Stanisław Wyspiański Die Novembernacht tłum. nieznany ISBN 978-83-288-2946-6 PERSONEN DER ERSTEN SZENE: * Pallas Athene * Nike der Napoleoniden * Nike von Thermopylae * Nike von Salamis * Nike von Chaeronaea * Nike von Marathon * Peter Wysocki * Fähnriche Die Szenen spielen am 29. November 1830 in Warschau. Ein Korridor in der Fähnrichsschule führt von der Rampe nach dem Hintergrund. Von links durch hohe Fenster scheint Das Mondlicht bleich und fahl herein; Im Hintergrund ein Tor, darüber Vier Fahnen zum Bukett vereint; Rechts an der Wand stehen Gewehre Geordnet in zwei Reihn. Nacht, — später Abend, — Stille, — Leere; — Nur vom Łazienkiparke dringt Ein Rauschen leis herüber. Die Wache stampft, — man hört die Tritte, Auf Böcken Trommeln und zwei Mörser; Ein Häufchen Kugeln und ein Degen. Ein unterirdisch Tor springt rasselnd Auf und im Korridore steht Ein Mädchen. Ihren Kopf umweht Ein Helmbusch; ihre Rechte hält Den Speer, die Linke einen Schild; Sie tritt als Erste uns entgegen Mit Rede und mit Spiel. Ein kupferoter Helm verbirgt Die Züge, ihre Augen brennen Heiß unterm Erz. Im Mondlicht wirkt Ihr hell Gewand wie erzgewebt. Der mächtge Schild an goldner Kette An ihrer Schulter leise bebt. Der silbernen Ägide Schlangen Rascheln mit furchtbar wildem Ton. Die hohen, starken Schultern, von Lebendgen Schlangen überlastet Sind leicht gehoben und sie stösst Den Speer fest in die Erde. Ruft, — Als ob ein Donner sich gelöst Aus Jovis Händen, tönt die Stimme; Und eine Schar von Mädchen hastet Beflügelt auf sie zu. PALLAS Zu mir! Zu mir! Zu mir! Siegreiche Geister, eilt herbei Im Adlerfluge, windgehaucht, In Sturmestoben und Brausen; Bei diesem Zeichen ruf ich euch! Kampflustbeseelt, Des kalten Stahles, männermordender Wehr Priesterinnen, Ihr stolzen Ruhmes Dienerinnen; Auf des Hymetos, Ossa Gipfel Dem Sonnengotte anvermählt! Nun von des Pelion Gipfel eilt Herbei in Scharen und euch treibe Die Gier nach blutigem Erliegen Der Sterblichen. — Es starrt der Speer! Zu mir denn, her zu mir!! / Donner / Du, Siegerin von Marathon, Die du Athen den Freudenrausch gesandt; Und du, Bezwingerin vor Salamis, Die du den Perser peitschen ließt das Meer, Bis ächzend er im Staub sich wand; Du, die du vor den Thermopylen Gestanden; die du Alexander Zum Tyrus führtest, ihm verliehen Achilleus Kraft; du, die da lebt In Liedern, die von Hektors Taten Vor Troja singen; du, die Roms Cäsaren durch die Welt geführt Von Ost nach West, von Pol zu Pol; Du, die den Ruhm aufs neu belebt, Als eines Nordens Sterne sanken; Du, die des Tuisco Söhne überwand, Als Witold, aresgleich und kampfdurchglüht, Das große Blutbad schuf; Und du, die du die Gottesgeissel Durch Feuerscheine führtest zu Dreimal verwünschtem Ruhme, dass Das Kreuz erbebte in der Stadt Der sieben Berge, als du in Das Licht die Löwenbrut geschleudert! Zu mir! Im Donnerrollen her Zu mir! / Donner / Bei diesem Zeichen ruf ich euch; Bei der Ägide Gold und Erz Und Elfenbein; Beschwöre euch bei ewger Nacht, In die mein Wink allein Euch, wenn ich will, gebracht; Beschwör euch bei der ewgen Glut Der Sonne und bei Vater Zeus’ Furchtbaren Locken, bei der Gorgo Schrecklicher Schlangenbrut, Auf!!! Ihr, denen ich Unsterblichkeit Verleihe, kommt und steht bereit Allgegenwärtig, allbewusst! Im Fluge naht, in luftger Bahn! Zu mir! Zu mir! Zu mir!! Es nahen nun im Flug des Sieges Göttinnen, eine Mädchenschar. Und rauschend kreisen sie mit weiten Flügeln durch die Luft und gleiten Langsam eine nach der andern Nieder. PALLAS Der von den schwindelnd steilen Höhen Einst die Giganten niederstieß Zum Tartarus, der in dem Reich Der Wolken, der im ewgen Blau Regiert, von dort den Donner und Den Blitz herniederschleudert, Zeus, Befiehlt durch meinen Mund. Donner und Blitze, zeuget nun lodernde Gluten auf schwelenden ewgen Altären! Rasende raset in aresgeborenem Gierigem Taumel! Niemand soll wehren! Atmet die Seele des furchtbaren Gottes: Zeus beruft seine Diener! CHOR Ares!! Mein Herr und mein Gott! PALLAS Aus des Olympos erztönendem Tor Stürmt jetzt Ares befreit hervor, Eilt wie ein Sturmwind, stürzt auf die Stadt Und durcheilt sie auf wilden Rossen, Schreit und stachelt und hetzt. CHOR Wehe den Männern! Wunden und Tod!! PALLAS Eilet ihm nach!!! CHOR Ha! Mit grimmigem Flügelschlage Überfliegen wir die Stadt, Packen zu und schlagen zu, Würgen, geben keine Ruh. Und die Äcker werden Gräber Ganzer Völker; Sieg und Blut!! PALLAS Über den Völkern brechen die Donner, Wolken brennen, in Gluten verloren Bersten die Häuser und stürzen zur Erde, Aus den Himmeln quillt lodernde Glut Und der Zorn wird geboren! CHOR Wer kämpft —? PALLAS Mit dem Zaren der Pole! — — Treulich entsendet, heilig beschworen Nahen die Keren, die bleichen Dämonen Aus des Tartaros grässlicher Nacht, — Und die Harpyien, die der Gefallenen Blut aussaugen… Ihr kennt des Phidias Nike, wie Sie eilig die Sandalen bindet. Dabei den Kopf nach oben richtet (Der zwar bei dem Fragmente fehlt), Wie sie, im Flug gehemmt, geschmeidig Den losen Riemen der Sandale Aufs neu zu knüpfen sich bemüht. Und ihr Gewand, das nicht gehalten Durch einen Gürtel, fließt in Falten Ihr über Brust und Hüften, über Den leicht gebeugten Körper nieder. Nun spricht sie also: NIKE DER NAPOLEONIDEN Vor Moskau zu der Zaren Wiege Führt ich der Franken Kaiser hin; Flog durch die Wolken, die aus Adlern Geballt die Sonne bargen, über Wälder von flatternden Standarten Empor, empor! Das Glück hob mich im Fluge: Ich führte in meinem Zuge Gar vielgeliebte Ritter… PALLAS Findest sie wieder, wirst sie führen Die Vielgeliebten: Eile… NIKE DER NAPOLEONIDEN Mein sind die Seelen, die Herzen, Die Sieger führ ich im Fluge Zur Walstatt. PALLAS Eile! NIKE DER NAPOLEONIDEN So lass Mich die Sandalen noch knüpfen; Kaum könnt dem Olymp ich entschlüpfen, Da eilt ich in fliegender Hast Erschrocken bei deinem Rufe Hierher und stieß an dem Tor Heftig mich, — strauchelte; — fast Stürzte ich hin — / Knüpft den Riemen / Sag, wen wirst Du mir als Feind benennen? PALLAS Den Fürst. NIKE DER NAPOLEONIDEN Und werden sie ihn ergreifen?! PALLAS Verrat!! NIKE DER NAPOLEONIDEN Nein! PALLAS Sie eilen in Scharen Und greifen den Fürsten im Schlaf. Du folgst ihnen nach! NIKE DER NAPOLEONIDEN Nein!! — — Auge in Auge Kampf Und Brust an Brust; in Dampf Sollen sie der Geschütze Zuckend dampfende Blitze Von Angesicht zu Angesicht Mit offnem Auge schleudern; Die Nacht verging noch nicht, — Und ich will dir gebären Den Kampf auf freiem Feld Schwert gegen Schwert! PALLAS Du willst dem Schicksal wehren? Und doch geschieht, was soll. NIKE DER NAPOLEONIDEN O du Gewaltige Und doch Kleinmütige! Lass sie die Schwerter greifen, Lass sie wie Götter kämpfen! Kam ich doch vom Olymp! PALLAS In deiner eignen Wangen Gluten verseng ich dich: Erkennst du Gorgos Schlangen?! NIKE DER NAPOLEONIDEN Doch flecht ich nicht den Kranz! PALLAS Gut denn! — Die Tat wird ganz Getan auch ohne dich! NIKE DER NAPOLEONIDEN Niemals! — Denn nur wen wir Geleiten und begleiten Wir mit den weichen, weiten Flügeln, kann Sieger sein. PALLAS Stürzt ich durch diese Macht Nicht Troja, hab ich nicht Odysseus groß gemacht? Der Fürst wird zum Gefangenen. DIE TROJANISCHE NIKE Weh Ilions Überwindern! Nie wirst du siegreich sein. PALLAS Ich werde siegen!! Denn Ich muss, das Schicksal wills. Ich werde Ketten zwingen! NIKE DER NAPOLEONIDEN Du Adlermädchen, nie Wirst du den Sieg erringen. PALLAS O Adlergleiche, wenn Ich den gewaltgen Schild Zur Erde werfe, sieh, Erzittert Jovis Thron, Der goldene, adlerprächtige; Bann ich vor eine Seele Gespenster übermächtige. Sinkt auch der Stärkste nieder. NIKE DER THERMOPYLEN Ich siegte bei Thermopylae, Da fielen wackre Krieger, Die ich noch jetzt im Blute seh Sich winden, das Verrat Gefärbt. Noch niemals hat Verrat geschändet. Wen Verrat Gefällt, dem reiche ich Das Lorbeerreis. Ich