glauben! Alle bürgerliche Bande
Sind aufgelöset, sind zerrissen, wenn
Der Mensch nichts glauben darf. — Hinweg! hinweg
Mit solchem Frevel! …
TEMPELHERR
PATRIARCH
TEMPELHERR
PATRIARCH
O, oh! — Ich weiß, der Herr hat Gnade fanden
Vor Saladin! Ich bitte meiner nur
Im Besten bei ihm eingedenk zu sein. —
Mich treibt der Eifer Gottes lediglich.
Was ich zu viel tu, tu ich ihm. — Das wolle
Doch ja der Herr erwägen! — Und nicht wahr,
Herr Ritter, das vorhin Erwähnte von
Dem Juden war nur ein Problema? — ist
Zu sagen —
TEMPELHERR
Geht ab.
PATRIARCH
Er spricht im Abgehen mit dem Klosterbruder.
DRITTER AUFTRITT
Szene: ein Zimmer im Palaste des Saladin,
in welches von Sklaven eine Menge Beutel getragen und auf dem Boden nebeneinander gestellt werden.
Saladin und bald darauf Sittah.
SALADIN
der dazu kommt
EIN SKLAVE
SALADIN
So tragt das Übrige zu Sittah. — Und
Wo bleibt Al-Hafi? Das hier soll sogleich
Al-Hafi zu sich nehmen. Oder ob
Ich’s nicht vielmehr dem Vater schicke? Hier
Fällt mir es doch nur durch die Finger. — Zwar
Man wird wohl endlich hart; und nun gewiss
Solls Künste kosten, mir viel abzuzwacken.
Bis wenigstens die Gelder aus Ägypten
Zur Stelle kommen, mag das Armut sehn,
Wie’s fertig wird! — Die Spenden bei dem Grabe,
Wenn die nur fortgehn! Wenn die Christenpilger
Mit leeren Händen nur nicht abziehn dürfen
Wenn nur —
SITTAH
SALADIN
SITTAH
SALADIN
SITTAH
Ihm ein kleines Gemälde zeigend.
SALADIN
Ha! mein Bruder!
Das ist er, ist er! — War er! war er! ah! —
Ah, wackrer lieber Junge, dass ich dich
So früh verlor! Was hätt ich erst mit dir,
An deiner Seit’ erst unternommen! — Sittah,
lass mir das Bild. Auch kenn ich’s schon: er gab
Es deiner ältern Schwester, seiner Lilla,
Die eines Morgens ihn so ganz und gar
Nicht aus den Armen lassen wollt. Es war
Der letzte, den er ausritt. — Ah, ich ließ
Ihn reiten, und allein! Ah, Lilla starb
Vor Gram, und hat mir’s nie vergeben, dass
Ich so allein ihn reiten lassen. — Er
Blieb weg!
SITTAH
SALADIN
Lass nur gut
Sein! — Einmal bleiben wir doch alle weg! —
Zudem, wer weiß? Der Tod ist’s nicht allein,
Der einem Jüngling seiner Art das Ziel
Verrückt. Er hat der Feinde mehr; und oft
Erliegt der Stärkste gleich dem Schwächsten. — Nun,
Sei wie ihm sei! — Ich muss das Bild doch mit
Dem jungen Tempelherrn vergleichen; muss
Doch sehn, wie viel mich meine Phantasie
Getäuscht.
SITTAH
SALADIN
zu einem Türsteher, der hereintritt
SITTAH
Sie setzt sich seitwärts auf einen Sofa und läßt den Schleier fallen.
SALADIN
VIERTER AUFTRITT
Der Tempelherr und Saladin.
TEMPELHERR
SALADIN
TEMPELHERR
SALADIN
Brauch es nur
Nicht wider mich! — Zwar ein Paar Hände mehr,
Die gönnt ich meinem Feinde gern. Allein
Ihm so ein Herz auch mehr zu gönnen, fällt
Mir schwer. — Ich habe mich mit dir in nichts
Betrogen, braver junger Mann! Du bist
Mit Seel und Leib mein Assad. Sieh! ich könnte
Dich fragen: wo du denn die ganze Zeit
Gesteckt? in welcher Höhle du geschlafen?
In welchem Ginnistan, von welcher guten
Div diese Blume fort und fort so frisch
Erhalten worden? Sieht ich könnte dich
Erinnern wollen, was wir dort und dort
Zusammen ausgeführt. Ich könnte mit
Dir zanken, dass du ein Geheimnis doch
Vor mir gehabt! ein Abenteuer mir
Doch unterschlagen: — Ja, das könnt ich; wenn
Ich dich nur säh', und nicht auch mich. — Nun mag’s!
Von dieser süßen Träumerei ist immer
Doch so viel wahr, dass mir in meinem Herbst
Ein Assad wieder blühen soll. — Du bist
Es doch zufrieden, Ritter?