habe sie ln ihrem übermütgen Stolz Erdrosselt und erwürgt. Sie sanken nieder, da der Pfeile Dichtschwarze Wolken ihren Blick Verhängt, der Speere wildes Sausen Sie hat betäubt, da das Geschick In dem zerklüfteten Gestein Der ungangbaren Felsenwände Sie straucheln ließ. Auf denn zur Tat, Ihr Schwestern, auf! Wenn durch Verrat Der Sieg uns näher ist, dann durch — Verrat! NIKE VON SALAMIS Ein Geier umkrall ich die Völker; Ich stand vor Salamis! Wessen Schicksal erfüllt, Der mag zugrunde gehn. Die da auf Raub auszogen. Mag nun die Erde verschlingen, So sie in ihrem Schoße Flammende Lohe trägt. Pflügen auf fremdem Boden, Fremde Saaten entwenden —? Lieber aus Räubers Händen Blutigen Tod erdulden, Als die Bosheit ertragen! — Wonach denn dürsten wir?! CHOR Nach Blut. NIKE VON SALAMIS Doch wie werden wir Uns den Lorbeer erringen? CHOR Durch Blut!! PALLAS Denn Blut kennt nicht Schuld! NIKE VON SALAMIS Wer führt die Völker?! CHOR Der Zorn. NIKE VON SALAMIS Wer greift den Kranz aus Rosen —? CHOR Der Führer! NIKE VON SALAMIS Er ist? PALLAS Wie die Nacht — Dunkel und düster. NIKE VON MARATHON Gleicht er dem Meinen, einem, Der auf Marathons Feldern Aufstand in Feuerscheinen, Eisenbewehrt und in Blut, Bevor noch Helios seinen Ewigen Lauf in Glut Halb erst vollendet —? Sein Name? PALLAS Man ruft ihn bei Donner und Blitz. Ruft ihn im Sternennebel Napoleonischer Adler. Er ist der Erste, der Einige. CHOR Nenn uns den Namen — NIKE DER NAPOLEONIDEN Taten!! Lass ihn zu meinem Dienste; leb will in seinem Blute Die Begierde erregen. Wie erkenn ich ihn wieder? PALLAS Er leuchtet im Ruhmesglanz; Und alle Menschen zittern Ihm, dem Einen, entgegen. NIKE DER NAPOLEONIDEN Wo finde ich ihn? PALLAS Die Satyren Ergötzen durch Spiel ihn und Tanz Auf dem Theater. NIKE DER NAPOLEONIDEN So will ich den Satyren Die Leiern denn zerstücken. Will ihm ins Auge blicken Und rufen: In der Stadt Tobt Kampf!!! PALLAS So eile und entfalte Die Schwingen über ihn, Trag ihn hinfort und halte Ihn im Arsenal Verborgen. NIKE DER NAPOLEONIDEN Er ist mein. PALLAS Greif ihn und hüte ihn. NIKE VON CHAERONAEA Ernst und düster tritt sie ein, Grabesluft bringt sie herein; In den weichen, bleichen Händen Trägt sie Tannenzweigeenden, Die zu Kränzen sind gebunden. Sie umfasst sie bang umwunden, Faltet ihre Hände, streckt Sie mit schmerzlicher Bewegung Vor sich, ihre Seele weckt Einer Ahnung stille Regung Und ihr stummer, bleicher Mund Gibt des Unheils Botschaft kund. Schwarze Schleier, schwarze Tücher, Enggepresst die Lippen sind, Und die Göttinnen erstaunen Und sie lauschen, fragen, raunen. Ich bring euch Kränze, frisch gewunden Aus Tannenzweigen; stand im Garten Die Weile still und brach das Reis. NIKE VON SALAMIS Ich will aus Rosen duftge Kränze. NIKE VON CHAERONAEA Es gibt keine Rosen, alle Rosen Sind tot, der Blumen trockne Stiele Hat flüchtger Wind verweht zu Staub; Und auf den Wassern liegt ein Teppich Aus bunten und aus goldnen Blättern. NIKE DER NAPOLEONIDEN Aus Lorbeer und aus Eichenlaub Will ich die Kränze. Wie soll sich Der Sieg denn sonst erfüllen —? NIKE VON CHAERONAEA Am Eichbaum nicht ein Blatt ich fand. Der Wind hat einen Eiseshauch Über die Gärten hingesandt; — Die Blätter fielen! Baum und Strauch Sind kahl; — die Zweige morsch, der Garten lag Verödet; und kein Vogellaut Tönt durch die Luft, kein einzger Ton Aus Marsyas Flöte schwingt im Hag. Des Äolus verirrte Kinder Blasen den überreifen Dung Vom Acker, schlingen dürre Halme Um die entblößten Kronen, und Die Bäume singen, wenn die Äste Vom Wind geschüttelt werden, leis Wie eine Harfe wehe Lieder; Die Sträucher, die da kostbar sind, Sind eingebettet in das Stroh, Und Sträucher, die nur ärmlich sind, Stehn in zerfetztem Kleide des Nur spärlich dunkelfalben Laubes Und zittern. CHOR Wie soll der Sieg sich uns erfüllen —? NIKE VON CHAERONAEA Nicht duftet der Jasmin, nicht blühen Mehr Blumen und nur Tränen fallen Auf Ebereschen, — blutig rote Korallen — — NIKE VON MARATHON Wenn siegreich erst die Fahnen flattern, Was brauchen die Helden Gestrüpp? NIKE VON SALAMIS Blüten in Elend gestorben, In Nacht und in Frost verdorben — Mein Fuß soll ihr Blühen verheeren Und Feuer ihr Leben versehren. Sind uns denn Lautenspieler Und blinde Sänger erstanden Oder fanden Wir ein Geschlecht von Helden?! NIKE VON CHAERONAEA Ihnen frommt wohl jener Kranz Statt der Rosen. — NIKE VON SALAMIS Sänger?! NIKE VON CHAERONAEA Spott! Einen Augenblick wird Glanz Sie umstrahlen. NIKE VON SALAMIS Nennst du sie —? NIKE VON CHAERONAEA Unter Qualen und in Not Wurden sie und lebten sie. CHOR Nennst du sie?! PALLAS Erstehen Männer? NIKE VON CHAERONAEA Auf einem Felseneiland bangt Vom Wind geschüttelt Fichte und Wacholder… NIKE VON MARATHON Trauerbäume! NIKE VON CHAERONAEA Schwestern! Der rauhe Wind hat Baum und Strauch Getötet und der weiße Reif Stirbt. Lorbeer ist nicht mehr, die Rosen Sind tot. CHOR Wie soll der Sieg uns blühen? NIKE VON CHAERONAEA So mögen sie denn sterben, meine Söhne, Genug der Schande, Schmach und Leid; Die Träne quillt nicht mehr, zum Fluge Entfalten sich die Flügel breit… CHOR Enteilest du —? NIKE VON CHAERONAEA Den Tod zu rufen. Also soll in ihrem Blute Ich sie wieder zucken sehen, Also darf ich neu erstehen, Die Gefallenen zur Nacht Betten; Pallas, Zeusgeborne, Wie mich dieses glücklich macht. Ruhm, ich sehe Taten wieder Meinen Weg mir leuchtend weisen. Oh, ich sah Maciejowice Und ich sah gefallne Brüder. Auf zum Kampfe! Auf zur Schlacht! Reicht die Hände, teure Schwestern: Diese Stunde knüpft von gestern Bis auf heut ein heilig Band. CHOR / reicht sich die Hände / Still! — Und steh! Der rauhe Wind hat Baum und Strauch Getötet; in dem trocknen, dürren Gezweig der Bäume schluchzt ein Hauch Von Aeols Harfe weh und bang. Der Lorbeer ist verblüht, die Hosen Sind tot — — NIKE VON CHAERONAEA Ihr Schwestern! Es gelang Dieser Stunde dieser Bund. Auf nun, und dem wesenlosen Tode nach: Ich führ ihn her. Lass sie kämpfen erzbewehrt, Lass sie fallen ruhmbetört. Tränen siebt der Tag nicht mehr. / Sie stehen Hand in Hand. / PALLAS Helden, stolze Recken harren Euer uod verbuhlte Narren, Stolze, die der Hochmut schwellt, Göttlich Große, tierisch Kleine, Ernste, Stille, drohend Grimme, Und Geringe und Gemeine, — Himmlisch, göttlich, heilig Reine. Eilt! Eilt fort in dunkle Gassen, Rufet durch die leeren Straßen: Ares naht! Schleudert eure Blitze gegen Alle Glocken, dass sie schallen, Hallen und die ganze Stadt Soll der Schrecken nun befallen. Auf und schreit und weckt die Schlaffen: An die Waffen!! CHOR An die Waffen!!! Der Chor enteilt, indessen Pallas Nun aus dem Schein des Lichtes, das Umflossen sie, ins Dunkel tritt. Hier bleibt sie stehn, hemmt ihren Schritt Und lauscht und weilt. In diesem Augenblicke eilt Peter Wysocki rechts hervor Aus einer Tür zum Korridor. Ein weiter Mantel deckt ihn zu, Birgt sein Gesicht, in einem Nu Ist er jetzt dicht vor dem Portal Im Hintergrunde, das zum Saal Hinführt, stößt es gewaltsam auf, Fasst seines Degens Silberknauf Zieht und beschreibt dann einen Kreis; Wirft seinen Mantel ab; wie auf Geheiß Stürzt an die Tür die junge Schar, Die ihn erkennt, und drängt hervor, Und da er spricht, ist alles Ohr: WYSOCKI Auf, meine Brüder, Kinder, Soldaten, An die Gewehre, auf, an die Waffen! Jeder ergreife nun sein Gewehr, Stelle in Reih und Glied sich daher Unten im Hof. Auf denn, ihr Brüder, Stürme erwachen, Auf, an die Waffen, auf, an die Waffen! Sehet, die Stunde kam rauschend geflossen, Da wir die stählernen Ketten brechen, Die uns den Nacken, die Arme umschlossen, Da wir die Tage der Knechtschaft rächen. Da wir die Schwerter und Dolche segnen! Da wir sie schärfen!! Tod den Tyrannen, Usurpatoren, Die unsre Throne besudeln, begeifern, Unsre Altäre mit Schmutz bewerfen. Gott gab das Zeichen, Lasst uns nicht weichen, Gott ist mit uns, er sendet den Strahl Leuchtender Freiheit nach langer Qual. Und aus den göttlichen Händen Kommt sie den Völkern und Ständen. Stunde der Rache für Unrecht und Schmach, Stunde der Rache, rächender Tag! Schleudert auf Felder glimmende Funken Nun von den Hütten, die lodernd versunken. Für all die Leiden, die Qualen, die Tränen Auf, meine Brüder! Gewaltiges Sehnen Schlingt eure Hände zu heiligem Bunde Heute zusammen! Laut schlägt nun die Stunde, Da sie die Sehnsucht in langen Jahren Endloser Mühen und in Gefahren Zitternd und sehnend beflügelt. Auf, an die Waffen, Jesus Maria! Auf, an die Waffen, auf, und besiegelt Blutigen Bund mit blutiger Tat. Auf nun für Polen, fürs Vaterland! Stunde der Sühne, da unvergessen Jahre der Knechtschaft, Tyrannenmacht, Die mit hohler, gespenstisch verzerrter lächelnder Fratze das Haus uns besessen, Die es geschändet, die es verlacht. Nun soll das Kreuz die Gespenster bannen; Euer die Stunde, der Zeiger rückt; Seid nun Erfüller, zeigt euch als Mannen, Greift nach dem Sieg, zu den Sternen blickt. Kinder, herrliche Beute winkt Euch, denn die Zeit ist gekommen. Und hemmen auch Berge von Leichen den Lauf, Achtet nicht drauf! Hütet euch nur, dass ihr nicht versinkt, Denkt, dass aus dunklem Schicksalsschoß Nur eure eigne Faust euch bringt An das Licht der grünenden Saat Herrlich beglückendes Los. Mutig voran, Männer der Tat! Schon naht das Mädchen und mit Worten, Die Gluten atmen, weist sie ihn Und reißt ihn fort bis an die Pforten, Draus Flammen ihm entgegenblühn. PALLAS Lasst Städte brennen, Burgen lodern, Auf zu den Waffen! Auf zu den Waffen! WYSOCKI So bist du neben mich getreten Im lichten Glanze mädchenhafter Reine: Du lohst in rotem Feuerscheine… PALLAS Ich bin bei dir, bin deine Schwester; Es flammen Blitze auf in meinen Händen, In meinen Händen stirbt der Sterne Licht. CHOR DER FÄHNRICHE Seht doch, wie seine Wangen glühen. WYSOCKI Ha! Unsre Schmach muss einmal enden! PALLAS Auf denn, mein junger Held, zur Pflicht! WYSOCKI Dir weih ich meine Kraft, mein Schwert; Ich kenne dich, du herrliche Gestalt, Du nahmst mich bei der Hand und wiesest Mir meinen Weg, Zeustochter, hochgeehrt, Und Tausende von Männern stießest Du in den Staub und sie erbleichten bald Vor dir und mussten sterben… CHOR DER FÄHNRICHE Unser der Ruhm, unser allein! Tod dem Fürsten, Verderben! PALLAS Sieh, wie die Muskeln ihnen schwellen, Sieh, wie sie eilen, ich mit ihnen, Das Adlerweib. Will wie mit Fackeln sie erhellen, Sie sollen zum Verbrechen ziehn. Mit Schlangen peitsch ich ihren Leib, Ich hauche fürchterlichen Zorn ln ihre Herzen, armes Schwelen Entfache ich zur Lohe, von den Seelen, Den unberührten, reiß ich alle Scham, Spreng ihre Brust mit fürchterlichem Schrei, Und wie die Adler fliegen sie vorbei, — Ein sterblich Lied aus Menschenkehlen. WYSOCKI Blut denn und Blut, sie sollen Sich paaren zu schrecklicher Lust; Ritter des blutigen Bundes, Hört, wie die Donner rollen Über des Erdenrundes Bahnen in eure Brust, In das polnische Herz. Alles hat euch der Räuber entrissen. Pallas, du Donnergeborne, Schüttle den Donnerschild, Lass deine Flammen wild Vor ihren Augen lodern, Lass sie in Flammen stehn, Feurige Stürme wehn! Zerreiß mit dem Donner das Nebelfeld. / Donner. / CHOR DER FÄHNRICHE Ein Feuerschein den Himmel hellt. WYSOCKI Gedenket des Jahres eintausend Achthundertunddreißig, des neun Undzwanzigsten Novembers: In dieser Nacht Ward euch der Tag geboren! / Lichtschein. / PALLAS Euer die Kraft und die Macht! WYSOCKI Des neuen Lebens herrliches Gut Winkt euch, ihr Rächer, Mut und Blut! PALLAS Sieg! Nieder mit den Zentauren! WYSOCKI Wort der Erlösung erdröhne und flieg: Auf an die Waffen! PALLAS Morgen der Sieg!! CHOR DER FÄHNRICHE Du lang Ersehnter heißt uns eilen, Wahrlich dein Kommen ward uns prophezeit. PALLAS Das Wort erstand, es springen Gräber Auf und der Geist durch lange Zeit Beschworen naht, und es erbebt Das Herz in Banden. Wer da jetzt Dein heilgen Willen widerstrebe, Dess' Schild berühr ich mit der Axt, Verdamme ihn zu ewiger Qual. An eurem Ohre tönt es: Ruhm! Die Adler rauschen, ziehen durch die Luft, Ein Feuerschein kost sie mit Flammenduft, Und unter feurigen Wehen Flammende Geister erstehen. Heilig das Schwert, denn sein ist die Tat, Euer das Schicksal, das ihr bejaht. CHOR DER FÄHNRICHE Gib die Befehle! WYSOCKI An die Gewehre, die reihenweis dort Stehn an der Wand, ergreift sie und fort; Es flieht die Zeit, drum schnell an das Tor, Ehe der Russe euch kommt zuvor. Sie dürfen euch nicht erkennen; Dann heißts zu den Kasernen rennen. Dort draußen auf Solec, da brennt eine Miete Unweit der Stadtgrenze, auf Vorstadtgebiete, Es ist ein verabredet Zeichen. Wie viele seid ihr? Hundertundsechzig? CHOR DER FÄHNRICHE Ja. WYSOCKI Alle anwesend? CHOR DER FÄHNRICHE Alle sind da. Sieh, wie die Gänge sich füllen … WYSOCKI Euch fällt der Löwenanteil zu Am heutgen Werk. Drei Regimenter Ulanen müssen wir entwaffnen, Müssen die Brücke auch besetzen, Die Wache täuschen. Ich verteile Selbst die Patronen, instruiere Euch selbst. Dann gehts hinein zur Stadt. / Zu einigen, die neu hinzugekommen sind. / An die Gewehre! CHOR DER FÄHNRICHE An die Gewehre! WYSOCKI Die Zeit entflieht, nur jetzt kein Säumen Und Träumen. — Am Belvedere vorüber eilen Wir hin zur Stadt, zum Arsenal. Zaliwski stürmt es. PALLAS / flüstert ihm zu / Fühlst du nicht die Qual Der Eifersucht, dass du den Ruhm mit ihm Musst teilen —? WYSOCKI Im Parke, an der Denkmalsbrücke steht Und wartet eine Schar von sechzehn Mann, Studenten von der Universität Und Literaten, denen man Patronen geben muss und zum Palais Den Weg bezeichnen. Zwei von euch erseh Ich zu dem Zwecke aus, — ich nenn sie später. Sie haben auch den Fürsten wieder Zu greifen, falls er durch den Park Zu fliehen suchte. CHOR DER FÄHNRICHE So ist es denn heute, — Wir können es nicht fassen… WYSOCKI Brüder! Heut ist der Tag der Freiheit. CHOR DER FÄHNRICHE Eile Mit uns, du Adler, adlerstolz und stark! Schon drängen sie und eilen Und nichts mehr hält sie auf. Gewehre in den Händen, So eilen sie und wenden Den Blick von ihrem Führer Nicht ab; das Klirren ihrer Waffen, Lärm und Gesumm Geht in der Halle um. Sie eilen und sie stecken In dunkelblauen Röcken, Aufschläge gelb, — und weiß Die Hosen und Gamaschen. Auf den Gewehren starren Die Bajonette, harren Des blutgen Ziels. Sie schnallen Die Säbel um und packen Sich die Tornister auf. Schon stehn sie in vier Reihen Im Rechteck, dann zu zweien In einer langen Reih. Man sieht bei ihnen allen Die Freude laut und frei. WYSOCKI An die Gewehre! Achtung! Denn heute Gilt es. Pflanzt Bajonette auf! Gehet hinunter, sammelt euch Leute, Unten im Hof; fort in schnellem Lauf! Dass sie die Tore euch nicht verschließen! Unten bekommt ihr Patronen zum Schießen. Ich bin mit euch, — ich führe euch an. An die Gewehre! Die Zeit rückt heran, Unser die Macht und unser die Kraft. Für all die Schande, die Jahre der Knechtschaft, Für Jahre der Tränen, die qualvolle Zeit Heute den Räubern Henker seid! Aus der Scholle, die aufgebrochen, Rissen wir das Schwert. — All die Bosheit wird gerochen Und wir graben stahlbewehrt Gräber, weite Gräber. Schleudern sie zu Boden, treten Sie mit Füßen, stampfen, brechen Die Gebeine, denn wir rächen! PALLAS Wirst Unsterblichkeit erringen! WYSOCKI Ewiges Leben wird euch bringen Dieser Tag. Es muss gelingen. PALLAS Lodert in Flammen alle zusammen, Leuchtende Fackeln, eilet dahin. 