TEMPELHERR
SALADIN
TEMPELHERR
SALADIN
TEMPELHERR
SALADIN
ihm die Hand bietend
TEMPELHERR
einschlagend
SALADIN
TEMPELHERR
SALADIN
TEMPELHERR
frostig
SALADIN
TEMPELHERR
SALADIN
TEMPELHERR
SALADIN
Halte dich
Nur immer an die best’, und preise Gott!
Der weiß, wie sie zusammenpassen! Aber,
Wenn du so schwierig sein willst, junger Mann,
So werd auch ich ja wohl auf meiner Hut
Mich mit dir halten müssen? Leider bin
Auch ich ein Ding von vielen Seiten, die
Oft nicht so recht zu passen scheinen mögen.
TEMPELHERR
SALADIN
TEMPELHERR
SALADIN
TEMPELHERR
SALADIN
TEMPELHERR
Du weißt von Nathans Tochter, Sultan. Was
Ich für sie tat, das tat ich, — weil ich’s tat.
Zu stolz, Dank einzuernten, wo ich ihn
Nicht säete, verschmäht ich Tag für Tag,
Das Mädchen noch einmal zu sehn. Der Vater
War fern; er kömmt; er hört; er sucht mich auf;
Er dankt; er wünscht, dass seine Tochter mir
Gefallen möge; spricht von Aussicht, spricht
Von heitern Fernen. — Nun, ich lasse mich
Beschwatzen, komme, sehe, finde wirklich
Ein Mädchen … Ah, ich muss mich schämen, Sultan! —
SALADIN
TEMPELHERR
SALADIN
TEMPELHERR
Der weise Vater schlägt nun wohl
Mich platterdings nicht aus. Der weise Vater
muss aber doch sich erst erkunden, erst
Besinnen. Allerdings! Tat ich denn das
Nicht auch? Erkundete, besann ich denn
Mich erst nicht auch, als sie im Feuer schrie? —
Fürwahr! bei Gott! Es ist doch gar was Schönes,
So weise, so bedächtig sein!
SALADIN
TEMPELHERR
SALADIN
TEMPELHERR
SALADIN
TEMPELHERR
SALADIN
TEMPELHERR
SALADIN
TEMPELHERR
SALADIN
TEMPELHERR
SALADIN
TEMPELHERR
heftig
SALADIN
ernst
TEMPELHERR
SALADIN
noch ernster
TEMPELHERR
SALADIN
Nicht viel besser! —
Vermutlich, ganz so brausend! — Doch, wer hat
Denn dich auch schon gelehrt, mich so wie er
Mit einem Worte zu bestechen? Freilich,
Wenn alles sich verhält, wie du mir sagest:
Kann ich mich selber kaum in Nathan finden. —
Indes, er ist mein Freund, und meiner Freunde
muss keiner mit dem andern hadern. — lass
Dich weisen! Geh behutsam! Gib ihn nicht
Sofort den Schwärmern deines Pöbels preis!
Verschweig, was deine Geistlichkeit, an ihm
Zu rächen, mir so nahe legen würde!
Sei keinem Juden, keinem Muselmanne
Zum Trotz ein Christ!
TEMPELHERR
SALADIN
TEMPELHERR
SALADIN
Wär
Es diese Furcht nicht selbst! Mich dünkt, ich weiß
Aus welchen Fehlern unsre Tugend keimt.
Pfleg diese ferner nur, und jene sollen
Bei mir dir wenig schaden. Aber geh!
Such du nun Nathan, wie er dich gesucht;
Und bring ihn her. Ich muss Euch doch zusammen
Verständigen. — Wär um das Mädchen dir
Im Ernst zu tun: sei ruhig. Sie ist dein!
Auch soll es Nathan schon empfinden, dass
Er ohne Schweinefleisch ein Christenkind
Erziehen dürfen! — Geh!
Der Tempelherr geht ab, und Sittah verlässt den Sofa.
FÜNFTER AUFTRITT
Saladin und Sittah.
SITTAH
SALADIN
SITTAH
SALADIN
SITTAH
SALADIN
O, möglicher wär nichts! Denn Assad war
Bei hübschen Christendamen so willkommen,
Auf hübsche Christendamen so erpicht,
Dass einmal gar die Rede ging — Nun, nun;
Man spricht nicht gern davon. — Genug; ich hab
Ihn wieder! — will mit allen seinen Fehlern,
Mit allen Launen seines weichen Herzens
Ihn wieder haben! — O! das Mädchen muss
Ihm Nathan geben. Meinst du nicht?
SITTAH
SALADIN
SITTAH
SALADIN
SITTAH
SALADIN
SITTAH
SALADIN
SITTAH
SALADIN
SECHSTER AUFTRITT
Szene: Die offene Flur in Nathans Hause, gegen die Palmen zu;
wie im ersten Auftritt des ersten Aufzuges.
Ein Teil der Waren und Kostbarkeiten liegt ausgekramt, deren eben daselbst gedacht wird.
Nathan und Daja.
DAJA
NATHAN
DAJA
Je nun! Ihr dachtet daran freilich nicht,
Als Ihr ihn kauftet. — Aber wahrlich, Nathan,
Der und kein andrer muss es sein! Er ist
Zum Brautkleid wie bestellt. Der weiße Grund:
Ein Bild der Unschuld; und die goldnen Ströme,
Die allerorten diesen Grund durchschlängeln:
Ein Bild des Reichtums. Seht Ihr? Allerliebst!