0 des Heiligtums Tore stehn weit Auf und des wundersamen Glanzes umstrahlendes Licht Führt euch durch Blut und Tod und Gericht Hin zur ewigen Herrlichkeit! WYSOCKI Auf, meine Brüder, Kinder, Soldaten! PALLAS Auf ging der Stern, er leuchtet euch hell! WYSOCKI Götter schaffen die Saaten! PALLAS An die Waffen! WYSOCKI An die Waffen!! CHOR DER FÄHNRICHE An die Waffen!!! PERSONEN DER ZWEITEN SZENE: * Grossfürst Konstantin * Johanna * seine Frau * General Gendre * Kuruta * Makrot * ein Spitzel * Der Offizier vom Dienst * Lakaien SALON IM BELVEDERE Zwei Türen rechts, zwei Türen links. Im Hintergrund ein Fenster dreigeteilt, Das bis zum Boden reicht. Dahinter Der Garten von Łazienki. Fern Sieht man ein weißes Reitermonument. JOHANNA / tritt ein / Der Himmel glüht, — ein heller Feuerschein. GROSSFÜRST KONSTANTIN / tritt ein / Wo ist der Brand? KURUTA / tritt ein / Es brennt die Stadt. GENDRE / tritt ein / Nein. Die Stadt brennt nicht. GROSSFÜRST Wo? GENDRE Dort ganz hinten weit. Ich hab im Hof Signale schon gehört. KURUTA Es sitzen zwei Schwadronen schon zu Pferd Und sprengen aus dem Hofe nach der Stadt. JOHANNA / verlässt den Salon. / GENDRE Ein Pferd für Seine Hoheit! KURUTA Steht bereit. GROSSFÜRST Wie? Nein, — ich bleibe. — Dorthin — und wozu? Mags brennen. KURUTA Was denn würden Hoheit sagen, Wenn diesem einen, diesem ersten Brand Der zweite folgte und der dritte, vierte, Wenn aus dem unterirdschen, dunklen Land Ein Spiel der Flammen züngelnd sich entwirrte —? GROSSFÜRST Es sei ein Aufstand. KURUTA Hm, — ja — ja — im ganzen Ein Aufstand nur. — Was weiter? — Nun, es brennt. — Ja, wenn dies Volk erst mal in Flammen steht, Wird jedes frische Grab zum Flammenquell. Für uns wird es ein Totentanz. GROSSFÜRST Wir tanzen, Das goldne Vlies um unsern Hals; wir schlagen Den Alantei auf und auch sogleich erkennt Man uns als Diener Seiner Majestät Des Kaiserlichen Herren. Kavaliere, — Die sterben nicht, die fallen oder siegen. Und wills der Zar, so werden wir berühmt. GENDRE Und wills der Zar nicht —? KURUTA Bleiben wir ihm treu. GENDRE / verlässt den Salon. / GROSSFÜRST Er bleibt. KURUTA Zu Diensten. GROSSFÜRST Idiot. KURUTA Nur Mensch. GROSSFÜRST Hm, — könnte Er wie ein gewisser Fürst Zarudzki eine Dirne sich entführen Und dann im Kreml nach der Krone greifen? KURUTA Hoheit sind Herr, — ich Diener. GROSSFÜRST Nun, — weiß schon. KURUTA Bin treu. GROSSFÜRST Und dumm. KURUTA Klug, wenn man mirs befiehlt. GROSSFÜRST Ah, schlauer Grieche; merkt doch gleich am Ton, Woher der Wind weht, — und wohin man zielt. Ich plaudre gern … KURUTA Gewiss, so ganz sans gêne. GROSSFÜRST Halts Maul. Hinaus. — Und dienen … dienen, wie … KURUTA Ein Hund. GROSSFÜRST Ja. — Sag Er, hätte Er wohl die Courage, ins Feuer für den Zar zu gehn? KURUTA Auch für des Zaren Bruder, wenn ers soll. GROSSFÜRST Den Dolch ins Herz, in Blut getränkt, — Und dann das Kreuz, das goldne Kreuz; Hm, — Er wird bleich? Erst wird der Zar Ihn hängen lassen, doch dann schenkt Das Kreuz er. — Ah, — Scher Er sich. Pascholt! — — Adieu, — hier meine Hand, — Adieu, Kamerad. KURUTA Hoheit… GROSSFÜRST Ich bin ein Philosoph, — es war Von jeher meine Art, im Finstern so Mir meine Menschen auszusuchen, — Männer; Die schöne Seele wittr' ich stets, — auch wo Sie nur in lumpiger Umhüllung wandelt. KURUTA Hoheit waren stets ein Menschenkenner. GROSSFÜRST Ich will Ihm was erzählen, — ja — und zwar Kameradschaftlich. — Er fürchtet sich doch nicht Vor Strafe? KURUTA Hols der Satan! Um was handelt Sichs denn? GROSSFÜRST Der Fürst wird Zar. KURUTA / lacht auf / GROSSFÜRST Hinaus! — Was lacht Der Satan? KURUTA / schweigt. / GROSSFÜRST Weg! Kann Ihn nicht brauchen. KURUTA / bleibt. / GROSSFÜRST Weg! Hinaus! Fort zu den Karten. / Stößt Kuruta zur Tür hinaus; allein; klopft an die Tür links. In der Türe erscheint / JOHANNA / geht bis zur Mitte des Salons. / GROSSFÜRST / schließt sämtliche Türen; geht zum Schreibtisch / Seit frühem Morgen schieb ich es hinaus Und gestern schon den ganzen Tag und auch Vorgestern bis zu diesem Augenblick, Da der Begebenheiten Uhr die Stunde Für mich und jene kündet. / Schlägt mit der Hand an den Schreibtisch / Hier, — des Kaisers Brief. JOHANNA Des Zaren!? GROSSFÜRST Seines Bruders. Die Ernennung. JOHANNA Und zum Befreier! GROSSFÜRST Nein, — zum Henker. JOHANNA Wie? GROSSFÜRST Der Zar ist toll. JOHANNA Was soll das heißen … ? GROSSFÜRST Schweigen, Und ein Geheimnis, — unumschränkte Macht, — Komödie, — Schmutz! Ich stehe heut … JOHANNA In Flammen. GROSSFÜRST Ich packe zu, — und liefere die Schlacht, In Blut getaucht erschein ich euch und hole Dem Polen seine Freiheit von den Sternen, — Und werde selber was, kein Narr, kein Popanz, Lakai des Zaren, werde selber Zar Von Polen, — durch das Blut, — JOHANNA Du!! GROSSFÜRST Werde Pole. JOHANNA Du lügst. GROSSFÜRST Schweig still! JOHANNA Du winselst und du fluchst. GROSSFÜRST Hör zu, — und schweig, — ich scherze nicht; du suchst Vergebens dich zu täuschen, ich bin doch So wach wie nie und werde löwenstark, Ich dürste heut nach Blut, — nach Kampf, — ich roch Blut in der Luft. — Ein Gott werd ich durch dich. JOHANNA Du lügst. GROSSFÜRST Du Schöne, — leise, — leiser sprich, Denn jedes Wort von dir erdrückt, zermalmt. Hör mich, — und schweig. — Wir sahen einen Krieg, Und werden ihn jetzt abermals erleben. Du Herrliche, Erhabene wirst Zarin; — — Ich sehe schon den Purpurbaldachin Sich über deinem Haupte neigen Und einer Krone selten kostbar Gut Wird dir zu eigen. Du bist mein Weib. — Krieg, Krieg und Blut. Die Polen gleichen Löwen, alles werden Sie sich erstreiten und wie Eiskristalle Durchdringen und durchbohren sie die Erden. Wie denn? Des Kaisers Adler wären tot?! Nun, Polin?! JOHANNA Oh, mein Herz sieht klar. Ein Traum, — Du, — du — was spinnst du — —? GROSSFÜRST Es erbleicht der Zar. JOHANNA Wider den Bruder — du, der Bruder — — GROSSFÜRST War Er Zaubrer dir?! Glaub mir, — ein solches Wort, Wie ich es sprach, hört es der Zar, der Schaum Von seinem Munde würde Tausende Vergiften. Ah! Der eifersüchtige Zar, — Ich werde mehr als er, ja, denn ich bin Von Polen König — und dein Glaube ist Mit mir. Nun sprich! Begreifst du jetzt den Sinn —? JOHANNA Ein Anschlag. GROSSFÜRST Meine Stunde nahet nun! Wie? — Nur dahin mich deine Stimme wies. Bin ich gegangen. Polin, du. JOHANNA Ah! Hysterie. Du spielst Komödie und willst mich betrügen. Gib mir den Brief, — ich will ihn lesen… GROSSFÜRST / entnimmt den Brief dem Schreibtisch und gibt ihn ihr / Lies. Was weißt du nun? Plein pouvoir. — Wie? Ah, du begreifst. — Nun sprich, so sags doch, — du, Schrei es hinaus, dein Blut, es wallt. Du stehst Vor mir, das Messer in der Hand. — Stoß zu! Wie? — Was? — JOHANNA Geh weg! GROSSFÜRST Aha! Du fürchtest dich. — Wovor —? Wie leuchtet, Polin, deine Seele, Du strahlst, in deinen Augen sprühen Funken, Da brennts, da loderts, — purpurflammentrunken. Sag, — hättest du wohl Lust — von Meer zu Meer? Nun breite deine Schwingen aus, — flieg her. Verbirg dich nicht, ich weiß, du leidest Qualen Und glühst in Schmerzen, — heilige, keusche Glut — Vestalin du, — du Reine, — lausche gut Mir die Gedanken ab. JOHANNA Du Bankrottier. Spielst mir Komödie vor, — geh weg von mir. Du lachst des Herzens und der Seele. GROSSFÜRST Puppe, — Du Wunderbild, — geraubtes Kleinod Polens, Wie stolz du bist, wie herrlich, und wie bleich. Wer bist du? Meine Sklavin. — Nun, ganz gleich Auch meine Gattin. Ja. — So liebe mich! Der Genius ist erwacht in mir; — versprich Mir, dass du meiner denkst; denn sieh, der Geist In mir erwachte, — und er weist Heut zu den Höhen. Meine Seele irrte Und taumelte in Elend, in dem Schmutz Gemeiner Freuden, — ja —, ich war ein Lump; Doch du, — du heiligst mich, — du wunderbare Reine, So jung und unberührt warst du die Meine. — Bist meine Sklavin. — Gib mir deine Lippen, Lass mich den heißen, süßen Atem trinken, Mich dürstet nach der Reinheit deiner Seele Und nach dem roten Mund. — Du sollst versinken In meinen Armen und die Lilien blühen Als Hochzeitsfackeln in der Liebesnacht. — Gib deine Lippen. JOHANNA Lass. — GROSSFÜRST Die Wangen glühen, Dein Blut — JOHANNA Lass mich. GROSSFÜRST So fühle meine Macht. JOHANNA Weg. GROSSFÜRST Ah! Du wirst die Wollust preisen, Weib, Mir danken, — bist