NATHAN
DAJA
NATHAN
DAJA
NATHAN
DAJA
NATHAN
DAJA
NATHAN
DAJA
O stellt Euch nicht so fremd! — Mit kurzen Worten:
Der Tempelherr liebt Recha; gebt sie ihm!
So hat doch einmal Eure Sünde, die
Ich länger nicht verschweigen kann, ein Ende.
So kommt das Mädchen wieder unter Christen;
Wird wieder, was sie ist; ist wieder, was
Sie war; und Ihr, Ihr habt mit all dem Guten,
Das wir Euch nicht genug verdanken können,
Nicht Feuerkohlen bloß auf Euer Haupt
Gesammelt.
NATHAN
DAJA
NATHAN
DAJA
NATHAN
DAJA
NATHAN
DAJA
NATHAN
SIEBENTER AUFTRITT
Nathan und der Klosterbruder.
NATHAN
KLOSTERBRUDER
NATHAN
KLOSTERBRUDER
NATHAN
nach seinem Beutel langend
KLOSTERBRUDER
NATHAN
KLOSTERBRUDER
NATHAN
KLOSTERBRUDER
Vor Kurzem saß ich noch als Eremit
Auf Quarantana, unweit Jericho.
Da kam arabisch Raubgesindel, brach
Mein Gotteshäuschen ab, und meine Zelle,
Und schleppte mich mit fort. Zum Glück entkam
Ich noch, und floh hierher zum Patriarchen,
Um mir ein ander Plätzchen auszubitten,
Allwo ich meinem Gott in Einsamkeit
Bis an mein selig Ende dienen könne.
NATHAN
KLOSTERBRUDER
Sogleich, Herr Nathan. — Nun, der Patriarch
Versprach mir eine Siedelei auf Tabor,
Sobald als eine leer; und hieß inzwischen
Im Kloster mich als Laienbruder bleiben.
Da bin ich jetzt, Herr Nathan; und verlange
Des Tags wohl hundertmal auf Tabor. Denn
Der Patriarch braucht mich zu allerlei,
Wovor ich großen Ekel habe. Zum
Exempel:
NATHAN
KLOSTERBRUDER
NATHAN (betroffen)
KLOSTERBRUDER
Hört mich nur aus! — Indem
Er mir nun aufträgt, diesem Juden stracks,
Wo möglich, auf die Spur zu kommen, und
Gewaltig sich ob eines solchen Frevels
Erzürnt, der ihm die wahre Sünde wider
Den heiligen Geist bedünkt; — das ist, die Sünde,
Die aller Sünden größte Sünd' uns gilt;
Nur dass wir, Gott sei Dank, so recht nicht wissen,
Worin sie eigentlich besteht: — da wacht
Mit einmal mein Gewissen auf; und mir
Fällt bei, ich könnte selber wohl vor Zeiten
Zu dieser unverzeihlich großen Sünde
Gelegenheit gegeben haben. — Sagt:
Hat Euch ein Reitknecht nicht vor achtzehn Jahren
Ein Töchterchen gebracht von wenig Wochen?
NATHAN
KLOSTERBRUDER
NATHAN
KLOSTERBRUDER
NATHAN
KLOSTERBRUDER
NATHAN
KLOSTERBRUDER
NATHAN
KLOSTERBRUDER
NATHAN
KLOSTERBRUDER
NATHAN
KLOSTERBRUDER
Traut mir, Nathan!
Denn seht, ich denke so! Wenn an das Gute,
Das ich zu tun vermeine, gar zu nah
Was gar zu Schlimmes grenzt, so tu ich lieber
Das Gute nicht; weil wir das Schlimme zwar
So ziemlich zuverlässig kennen, aber
Bei weitem nicht das Gute. — War ja wohl
Natürlich; wenn das Christentöchterchen
Recht gut von Euch erzogen werden sollte,
dass Ihr’s als Euer eigen Töchterchen
Erzögt. — Das hättet Ihr mit aller Lieb'
Und Treue nun getan, und müßtet so
Belohnet werden? Das will mir nicht ein.
Ei freilich, klüger hättet Ihr getan,
Wenn Ihr die Christin durch die zweite Hand
Als Christin auferziehen lassen: aber
So hättet Ihr das Kindchen Eures Freunds
Auch nicht geliebt. Und Kinder brauchen Liebe,
Wär's eines wilden Tieres Lieb' auch nur,
In solchen Jahren mehr als Christentum.
Zum Christentume hat’s noch immer Zeit.
Wenn nur das Mädchen sonst gesund und fromm
Vor Euern Augen aufgewachsen ist,
So blieb’s vor Gottes Augen, was es war.
Und ist denn nicht das ganze Christentum
Aufs Judentum gebaut? Es hat mich oft
Geärgert, hat mir Tränen g’nug gekostet,
Wenn Christen gar so sehr vergessen konnten,
dass unser Herr ja selbst ein Jude war.
NATHAN
Ihr, guter Bruder, müsst mein Fürsprach sein,
Wenn Hass und Gleisnerei sich gegen mich
Erheben sollten — wegen einer Tat —
Ah, wegen einer Tat! — Nur Ihr, Ihr sollt
Sie wissen! Nehmt sie aber mit ins Grab!
Noch hat mich nie die Eitelkeit versucht,
Sie jemand anderm zu erzählen. Euch
Allein erzähl ich sie. Der frommen Einfalt
Allein erzähl ich sie. Weil die allein
Versteht, was sich der gottergebne Mensch
Für Taten abgewinnen kann.
KLOSTERBRUDER
NATHAN
Ihr traft mich mit dem Kinde zu Darun.
Ihr wisst wohl aber nicht, dass wenig Tage
Zuvor, in Gath die Christen alle Juden
Mit Weib und Kind ermordet hatten; wisst
Wohl nicht, dass unter diesen meine Frau
Mit sieben hoffnungsvollen Söhnen sich
Befunden, die in meines Bruders Hause,
Zu dem ich sie geflüchtet, insgesamt
Verbrennen müssen.
KLOSTERBRUDER
NATHAN
KLOSTERBRUDER
NATHAN
Doch nun kam die Vernunft allmählich wieder.
Sie sprach mit sanfter Stimm’: „Und doch ist Gott!
Doch war auch Gottes Ratschluss das! Wohlan!
Komm! übe, was du längst begriffen hast;
Was sicherlich zu üben schwerer nicht,
Als zu begreifen ist, wenn du nur willst.
Steh auf!” Ich stand und rief zu Gott: ich will!
Willst du nur, dass ich will! — Indem stiegt Ihr
Vom Pferd’, und überreichtet mir das Kind,
ln Euerm Mantel eingehüllt. — Was Ihr
Mir damals sagtet, was ich Euch: hab ich
Vergessen. So viel weiß ich nur: ich nahm
Das Kind, trug’s auf mein Lager, küsst es, warf
Mich auf die Knie und schluchzte: Gott! auf Sieben
Doch nun schon Eines wieder!
KLOSTERBRUDER
NATHAN
Wohl uns! Denn was
Mich Euch zum Christen macht, das macht Euch mir
Zum Juden! — Aber lasst uns länger nicht
Einander nur erweichen. Hier braucht’s Tat!
Und ob mich siebenfache Liebe schon
Bald an dies einz’ge fremde Mädchen band;
Ob der Gedanke mich schon tötet, dass
Ich meine sieben Söhn' in ihr aufs Neue
Verlieren soll: — wenn sie von meinen Händen
Die Vorsicht wieder fordert — ich gehorche!
KLOSTERBRUDER
NATHAN
KLOSTERBRUDER
NATHAN
KLOSTERBRUDER
NATHAN
KLOSTERBRUDER
NATHAN
Drum nennt mir nur geschwind
Den Mann, der ihr als Bruder oder Ohm,
Als Vetter oder sonst als Sipp' verwandt:
Ihm will ich sie nicht vorenthalten — sie,
Die jedes Hauses, jedes Glaubens Zierde
Zu sein erschaffen und erzogen ward. —
Ich hoff, Ihr wisst von diesem Euern Herrn
Und dem Geschlechte dessen mehr als ich.
KLOSTERBRUDER
NATHAN
KLOSTERBRUDER
NATHAN
KLOSTERBRUDER
NATHAN
KLOSTERBRUDER
NATHAN
KLOSTERBRUDER
NATHAN
KLOSTERBRUDER
Ab.
NATHAN
Einerlei! Nur her!
Gott! wenn ich doch das Mädchen noch behalten,
Und einen solchen Eidam mir damit
Erkaufen könnte! — Schwerlich wohl! — Nun, fall'
Es aus, wie’s will! — Wer mag es aber denn
Gewesen sein, der bei dem Patriarchen
So etwas angebracht? Das muss ich doch
Zu fragen nicht vergessen. — Wenn es gar
Von Daja käme?
ACHTER AUFTRITT
Daja und Nathan.
DAJA
eilig und verlegen
NATHAN
DAJA
NATHAN
DAJA
NATHAN
DAJA
NATHAN
DAJA
NATHAN
DAJA
NATHAN
DAJA
NATHAN
Ab.
DAJA
Und ich — ich fürchte ganz was anders noch.
Was gilt’s? die einzige vermeinte Tochter
So eines reichen Juden wär auch wohl
Für einen Muselmann nicht übel? — Hui,
Der Tempelherr ist drum. Ist drum, wenn ich
Den zweiten Schritt nicht auch noch wage; nicht
Auch ihr noch selbst entdecke, wer sie ist! —
Getrost! Lass mich den ersten Augenblick,
Den ich allein sie habe, dazu brauchen!
Und der wird sein — vielleicht nun eben, wenn
Ich sie begleite. — So ein erster Wink
Kann unterwegens wenigstens nicht schaden.