ja Weib, du fällst … JOHANNA Gemein. GROSSFÜRST Du bist so schwach, — du Blume, — deinen Leib Will ich erschließen, er soll duftend sein. — — Dirne! Scher dich hinaus. JOHANNA / geht. / GROSSFÜRST Bleib. JOHANNA / steht. / / Schweigen. / GROSSFÜRST / senkt den Blick; steht willenlos. / JOHANNA / wendet den Kopf nach dem Fenster / Stehn dort nicht Menschen —? GROSSFÜRST Lass. Was solls? / Unbeweglich / Wie es mich quält. Ich muss jetzt ernstlich an Das Werk; muss handeln, muss Befehle geben. So vieles muss man können, wissen, man Muss überwinden sich und muss daneben Verdacht verscheuchen und die Schatten bannen. — Wer ist mein Feind —? JOHANNA Sieh dort hinaus. GROSSFÜRST Gewissen. / Scharf / Was willst du? / Zärtlich / Komm. Verlangt es dich denn nicht Nach meinem Kusse? Liebe, — Traum, — du jagst Gespenstern nach im Garten. JOHANNA Schwarz umrissen Dort auf den Wassern Nebelstreifen, — dicht Beim Monument ein Schatten. GROSSFÜRST Träumerin, — Du Süße, — jagst die Schatten, ah, ich bin Verloren, wenn der Geist mir nicht erstarkt. Sich ins Gewaltge weitet. Heut verspürte Ich einen Hauch von Größe, — eingesargt Lieg ich nun tief, — ich war zu schwach, zu klein, — Ich bin ein andrer heut als sonst, verstehe Mich selber nicht. Erhabne Größe sehe Ich und erzittere… JOHANNA Myriaden Sterne — Sie funkeln… GROSSFÜRST Nicht auf Erden weilst du, nein, Jenseits der Grenzen, — dort — ganz weit, — ganz ferne. JOHANNA Mich friert. GROSSFÜRST Die Schatten an den Fenstern dort — JOHANNA Dort stehen Menschen. GROSSFÜRST Wachen sind am Eingang Postiert. — Du liesest Lamartine — JOHANNA Ich fing Heut morgen an. Erhabne Harmonien Der Sphären schwingen in den Weltenraum Und Gott scheint grenzenlos. Die Seelen ziehen Über den Wassern hin in heilig reiner Erhabner Liebe, still und ohne Sünden; Und denken morgens, denken abends seiner. GROSSFÜRST So träumst du und siehst Menschen, wo sie nicht zu finden; Die Lebenden gewahrst du nicht. JOHANNA Ein Traum; — Mit Seelenaugen les ich im Gestirn, — Und bin so dankbar… GROSSFÜRST Ja, dem französischen Grafen mit dem Hirn Der Eule und dem Weibsgefühl. — Umstellt Von zwei Schwadronen ist der Park, hierher Kommt niemand. — Oder doch? — Was meinst du wer —? JOHANNA Niemand. — Vielleicht sinds auch die Bäume nur Die rauschen —? Immer dichtrer Nebel fällt, — GROSSFÜRST An deiner Wimper hängen Tränen. JOHANNA Ach. — Was tuts. GROSSFÜRST Ich bin dein Sklave, — ich bin schwach, Bin wieder gut, — und bin gerührt, — ich küsse Dich wieder, komm, — vergib. JOHANNA Das Monument Dort in der Ferne bannt den Blick und mit Geheimem Zauber lockt das Bild. GROSSFÜRST Genug. JOHANNA Ich gehe in den Garten, — — GROSSFÜRST / stampft mit dem Fuße. / Keinen Schritt. Du bleibst. JOHANNA Gut denn. Ich bleibe schon — und du, Woran denkst du —? GROSSFÜRST So geh. JOHANNA Dorthin, — wozu? GROSSFÜRST Ein Zauber weht, — du weißer Zaubrer du, — Du Heiliger und Krieger. — Hörst du …? JOHANNA Flüstern. GROSSFÜRST Es raschelt in den Zweigen. Es ist der Wind. — Wie alle Schatten dort lebendig sind Im Garten. JOHANNA Nun ists wieder still. GROSSFÜRST Du bist Verliebt in diesen kalten Stein …? JOHANNA Mag sein. GROSSFÜRST Ich stürze ihn von seinem Pferd herab. JOHANNA Ich seh ja nicht mehr hin. GROSSFÜRST Ich lass ihn sprengen. JOHANNA / verächtlich / Ach du! GROSSFÜRST Ich lasse ihn vergolden und In purem Gold soll er dir leuchten, — dann Will ich mich mit ihm messen — Aug in Auge, Der Held — JOHANNA Mit dem Gesindel. GROSSFÜRST Schweig! / Packt ihr Handgelenk. / JOHANNA Was ist Denn nur —? GROSSFÜRST Du stolzgenährte Seele du, Bist schwach —, schließ, Blume, deine Kelche zu. Du glühst und diesen Purpur hat auf deine Wangen Gezaubert heißer Wünsche heimliches Verlangen, Die der Erfüllung harren; regenbogengleich Malst du das Wolkenmeer mit bunten Lichtern Und jeder Windstoß scheucht den Glanz hinfort. Du arme Blume, hauchverwirrt und schüchtern Schwankst du entwurzelt heimatlicher Erde, Und Polens Zauberduft umwebte dich, Ließt dich berücken, glaubtest dich so reich, — Ich brech den Zauber. — JOHANNA Du bist widerlich. GROSSFÜRST Du Kurtisane, — deine Wangen brennen, Du stehst in Flammen. — Komm nun — JOHANNA Lass. GROSSFÜRST Komm her. JOHANNA Weg. GROSSFÜRST Dirne! Komm. JOHANNA Heilige Jungfrau! Nein —, Erzwing es nicht. GROSSFÜRST Den Zwang vergisst du bald. — Wonach verlangst du denn? Dort —, in dem Zimmer Seh ich dich schon in meinen Armen liegen, Und dich in Ohnmacbt und in Wollust biegen. Es ekelt dich? Ich kann nur lachen. Schlimmer Kann es nicht kommen, — du wirst trotzdem küssen, Wirst schmeicheln, kosen, girren, und wirst schrein, Haha! Was wirst du schreien. JOHANNA Heilge Jungfrau! GROSSFÜRST Die Hände weg! JOHANNA Du brichst sie mir entzwei. O Schmach, o Qual! GROSSFÜRST Du sollst die Lust genießen, Du Weib und schamhaft wie ein Mädchen, du, — Du bist wohl eines Thrones wert, — wirst Zarin … JOHANNA / sinkt zu Boden / Ich Unglückliche. GROSSFÜRST Fluch nicht, — — wimmere nicht, — Sei still —, ganz still —! JOHANNA Weg! GROSSFÜRST Ah, wie schön du bist In deinem heilgen Zorn, in deinem Schmerz. JOHANNA Lass mich, ich rase. GROSSFÜRST Dummchen, — Tollkopf du, Im Wahnsinn liegt ja meine Kraft, ich bin Ein Löwe heut im Wahnsinn. — Könntest du glühen. O könnten Flammen lodernd dich umspielen, Dir Hals und Nacken, deinen Leib umblühen, Und könnten heiße Schauer deinen kühlen Leib im Glutenrausch zerwühlen, Dass du die weißen, weichen Arme mir Um meinen Nacken schlängst, mich trunken machtest In nie verlöschender, glühender Gier, Du, — könntest du — JOHANNA O diese Qual. Erbarmen! Es schwinden mir die Sinne und mir graust. — Was schreist du so — gewaltig? — Es umbraust Ein Sturmwind mich — GROSSFÜRST Ein Sturmwind — wie? — Ich wäre Ein Sturmwind, — ein Orkan — JOHANNA Im Hof dort —? Höre — Ein Wimmern? — Rauschen so die Bäume —? GROSSFÜRST Es ist Der Zauber. Träume nur, — in meinen Armen Träum weiter, Seherin, verzaubert Weib. Gib mir den Frieden meiner Seele wieder, — Gib deine Lippen — JOHANNA Du… GROSSFÜRST Gib deinen Leib. JOHANNA Gib, — gib, — o küsse mich, — du mein Geliebter, Sei stark, o tu's — halt mich — vor meinem Blick, In meiner Seele senkt die Nacht sich nieder; Verwirrt die Sinne. Schwarze Nebel sanken Vor Aug und Seele, — tot sind die Gedanken, Tot, — nur ein Rauschen, — Sprühen — — GROSSFÜRST Ah! du liebst, Küss mich. — JOHANNA Ah —! GROSSFÜRST Küss mich. JOHANNA Still… GROSSFÜRST Es ist ja nichts. JOHANNA Was war das? — Ja. — Es pfeift der Wind, — es klirren Die Fensterscheiben, — in der Luft ein Schwirren, Ein Wispern und ein Schluchzen; — wer — wer — sinnt …? GROSSFÜRST Es rauscht der Nordwind. JOHANNA Ja, — es weht der Wind. GROSSFÜRST Du weinst. — Warum? — Weinst, weil du liebst. — Du Liebe, Geliebte du, — du Priesterin der Liebe — JOHANNA Ich bin von Sinnen. Ja. — Du bist jetzt mein. — Wer stöhnt dort drauß? Hascht des Windes Wehn? Wer flucht so böse, — flucht vielleicht dir — mir —? GROSSFÜRST Gib deine Lippen. JOHANNA Küsse dir den Tod. GROSSFÜRST Gib mir den Mund — er ist so heiß und rot, — JOHANNA Die Liebe zu mir ließ den Thron dich schmähn. GROSSFÜRST Ich werde dir erringen einen Thron Und setze dir aufs Haupt das Diadem. JOHANNA Du mein — Geliebter — Herr — GROSSFÜRST Ich schenke dir Ein Königreich — JOHANNA In St. Johannis Kirche. GROSSFÜRST Ein Zarentum. JOHANNA Die Krone ist erstanden. Nicht erst seit heute fühl ich es und weiß Und wünsche und verlange, — Und bebe und bange. Du mein Geliebter, — Held, — du stießt ins Horn Und riefst zum Kampf und alle fanden Sich ein, — die Ritter all auf dein Geheiß. Sie werden siegen! — Fürchterlicher Zorn Packt mich, — Geliebter du, — erhebe Dich und verdirb den Zaren, Erwürge ihn, — zerschmettre ihn. Entfache Stürme und belebe Die Flammen. — Hab mich lieb, Küss mich, — du — deine