Ja, ja! Nur zu! Jetzt oder nie! Nur zu!
Ihm nach.
FÜNFTER AUFZUG
ERSTER AUFTRITT
Szene: Das Zimmer in Saladins Palaste,
in welches die Beutel mit Geld getragen worden, die noch zu sehen.
Saladin und bald darauf verschiedene Mamelucken.
SALADIN
im Hereintreten
EIN MAMELUCK
SALADIN
DER MAMELUCK
wartend
SALADIN
DER MAMELUCK
SALADIN
DER MAMELUCK
SALADIN
DER MAMELUCK
SALADIN
Trotz! —
Komm her! Da hast du zwei. — Im Ernst? Er geht?
Tut mir’s an Edelmut zuvor? Denn sicher
muss ihm es saurer werden, auszuschlagen,
Als mir zu geben. — Ibrahim! — Was kommt
Mir denn auch ein, so kurz vor meinem Abtritt
Auf einmal ganz ein andrer sein zu wollen? —
Will Saladin als Saladin nicht sterben? —
So musst er auch als Saladin nicht leben.
EIN ZWEITER MAMELUCK
SALADIN
ZWEITER MAMELUCK
SALADIN
ZWEITER MAMELUCK
SALADIN
ZWEITER MAMELUCK
SALADIN
ZWEITER MAMELUCK
SALADIN
ZWEITER MAMELUCK
SALADIN
ZWEITER MAMELUCK
Geht ab.
SALADIN
EIN DRITTER MAMELUCK
SALADIN
DRITTER MAMELUCK
SALADIN
ZWEITER AUFTRITT
Emir Mansor und Saladin.
SALADIN
MANSOR
SALADIN
MANSOR
SALADIN
Dritter Auftritt
Szene: die Palmen vor Nathans Hause.
Der Tempelherr geht auf und nieder.
Ins Haus nun will ich einmal nicht. — Er wird
Sich endlich doch wohl sehen lassen! Man
Bemerkte mich ja sonst so bald, so gern! —
Will’s noch erleben, dass er sich’s verbittet,
Vor seinem Hause mich so fleißig finden
Zu lassen. — Hm! — ich bin doch aber auch
Sehr ärgerlich. — Was hat mich denn nun so
Erbittert gegen ihn? — Er sagte ja:
Noch schlüg’ er mir nichts ab. Und Saladin
Hat’s über sich genommen, ihn zu stimmen. —
Wie? sollte wirklich wohl in mir der Christ
Noch tiefer nisten, als in ihm der Jude? —
Wer kennt sich recht! Wie könnt ich ihm denn sonst
Den kleinen Raub nicht gönnen wollen, den
Er sich’s zu solcher Angelegenheit
Gemacht, den Christen abzujagen? Freilich,
Kein kleiner Raub, ein solch Geschöpf! — Geschöpf?
Und wessen? — Doch des Sklaven nicht, der auf
Des Lebens öden Strand den Block geflößt,
Und sich davon gemacht? Des Künstlers doch
Wohl mehr, der in dem hingeworfnen Blocke
Die göttliche Gestalt sich dachte, die
Er dargestellt? — Ach! Rechas wahrer Vater
Bleibt, trotz dem Christen, der sie zeugte — bleibt
In Ewigkeit der Jude. — Wenn ich mir
Sie lediglich als Christendirne denke,
Sie sonder alles das mir denke, was
Allein ihr so ein Jude geben konnte: —
Sprich, Herz, — was wär an ihr, das dir gefiel?
Nichts! Wenig! Selbst ihr Lächeln, wär es nichts
Als sanfte schöne Zuckung ihrer Muskeln;
Wär, was sie lächeln macht, des Reizes unwert,
In den es sich auf ihrem Munde kleidet: —
Nein, selbst ihr Lächeln nicht! Ich hab es ja
Wohl schöner noch an Aberwitz, an Tand,
An Höhnerei, an Schmeichler und an Buhler
Verschwenden sehn! — Hat’s da mich auch bezaubert?
Hat’s da mir auch den Wunsch entlockt, mein Leben
In seinem Sonnenscheine zu verflattern? —
Ich wüßte nicht! Und bin auf den doch launisch,
Der diesen hohem Wert allein ihr gab?
Wie das? warum? — Wenn ich den Spott verdiente,
Mit dem mich Saladin entließ! Schon schlimm
Genug, dass Saladin es glauben konnte!
Wie klein ich ihm da scheinen musste! wie
Verächtlich! — Und das alles um ein Mädchen? —
Curd! Curd! das geht so nicht. Lenk ein! Wenn vollends
Mir Daja nur was vorgeplaudert hätte,
Was schwerlich zu erweisen stünde? — Sieh,
Da tritt er endlich, im Gespräch vertieft,
Aus seinem Hause! — Ha! mit wem! — Mit ihm?
Mit meinem Klosterbruder? — Ha! so weiß
Er sicherlich schon alles! ist wohl gar
Dem Patriarchen schon verraten! — Ha!
Was hab ich Querkopf nun gestiftet! — dass
Ein einz’ger Funken dieser Leidenschaft
Doch unsers Hirns so viel verbrennen kann!
Geschwind entschließ dich, was nunmehr zu tun!
Ich will hier seitwärts ihrer warten; ob
Vielleicht der Klosterbruder ihn verlässt.
VIERTER AUFTRITT
Nathan und der Klosterbruder.
NATHAN
ihm näher kommend
KLOSTERBRUDER
NATHAN
KLOSTERBRUDER
NATHAN
KLOSTERBRUDER
NATHAN
KLOSTERBRUDER
NATHAN
KLOSTERBRUDER
NATHAN
KLOSTERBRUDER
NATHAN
KLOSTERBRUDER
Geht ab.
NATHAN
Vergesst uns ja nicht, Bruder! — Gott!
dass ich nicht hier gleich unter freiem Himmel
Auf meine Kniee sinken kann! Wie sich
Der Knoten, der so oft mir bange machte,
Nun von sich selber löset! — Gott! wie leicht
Mir wird, dass ich nun weiter auf der Welt
Nichts zu verbergen habe! dass ich vor
Den Menschen nun so frei kann wandeln, als
Vor dir, der du allein den Menschen nicht
Nach seinen Taten brauchst zu richten.
So selten seine Taten sind, o Gott! —
FÜNFTER AUFTRITT
Nathan und der Tempelherr, der von der Seite auf ihn znkommt.
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
Euch angeklagt? — Das ist, mit seiner Gunst —
Erlogen. — Hört mich, Nathan! — Ich bin nicht
Der Mensch, der irgendetwas abzuleugnen
Im Stande wäre. Was ich tat, das tat ich!
Doch bin ich auch nicht der, der alles, was
Er tat, als wohlgetan verteid’gen möchte.
Was sollt ich eines Fehls mich schämen? Hab
Ich nicht den festen Vorsatz ihn zu bessern?
Und weiß ich etwa nicht, wie weit mit dem
Es Menschen bringen können? — Hört mich, Nathan! —
Ich bin des Laienbruders Tempelherr,
Der Euch verklagt soll haben, allerdings. —
Ihr wisst ja, was mich wurmisch machte! was
Mein Blut in allen Adern sieden machte!
Ich Gauch! — Ich kam, so ganz mit Leib und Seel
Euch in die Arme mich zu werfen. Wie
Ihr mich empfingt — Wie kalt — wie lau — denn lau
Ist schlimmer noch als kalt; wie abgemessen
Mir auszubeugen Ihr beflissen wart;
Mit welchen aus der Luft gegriffnen Fragen
Ihr Antwort mir zu geben scheinen wolltet:
Das darf ich kaum mir jetzt noch denken, wenn
Ich soll gelassen bleiben. — Hört mich, Nathan! —
In dieser Gährung schlich mir Daja nach,
Und warf mir ihr Geheimnis an den Kopf,
Das mir den Aufschluss Euers rätselhaften
Betragens zu enthalten schien.
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
Hört mich, Nathan! — Allerdings:
Ich tat nicht recht! — Ihr seid wohl gar nicht schuldig. —
Die Närrin Daja weiß nicht, was sie spricht —
Ist Euch gehässig — sucht Euch nur damit
In einen bösen Handel zu verwickeln —
Kann sein! kann sein! — Ich bin ein junger Laffe,
Der immer nur an beiden Enden schwärmt;
Bald viel zu viel, bald viel zu wenig tut —
Auch das kann sein! Verzeiht mir, Nathan.
NATHAN
TEMPELHERR
Kurz, ich ging
Zum Patriarchen! — Hab Euch aber nicht
Genannt. Das ist erlogen, wie gesagt!
Ich hab ihm bloß den Fall ganz allgemein
Erzählt, um seine Meinung zu vernehmen. —
Auch das hätt unterbleiben können: ja doch! —
Denn kannt ich nicht den Patriarchen schon
Als einen Schurken? Könnt ich Euch nicht selber
Nur gleich zur Rede stellen? — musst ich der
Gefahr, so einen Vater zu verlieren,
Das arme Mädchen opfern? — Nun, was tut's!
Die Schurkerei des Patriarchen, die
So ähnlich immer sich erhält, hat mich
Des nächsten Weges wieder zu mir selbst
Gebracht. — Denn hört mich, Nathan; hört mich aus! —
Gesetzt; er wüsst auch Euern Namen: was
Nun mehr, was mehr? — Er kann Euch ja das Mädchen
Nur nehmen, wenn sie niemands ist, als Euer.
Er kann sie doch aus Eurem Hause nur
Ins Kloster schleppen. — Also — gebt sie mir!
Gebt sie nur mir, und lasst ihn kommen. Ha!
Er solls wohl bleiben lassen, mir mein Weib
Zu nehmen. — Gebt sie mir; geschwind! — Sie sei
Nun Eure Tochter, oder sei es nicht!
Sei Christin, oder Jüdin, oder keines!
Gleichviel! gleichviel! Ich werd Euch weder jetzt
Noch jemals sonst in meinem ganzen Leben
Darum befragen. Sei, wie’s sei!