Lippen gib; Sieh, wie die Flammen aufwärts glühen. Denn alle sind bereit und harren! — Empörung!! GROSSFÜRST Wie? — Du weißt —? JOHANNA Ich weiß. — Dort in Den Herzen lodert Glut. Dort draußen warten Sie und vergehen fast. — — GROSSFÜRST Dort? — Wo? — Du rast, — Du weißt nicht, was du sprichst. — Ein Aufstand, — wie? Ein Aufstand, — wo? Du weißt? — Sprich nun —, du hast Dich schon verraten. JOHANNA Sieh mir in die Augen. Spion des Zaren. Oh, mein Traum —, gemein. Du Lügner —, hast ja Angst, du Feigling, denn Du stehst allein — — GROSSFÜRST Ich bin allein. — — So habe Ich mich verraten. — Wie? — Womit? — Was war ich denn? — Du sprachst: Spion des Zaren. Du, mein Weib, Mein Liebstes auf der Welt, du brachst Mir meinen Willen und den Leib Hast du vergiftet. Und hast mich Gestürzt. Ich wollte hoch empor, Ich hatt den Willen, wollte zu den Höhen Empor mich schwingen mit dem Adlerchor; — Du wolltest es nicht dulden, aus der Seele Zerwühlten Tiefen brachtest du ans Liebt Nur das Gemeine. So bist du mein Feind. — Und sah ich nicht In Ohnmacht dich zu meinen Füßen liegen, — Um Liebe flehen? Was weiß ich? Kann ich mich betrügen —? Ein Zauber geht jetzt um, — Du Göttliche, — du Heiligtum. — / Er läutet. / JOHANNA / ist ohnmächtig zusammengebrochen. / GROSSFÜRST / schließt alle Türen auf; führt sie in die anstoßenden Gemächer. / HOFDAMEN / eilen herein, bemühen sich eine kurze Weile um die Ohnmächtige, entfernen sich dann wieder. / GROSSFÜRST / kehrt eilends in den Salon zurück; tritt an die Schwelle eines der Seitengemächer, unterhält sich mit jemandem in der Tür, kehrt nach einer Weile in den Salon zurück. Mit dem Fürsten tritt ein / GENDRE / senkt den Kopf. / GROSSFÜRST Was sagt er? Tödlich? — Hm. — Der General? GENDRE Warum bin ich denn nicht gestorben? Ich Feigling. — Ah —, und Eure Hoheit sind … Wir sind ja alle feige, — alle sind Wir so gemein, — verdorben. Mag jeder, was er will, sich nehmen, Jeder; — wer mag; — auch Gott. Ich will mit vollen Händen verschwenden — Und mich nicht schämen. — Ein jeder werde satt, — wer nimmt, der hat. — Greift zu, ihr Engel, Teufel, Gott und Zar. Das Herz muss schweigen, — still, — mir war Ein Herz zu eigen — und ich hab gefühlt. Ha, ha, heut trag ich eine Uniform Und Ordenssterne zieren mich; — Auch Eure Hoheit schmücken sich Mit einem Stern, — wie brennt die Stirn so heiß, — — / Lehnt seine Stirn an des Fürsten Brust / Ich will die Stirne kühlen, — o wie kühlt Der Stein — und das Emaille — Beweis Der Kaiserlichen Gnade, — o wie schön — GROSSFÜRST Du armer — Tor, — — GENDRE Wie doch von einer Krone, Von einer Zarenkrone Zauber wehn. GROSSFÜRST Bist du sentimental oder betrunken? GENDRE Hoheit? — GROSSFÜRST Beleidigt —? Nun, schon gut, ich sehe, Es ist nur Rührung, — Sentiment, — gewiss; Er hat vor mir sein Herz geöffnet, bis Geheime Töne daraus sich entrangen. Für wessen Ohr erklangen Die schmerzlich wehen Töne —? General, Ich sehe an seiner Seite harten Stahl, Ein Degen — wie? GENDRE Wer hat aus meiner frommen Brust mir das Herz gerissen? Sind Mörder über mich gekommen, Da schwach ich ward im Geist — —? Der Zar hat alles mir genommen, Sei's drum; — ich steh am Grabesrand, — Wer reicht mir heute helfend seine Hand Und führt mich zu der reinen Quelle, Daraus die Seelen klare, helle Fluten des Vergessens trinken —? Da doch die Seele schmachtend kreist — GROSSFÜRST Wie? dir — dir, meinem Bruder, winken Des Jenseits stille Lande? Wer zwingt dich denn? GENDRE Der Geist. — Ich sehe hier nur Schmach und Schande, — Schamlosigkeit, — dort in der Ferne gleißt Des neuen Lebens heller Morgenstrahl; Hier atmet die Gemeinheit, Schmutz und Qual, Jenseits des Grabes fließen keusche Tränen, Und reine Trauer zeugt ein reines Sehnen … GROSSFÜRST So nehm Er Urlaub, — warte Er ein wenig, — GENDRE Urlaub der Seele. O entlasse sie In Gnaden, Herr, und lass sie dorthin eilen, — Dort weit hinaus — — GROSSFÜRST Du Tölpel —, wie Wärs mit einem Teorban, du langweilst dich; Wenn Glöckchen läuteten, — vielleicht behagte Dir die Musik, — vielleicht könnt sie dich heilen. Und wenn ich wie Mazeppa dich, — du weißt — Auf einem Pferde durch die Steppe jagte, Du wärest ein Zentaur, — und wie ein Geist Flögst du dahin durchs Dickicht, — eine Laura, So ein verliebtes Ding mit aufgelösten Haaren Setzte dir nach, — trotz Stürmen und Gefahren — Dir immer nach — dem Liebsten… GENDRE Hoheit kuppeln… KURUTA / ist leise eingetreten und flüstert dem Fürsten ins Ohr / Votre Majesté, der Mann — GROSSFÜRST Eintreten lassen. / Zu Gendre / Adieu. / Zu Kuruta / Lösch Lichter aus. Auch ohnehin Sieht mir der Kerl zu viel. KURUTA Ich weiß, wers ist. GROSSFÜRST Was weißt du? Niemand ists. GENDRE Addio, Fürst! / Geht ab. / GROSSFÜRST Ein Lump, ein Scheusal und ein Schuft, — Doch wertvoll macht ihn eben sein Gemüt. MAKROT / tritt ein / KURUTA He, was für mich? MAKROT Ein Wörtchen für den Fürsten. KURUTA Warum für mich nichts? MAKROT Für die Majestät. KURUTA Du hör, ich hab die Stelle dir verschafft. MAKROT Die füll ich redlich aus und bin diskret. KURUTA Zum Henker denn — / Flüstert mit dem Fürsten; zu Makrot / Was hast du aufgedeckt? MAKROT Hm, — Worte, — Gesten, — Schatten. KURUTA Wer wird denn daraus klug? MAKROT Das böse Gewissen. Denn wer Angst hat, dem genügt Auch eine Geste, eine einzge nur, Wenn sie bedeutend ist. Denn wer zu raten Versteht, der findet gleich die richtge Spur Aus einem kleinen Wort, das halb gesprochen, Aus einer Geste, die erst halb getan, Und die noch beide tief im Geiste hämmern, Noch unbefreit im Dunkel dämmern, Das Blut vergiften und das Mark durchfressen, Die üppig wuchern und den Blutlauf stören, Gefühl und Denken, Sehen, Hören Betäuben, wie ein Alp die Brust beschweren, Zu Boden drücken und in nächtgen Bann Die Seele schlagen. — KUKUTA Ja —, die treuste Seele, Die haben wir. — Gib deine Hand, — Na, — auch den Mund, — so nun erzähle, Was du entdeckt, erraten und erdacht. MAKROT Erst eine Bande. Möglich dass sichs macht. — Man muss mal hin und muss sie hören sprechen. KURUTA Kann man dorthin? — MAKROT Man kann. GROSSFÜRST Ganz öffentlich? MAKROT Nicht gut. GROSSFÜRST Was schmieden sie? MAKROT Sie —? — Ein Verbrechen. Begeben Hoheit selber sich dorthin, So werden Hoheit mir dann glauben, sich Auf mich verlassen … GROSSFÜRST Wie auf Sancho Pansa. Sinds viele, die zusammenkommen? MAKROT Nun, — So eine Handvoll, nicht grad viel, auch nicht Grad wenig. — Es kommt drauf an. GROSSFÜRST An welchem Orte Versammeln sie sich? MAKROT Wer grad kommt, der spricht. Was sie im Schilde führen, ist gar leicht Aus ihren leisen Heden zu entnehmen, Spitzt man die Ohren nur, gibt man gut acht. Es sind zwar immer abgerissne Worte, Die man vernimmt, jedoch der Sinn, der gleicht Sich. GROSSFÜRST Ginge ich allein dorthin … ? MAKROT Es macht Wohl schlechten Eindruck. — Gott, ich muss mich schämen, Mein Anzug ist zerlumpt, dass nicht zu sagen, Ich gleiche Bettlern, pfui —, ich darfs nicht wagen, Bei Tage herzukommen, denn mit Hunden Hetzten mich die Lakaien aus dem Haus. Was hilfts —? Ich muss doch leben für die Kinder, — Mein armes Herz, es lebt und weiß und fühlt — GROSSFÜRST Wo ist es? MAKROT Wichtig ist die Sache, spielt Sich im Verborgnen ab und ist nicht minder Ganz öffentlich. GROSSFÜRST Warst du denn selber dort? MAKROT Ich komme grad von dort. KURUTA Ah, schlauer Hund! GROSSFÜRST Wo ist es also? MAKROT Es ist die Kloake Auf der Johannisstrasse. KURUTA / lacht / MAKROT Ein Komplott Hab ich entdeckt. — Bald bring ich die Beweise. GROSSFÜRST Du Schuft, du willst, ich sollte in den Kot —? MAKROT Es fallen über Hoheit Worte, — leise Doch schmutzge Worte. GROSSFÜRST Ist das, Lump, ein Grund, Um mich mit diesem Unrat zu bewerfen? MAKROT Bitterkalt wars, — mich hungerte, — ich stand Auf meinem Platze, rührte mich nicht fort; Mit Wollust hascht ich jedes ekle Wort, Das seinen Weg zu meinem Ohre fand, Und wiederholte mir im Geiste: Bleib, Bleib noch ein bisschen, warte noch und lausche, — Bedenk, du stehst ja nicht zum Zeitvertreib, Empfängst Dukaten hinterher — zum Tausche Für jede Botschaft, — goldene Dukaten. GROSSFÜRST Nun und? — Was denn? — Was bringst du also? — Was? MAKROT Nur immer lauschen, — bis zum Halse waten In Schmutz und Ekel; — was bedeutet das? Ich leb davon und — Eure Hoheit zahlen. GROSSFÜRST / wirft ihm Geld hin / Da nimm und sprich. MAKROT „Er hat sich mit dem Bruder Wieder versöhnt, — und spielt jetzt nur Komödie, — Vom Zaren kam ein Brief, — noch heute gilt es”, — Sehn Eure Hoheit hier auf meiner Stirn Die Tropfen … GROSSFÜRST Sprich. MAKROT „Schlagt heute noch dem Luder Den Schädel ein.” GROSSFÜRST Mir?! MAKROT Nun, ich denke. GROSSFÜRST Weg! — Mir!? MAKROT Klar, — da ja noch anderer Beweis Vorhanden ist, dass heute — noch so manches Sich soll ereignen und — man ferner weiß, Auch was und wo — und muss doch dran ersticken. GROSSFÜRST Was denn? — Was? — Scher dich weg! — Doch halt. — Nein, bleibe Noch. Ich erteile dann Befehle. — Ach, Wie angenehm ich mir die Zeit vertreibe, — Und ihr, — ihr ängstigt mich. Soll ich denn nie, Niemals zur Ruhe kommen, stets in Schach Gehalten werden. — Wer hält mich in Schach? Ihr. — So ein Wahnsinn. — MAKROT Zu den Gräbern wandern ln Scharen sie und beten dort am Tag Der nationalen Trauer, wie sie's nennen. Da geh ich mit und singe mit den andern — Und wein auch mit, — nun ja, man muss das können. Und im Notizbuch schreib ich heimlich fromm Die Namen derer auf, die auf den Knieen Gebete murmeln, weinen — und so komm Ich dem Komplott allmählich auf die Spur, — Dort auf dem Friedhof ohne große Mühen, Da kalter Wind durch schwanke Äste fuhr Und Blätter fielen … — Die Notizen. / Holt Papiere hervor / Wie? — Ein ganzer Stoß? — Wenn Hoheit der Erinnrung Geruhen Raum zu gehen, — November ists … GROSSFÜRST Ja, der November ist gefährlich für Den Polen. MAKROT Und bedeutungsvoll. GROSSFÜRST Du siehst Gespenster. MAKROT Nun, da wir November zählen, Hab ich ein scharfes Ohr. Ists doch die Zeit, Da sich die Toten aus den Gräbern stehlen Und mit den Lebenden wie Brüder — weit Über die Felder wandeln. KURUTA / lacht laut auf. / GROSSFÜRST / lacht / Du Poet. Ein neuer Lamartine vielleicht. — Sieh an, Ein Spitzel und Ästhet, — So? — Ein Komplott, — Und täglich ein Komplott … KURUTA So ist es auch. GROSSFÜRST Und jeden Tag ein neues. KURUTA Jeden Tag. MAKROT An allen Ecken. KURUTA Spinnt sich etwas an. MAKROT Und ist gesponnen. GROSSFÜRST Alles ist verflogen Am Morgen, denn der Nacht Gespensterbann Zerbricht beim ersten Grauen, — Eulen ihr, Ihr Spukgesindel, alles ist gelogen, Ich glaub euch nicht ein Wort, — haha. KURUTA Ja, für Hoheit gibt es keine Furcht, — ich weiß — Der kriegerische Geist, nun ja, — nun gut. — Es muss der Tagsbefehl erlassen werden, Dass alles ruhig bleibe, auch das Blut Und auch der Geist. — Les ich es schwarz auf weiß Erst im Befehl, verfliegen die Gespenster. GROSSFÜRST Spassvogel du. KURUTA Ich bin auf alles schon Gefasst. — Doch wer ist morgen hier der Herr —? GROSSFÜRST Hier herrsche ich. In meiner Gegenwart Von einem andern Herrn — keinen Ton. KURUTA Ich dachte ja nur an den Zaren. GROSSFÜRST Schweig. KURUTA Jenun, — ich dachte nur an einen Staatsstreich. Ich hörte an der Tür, — ganz par hazard, — Oh, ich verstehe, die Idee sie war Genial. GROSSFÜRST Du hast gehört? — Ich lass dich knebeln, In Ketten legen, Schurke. KURUTA Schon Erfährts der Zar. GROSSFÜRST Erfährt nichts. — Du Spion, Ich lass dich hängen. — Ihr Spione alle, Weg, weg von mir — ihr saugt mein Blut, — ein Hund Kommt ihr gekrochen, wedelt, wartet bloß, Mein kaiserliches Blut zu lecken und Ihr leckt und schlampft, ihr habt die Seele mir Umkrallt und lasst sie nicht mehr los. Ihr haltet mich und schleppt mich, — Teufel ihr, In tiefste Nacht. — / Jagt sie beide hinaus / Ich bin allein, — entblößt — Von wo kommt der Erlöser mir? Und wer Wirds sein, der mich erlöst — —? / Feuerschein draußen / Was ist das? — — Eine Feuersbrunst, vorbei, — Erloschen, — wieder sprüht die Garbe Funken. — Kein Laut. — Und immer Nacht, so taub und leer. / Er klingelt. / DER OFFIZIER VOM DIENST / tritt ein, — salutiert. / GROSSFÜRST Was gibt es? DER OFFIZIER VOM DIENST Zum Rapport. — Der Brand gelöscht; — Auf Solec brennt allein noch eine Miete, — Nur etwas Stroh. GROSSFÜRST Strohfeuer, — und erloschen, — DER OFFIZIER VOM DIENST Zurück die vier Schwadronen. GROSSFÜRST Grund des Brandes? DER OFFIZIER VOM DIENST Ist unbekannt. GROSSFÜRST Wie —? — Nichts, — haha, — Gesichter — — Ist unbekannt; gut, — ist ja alles nichts. — — Wer so nach etwas lüstern ist, — — — Was? — — Wie? / Zum Offizier / Einziehn die Wachen. Alles gehe schlafen. DER OFFIZIER VOM DIENST / salutiert; — geht ab. / GROSSFÜRST / klatscht in die Hände. / LAKAIEN / erscheinen in der Tür. / GROSSFÜRST Verlöscht die Lichter. PERSONEN DER DRITTEN SZENE: * Sewerin Goszczynski * Ludwik Nabielak * Erster Fähnrich * Zweiter Fähnrich * Verschworene * Demeter * Kora * Hekate * Eumeniden * Hochzeitsgäste AM DENKMAL SOBIESKIS GOSZCZYNSKI Es rauscht der Wind, ein Schluchzen geht Bei jedem Windstoß durch den Garten… ERSTE STIMME Sie nahen. ZWEITE STIMME Horch, sind das nicht Schritte… DRITTE STIMME Im Schloss verlöschen sie die Lichter. GOSZCZYNSKI Der Nebel fällt. — Bist du es, Bruder? ERSTE STIMME Ich bins. GOSZCZYNSKI Zähl uns. ERSTE STIMME Sind sechzehn Mann. GOSZCZYNSKI Die Bäume klagen, — Harfenklang — Der Garten stöhnt — gespensterbang. ERSTE STIMME Wenn nun der Fürst erwacht…? ZWEITE STIMME Wenn sie nun gar nicht kämen —? GOSZCZYNSKI Unruhe brennt mit Feuersmacht Die Herzen; Wut Entfacht das Blut. Der Schwur, — ein billig Wort — erstirbt! Die Saat verdirbt. ERSTE STIMME Sie kommen… GOSZCZYNSKI Ja, ich höre sie. DRITTE STIMME Es ist die alte Melodie, — Die Bäume rauschen nur. ERSTE STIMME Sie kommen nicht. GOSZCZYNSKI Verzaubert spricht Der Garten —, die Natur. ERSTE STIMME Wir schlagen zu und stechen rings Und spalten rechts und brechen links. GOSZCZYNSKI Die Zweige deckt der weiße Reif, Es breitet sich der Nebelstreif. ERSTE STIMME Sie nahen schon — ZWEITE STIMME Bist du’s? ERSTE STIMME Wie dunkel Es ist. Kein Lichtstrahl von den Sternen… GOSZCZYNSKI Erbarm dich meiner, du mein Gott. — Glaubst du, sie haben die Kasernen Erreicht? ERSTE STIMME Ich denke wohl. GOSZCZYNSKl Mein Tod Ist diese Stille. — Niemand weit und breit. ERSTE STIMME Es rauscht der Wind. GOSZCZYNSKI Es fliegt die Zeit. ERSTE STIMME Zwei Stunden schon vergangen sind, Ich steh im Schnee, dem weißen … GOSZCZYNSKI Schweig. — Flammen schlagen an die Brust, Die Hand zuckt kampfbereit. ERSTE STIMME In das Palais zu dringen, welche Lust, Den Schuft aus seinem Bett zu reißen. ZWEITE STIMME Wenn wir ihn nun ergreifen —? ERSTE STIMME Wenn er zu fliehn vermöchte —? DRITTE STIMME Ein dichter Nebelstreifen Senkt sich hernieder. GOSZCZYNSKI Wie Adler schweben wir im Wolkenmeer. Die Bäume flüstern, — Äste bloß und leer Und Sträucher strohbedeckt. Aus schwanken Träumen aufgeweckt, Stehen gleich uns im Garten Und warten Voll banger Ungeduld. DRITTE STIMME Die Nebel sinken. GOSZCZYNSKI Und der Wind rauscht fort … ALLE Es spricht der Garten… Es steht die junge Heldenschar Im Garten und sie spinnt Gedanken, die gar schmerzlich sind. Die Bäume rauschen seltne Melodien, Die durch den Garten, durch die Herzen ziehen. Das Monument erglänzt in wunderbar Geheimnisvollem Glühen. GOSZCZYNSKI Er weist — — dorthin. NABIELAK Er weist zum Belvedere. GOSZCZYNSKI Als lenkt er unsern Sinn. NABIELAK Er denkt und fühlt wie wir. GOSZCZYNSKI Sieh, wie die Hand ihm bebt. NABIELAK Im Mondenlichte webt Der Bäume Schatten um ihn her, Huscht über seine Schulter bin. GOSZCZYNSKI Wie Schnee so leuchtend weiß steht