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
Das sollt Ihr auch bei ihr
Nicht brauchen. — Gönnt’s ihr doch, dass sie Euch nie
Mit andern Augen darf betrachten! Spart
Ihr die Entdeckung doch! — Noch habt Ihr ja,
Ihr ganz allein, mit ihr zu schalten. Gebt
Sie mir! Ich bitt Euch, Nathan; gebt sie mir!
Ich bin’s allein, der sie zum zweiten Male
Euch retten kann — und will.
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
Doch ein Christ! — Ich weiß zu Zeiten
Auch gar nicht, was ich von Euch denken soll: —
Nehmt mir’s nicht ungut, Nathan! — Wird sie nicht
Die Christin spielen müssen unter Christen?
Und wird sie, was sie lange g’nug gespielt,
Nicht endlich werden? Wird den lautern Weizen,
Den Ihr gesä’t, das Unkraut endlich nicht
Ersticken? — Und das kümmert Euch so wenig?
Dem ungeachtet könnt Ihr sagen — Ihr? —
Dass sie bei ihrem Bruder sich nicht übel
Befinden werde?
NATHAN
TEMPELHERR
Oh!
Was wird bei ihm ihr mangeln können? Wird
Das Brüderchen mit Essen und mit Kleidung,
Mit Naschwerk und mit Putz das Schwesterchen
Nicht reichlich g'nug versorgen? Und was braucht
Ein Schwesterchen denn mehr? — Ei freilich: auch
Noch einen Mann! — Nun, nun; auch den, auch den
Wird ihr das Brüderchen zu seiner Zeit
Schon schaffen; wie er immer nur zu finden!
Der Christlichste der Beste! — Nathan, Nathan!
Welch einen Engel hattet Ihr gebildet,
Den Euch nun andre so verhunzen werden!
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
Er führt ihn fort.
SECHSTER AUFTRITT
Szene: in Sittah’s Harem.
Sittah und Recha in Unterhaltung begriffen.
SITTAH
RECHA
SITTAH
RECHA
SITTAH
RECHA
SITTAH
RECHA
SITTAH
RECHA
SITTAH
RECHA
SITTAH
RECHA
SITTAH
RECHA
SITTAH
RECHA
SITTAH
RECHA
SITTAH
RECHA
SITTAH
RECHA
SITTAH
RECHA
Wirft sich, von Tränen überwältigt, zu ihren Füßen.
SITTAH
RECHA
SITTAH
RECHA
SITTAH
RECHA
die sich ermannt und aufsteht
SITTAH
RECHA
SITTAH
RECHA
SITTAH
RECHA
SITTAH
RECHA
SITTAH
RECHA
SITTAH
RECHA
Und sich gedrungen fühlen, einen jeden,
Der dieses Wegs verfehlt, darauf zu lenken. —
Kaum können sie auch anders. Denn ist’s wahr,
Dass dieser Weg allein nur richtig führt:
Wie sollen sie gelassen ihre Freunde
Auf einem andern wandeln sehn, — der ins
Verderben stürzt, ins ewige Verderben?
Es müsste möglich sein, denselben Menschen
Zur selben Zeit zu lieben und zu hassen. —
Auch ist’s das nicht, was endlich laute Klagen
Mich über sie zu führen zwingt. Ihr Seufzen,
Ihr Warnen, ihr Gebet, ihr Drohen hätt
Ich gern noch länger ausgehalten; gern!
Es brachte mich doch immer auf Gedanken,
Die gut und nützlich. Und wem schmeichelt’s doch
Im Grunde nicht, sich gar so wert und teuer,
Von wem’s auch sei, gehalten fühlen, dass
Er den Gedanken nicht ertragen kann,
Er müss’ einmal auf ewig uns entbehren!
SITTAH
RECHA
SITTAH
RECHA
SITTAH
RECHA
Nur eben jetzt!
Wir nahten, auf dem Weg hierher, uns einem
Verfallnen Christentempel. Plötzlich stand,
Sie still; schien mit sich selbst zu kämpfen; blickte
Mit nassen Augen bald gen Himmel, bald
Auf mich. Komm, sprach sie endlich, lass uns hier
Durch diesen Tempel in die Richte gehn!
Sie geht; ich folg ihr, und mein Auge schweift
Mit Graus die wankenden Ruinen durch.
Nun steht sie wieder; und ich sehe mich
An den versunknen Stufen eines morschen
Altars mit ihr. Wie ward mir, als sie da
Mit heißen Tränen, mit gerungnen Händen
Zu meinen Füßen stürzte …
SITTAH
RECHA
SITTAH
RECHA
SITTAH
SIEBENTER AUFTRITT
Saladin und die Vorigen
SALADIN
SITTAH
SALADIN
SITTAH
SALADIN
SITTAH
RECHA
die sich auf den Knieen zu Saladins Füßen schleppt, den Kopf zur Erde gesenkt
SALADIN
RECHA
SALADIN
RECHA
SALADIN
der sie aufhebt
RECHA
SALADIN
RECHA
SALADIN
Gar sterbend! — Nicht auch faselnd schon? — Und wär’s
Auch wahr! — Ja wohl: das Blut, das Blut allein
Macht lange noch den Vater nicht! macht kaum
Den Vater eines Tieres! gibt zum höchsten
Das erste Recht, sich diesen Namen zu
Erwerben! — Lass dir doch nicht bange sein! —
Und weißt du was? Sobald der Väter zwei
Sich um dich streiten: — Lass sie beide; nimm
Den dritten! — Nimm dann mich zu deinem Vater!
SITTAH
SALADIN
SITTAH
SALADIN
SITTAH
SALADIN
RECHA
SALADIN
SITTAH
LETZTER AUFTRITT
Nathan und der Tempelherr zu den Vorigen.
SALADIN
NATHAN
SALADIN
NATHAN
SALADIN
NATHAN
RECHA
NATHAN
RECHA
TEMPELHERR
Sonst keiner? — Nun! so hab ich mich betrogen.
Was man nicht zu verlieren fürchtet, hat
Man zu besitzen nie geglaubt, und nie
Gewünscht. — Recht wohl! recht wohl! — Das ändert, Nathan,
Das ändert alles! — Saladin, wir kamen
Auf dein Geheiß. — Allein, ich hatte dich
Verleitet: jetzt bemüh dich nur nicht weiter!
SALADIN
TEMPELHERR
SALADIN
TEMPELHERR
SALADIN
Wer so auf irgendeine Wohltat trotzt,
Nimmt sie zurück. Was du gerettet, ist
Deswegen nicht dein Eigentum. Sonst wär
Der Räuber, den sein Geiz in’s Feuer jagt,
So gut ein Held, wie du!
Auf Recha zugehend, um sie dem Tempelherrn zuzuführen.
Komm, liebes Mädchen,
Komm! Nimm’s mit ihm nicht so genau. Denn wär
Er anders, wär er minder warm und stolz:
Er hätt es bleiben lassen, dich zu retten.
Du musst ihm eins fürs andre rechnen. — Komm!
Beschäm ihn! tu, was ihm zu tun geziemte!
Bekenn ihm deine Liebe! trage dich ihm an!
Und wenn er dich verschmäht; dir's je vergisst,
Wie ungleich mehr in diesem Schritte du
Für ihn getan, als er für dich … Was hat
Er denn für dich getan? Ein wenig sich
Beräuchern lassen? ist was Rechts! — so hat
Er meines Bruders, meines Assad, nichts!
So trägt er seine Larve, nicht sein Herz.
Komm, Liebe …
SITTAH
NATHAN
SALADIN
NATHAN
SALADIN
NATHAN
SALADIN
NATHAN
SALADIN
NATHAN
RECHA
TEMPELHERR
aus einer wilden, stummen Zerstreuung auffahrend
NATHAN
TEMPELHERR
äußerst bitter
SALADIN
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
Denn Eure Mutter — die war eine Stauffin.
Ihr Bruder, Euer Ohm, der Euch erzogen,
Dem Eure Eltern Euch in Deutschland ließen,
Als, von dem rauhen Himmel dort vertrieben,
Sie wieder hier zu Lande kamen: — der
Hieß Curd von Stauffen; mag an Kindestatt
Vielleicht Euch angenommen haben! — Seid
Ihr lange schon mit ihm nun auch herüber
Gekommen? Und er lebt doch noch?
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
TEMPELHERR
RECHA
SITTAH
SALADIN
RECHA
will auf ihn zu
TEMPELHERR
tritt zurück
RECHA
hält an, und wendet sich zu Nathan
SALADIN
zum Tempelherrn
TEMPELHERR
sich demütig ihm nahend
Missdeut auch du nicht mein Erstaunen, Sultan!
Verkenn in einem Augenblick, in dem
Du schwerlich deinen Assad je gesehen,
Nicht ihn und mich!
Auf Nathan zueilend.
Ihr nehmt und gebt mir, Nathan!
Mit vollen Händen beides! — Nein! Ihr gebt
Mir mehr, als Ihr mir nehmt! unendlich mehr!
Recha um den Hals fallend
Ah meine Schwester! meine Schwester!
NATHAN
TEMPELHERR
NATHAN
Indem er sich ihren Umarmungen überlässt, tritt Saladin mit unruhigem
Erstaunen zu seiner Schwester.
SALADIN
SITTAH
SALADIN
SITTAH
SALADIN
NATHAN
SALADIN
NATHAN
SALADIN
NATHAN
SALADIN
NATHAN
SALADIN
NATHAN
Ihm das Brevier überreichend.
SALADIN
es begierig aufschlagend
NATHAN
SALADIN
indes er darin geblättert
Er rennt in ihre Umarmungen.
SITTAH
ihm folgend
SALADIN
zum Tempelherrn
SITTAH
TEMPELHERR
Ihm zu Füßen fallend
SALADIN
ihn aufhebend
Unter stummer Wiederholung allseitiger Umarmungen fällt der Vorhang.