er… NABIELAK Er weist dorthin, sein Auge lebt. GOSZCZYNSKI Sein Blick bannt mich am Boden fest. NABIELAK Er weiß und fühlt. GOSZCZYNSKI Sieh, er erbebt, Sein Pferd bäumt sich —! NABIELAK Ein Schatten trägt Ihn auf und ab. GOSZCZYNSKI Die Stunde schlägt. Zwei Frauen nahn sich sonderbar, Sie gehen durch die Mitte, durch die Jünglingsschar, Und gehen langsam, eng umschlungen… Gar seltsam das Geheimnis war, Das diese Nacht gesungen. DEMETER ABSCHIED VON IHRER TOCHTER KORA KORA Weh! Orkus führt in dunkle Nacht, In Stürme mich, in Schauer. Erblick nicht mehr der Sonne Pracht, Nicht deine Augen und nicht lacht Dein Mund mir mehr, in Trauer Verlass ich, Mutter, dich. DEMETER Leb wohl, o Tochter, teures Kind; Es wartet Orkus, Orkus wacht, Dass er sein Weib gewinnt. Du trittst ins Reich der Toten ein, Vermählt dem dunkeln Los, Und unentrinnbar, mitleidslos Umfängt dich ewige Nacht. Gedenk der Tränen, die ich weinte, Da noch das Licht mich dir vereinte, Denk meines Kummers, meiner Pein. KORA Es ruft mich Orkus und ich kehre, Die Gattin, heim und kannte nur Ein Glück, da Blum und reife Ähre ln Frühlicht tauchte die Natur, Da ich bei dir, o Mutter, weilte. Es ist vorbei, die Zeit enteilte, Die Abschiedsstunde eint uns beide Noch auf dem Weg zur Unterwelt; Wir ziehen klagend; weh dem Leide, — Ich bin der Unterwelt vermählt. DEMETER Küss mir die Lippen, küss die Augen; Auf deinem Antlitz zuckt ein Bangen, Bin fahles Bahrtuch hüllt dich ein, Und doch blühn Rosen auf den Wangen. KORA Wie kann das Brauthemd mir wohl taugen. Das Tränen spannen, Leid gewebt, Wie kann der Kranz mich glücklich finden, Den Dienerinnen für mich winden Aus Totengrün im düstern Hain? Kann ich dem Schicksalsruf entfliehen? Kann ich entgehn der Hochzeitsnacht? Ich muss in Gattenliebe glühen, Verzaubert durch der Liebe Macht. Ich brenne schon und es umfluten Verschwiegen mich die heilgen Gluten Und meine Sehnsucht ist erwacht. DEMETER Geliebte Tochter, lebe wohl; Der Mutter Herz willst du verschmähen. Nicht werd ich mehr der Haare Fluten Zum Kranz dir flechten, nicht mehr sehen, Wie deine jungfräulichen Glieder Ein schön Gewand und Putz verziert. Du lässt die Mutter, kehrst nicht wieder; — Doch nimmt michs wunder, sieh, wie wird Dein Antlitz purpurn und du glühst, — Liebst du, da du versprochen bist? KORA O Mutter, ich vergeh vor Scham Und meine Brust ein Glühen weitet, Dass mir durch euch die Liebe kam; — Da ihr die Gattin heut geleitet, So brennen meine Wangen heiß. Ja, Mutter, ja ich liebe, — weiß Das eine nur, eins, dass ich liebe. DEMETER Wie kann ich diese Fesseln lösen? KORA Glaub nicht, sie drückten mich zu sehr. DEMETER Doch muss ich dich durch sie verlieren. KORA 0 Mutter, — mit dem Sommer kehr Auch ich zu dir zurück. DEMETER Bis dahin währt es lange Zeit. KORA Bis dahin weil ich fern und weit Als Dienerin und Frau. DEMETER Du solltest mit der Mutter weilen Frei und als Jungfrau, nicht als Magd In Orkus' Schattenreich. KORA O Mutter, du vergisst, wie reich Die Liebe mich gemacht. Die Flammen lodern, lass mich ziehen; Leb wohl, und kommt der Frühling wieder, Will ich im Sonnenlichte glühen. — Ich steig zum Reich der Träume nieder. DEMETER Ins Reich der Stürme zieht es dich, Wo keine Sonne scheint. KORA Jährt nur der blühnde Frühling sich, Sind beide wir vereint. Sie steht von Purpur übergossen. Löst aus der Mutter Arm sich sacht, Und ihre Glieder sind umflossen Von einem Kleid aus Tau und Nacht. Sie steht gar sinnend und die Augen Sind fast mit Tränen angefüllt Und auf der Stirn, der düstern, weißen Und in den Augen kann man lesen, Dass ein Geheimnis sie verhüllt, Das ihr zu hüten war geheißen. Und doch, es scheint, als ob die Träne, Die ihre müden Wimpern feuchtet, Von frohem Glanze wär erleuchtet. Sie hebt den Finger jetzt zum Munde Und gibt der Mutter solche Kunde: KORA Weißt du noch, Mutter, wie im Sommer Ich lachend unter Blumen weilte Und von den Feldern zu dir eilte Im Blumenschmuck und sang und sprang? DEMETER Umsonst sprichst du vom Tag der Freude Am Tag der Tränen, da du heute Verlassen musst des Tages Licht. Da deine Mutter dich verliert, Weil Orkus dir den Brautkranz flicht Und übern Styx dich mir entführt Zum schwarzen Hadesthron. KORA O Mutter, Hymen wird mich leiten Und meinen Hochzeitszug bereiten, Die Hochzeitsfackeln werden lohn. Den Dienern legt er duftge Kränze Aufs Haar und stimmt das Hochzeitslied Im Zuge an, da ich die Grenze Beschreite und die Königin Ins Land der Träume zieht. DEMETER Schlägst dir die Mutter aus dem Sinn; Die Fackeln, die dir flammend leuchten, Erlöschen auch. KORA Im Lenz, da Eiskristalle tauen, Da erster, lauer Windesbauch Das Feld bestreicht, wirst du mich schauen. DEMETER Du gehst, — die letzten Augenblicke Darf ich dich lebend vor mir sehn. KORA Ich geh entgegen meinem Glücke. DEMETER Du gehst den Weg, den Tote gehn. KORA Will ein Geheimnis dir enthüllen: Ich bin nicht arm, der Unterwelt Geräumge weite Speicher füllen Der Saaten und der Früchte viel. Von jeder Frucht den Samen hält Man dort verborgen, jedes Korn Wird aufbewahrt, — ein ewger Born Des ewgen Werdens. Sieh, ich will Ans Licht sie bringen, sie zum Leben Erwecken, dass sie Früchte geben. DEMETER Sieh, alle Triebe müssen sterben, Da nächtens kalte Winde wehen. Sieh, wie entblößt die Bäume stehen. KORA Gedenke, Mutter, früher Saat. Ich muss von dannen, ich muss gehen, Da ich zur Hüterin bestellt Der Saaten bin, sie sammeln muss. Dort unten, tief im Schoss, geschehen Geheimnisvolle Dinge, die Nicht ohne mich geschehen können. DEMETER Du strebst von mir, die Qualen brennen Die Brust mir und mein Herz ist kalt; Du gehst dahin, du fliehst, du eilst… Mein sommerliches Gut verdirbt; Du Mitleidslose, o du teilst Den Jammer, dran das Herz mir stirbt, Nicht und ich bin so arm und alt. KORA Noch ein Geheimnis, Mutter, sei Dir offenbart: Ganz anders ist Mein Land. Da schlummern ewge Kräfte, Aus ihnen regt sich immer neu Der junge Trieb, die frischen Säfte Quellen empor und treiben Blüten. Was lebt, ist dort im Keim gegründet Und wartet, bis das Morgenrot Die Stunde der Entfaltung kündet. DEMETER Doch alle jene, die verblühten, Erleiden sie den frostgen Tod, Den bitter, einsam herben…? KORA Was leben soll, muss sterben… DEMETER Zum Tode führst du alles, was Dir untertan! Was deine Liebe Vermag, erkannt ich nun und das Verkündende Prophetenwort. KORA Wir werden, Mutter, auferstehen Am großen Feiertag der Saat. DEMETER Mein Kind, der Fackelträger naht!! / Hymen kommt an der Spitze des Hochzeitszuges; alle tragen Fackeln, Musik; Kora wird umringt. / KORA Noch dies Geheimnis, Mutter, höre: Die Hand, die alle Grenzen steckt, Vernichtet alles, was da lebt; Doch neues Leben blüht und strebt Aus dem gestorbnen; neuer Trieb Erwacht, zu neuem Sein geweckt. So fasst mich Trauer, da ich scheide, Doch mein Geheimnis füllt mit Freude Mich an und meines Hochzeitskleids Bin ich wohl wert. — Genug des Leids, Der Trauer und der Tränen. DEMETER Du Törin, niemand kehrt zurück Aus jenem Reich, dem Untergang Bist du durch deinen Schwur geweiht. KORA Wenn ich des Todes Macht bezwang, Wenn unter meiner Zauberhand Die jungen Triebe grünen, sprießen Auf Fluren, Wiesen, Ackerland, — Dann darf ich höchstes Glück gemessen; Ich stehe an des Lebens Wiege, Die Tat der Schöpfung, sie ist mein! — Bereite Eggen, schärf die Pflüge… DEMETER Als Lebende den Tod zu wählen, Ist Sünde! KORA / ernst / Die Unsterblichkeit Winkt mir, brech ich den finstern Bann. / Hochzeitsmusik ertönt. / DEMETER Die Nacht entführt ins Reich der Seelen Dich, in die ewge Dunkelheit! KORA / gebieterisch / Tragt mir voran die heilgen Fackeln!! Die Hochzeitsfackeln tragt voran!!! / Der Hochzeitszug ordnet sich um Kora und entführt sie unter Klängen zur Unterwelt. / DEMETER / versinkt im Garten. / ERSTER FÄHNRICH / eilt schnell herein / Peter Wysocki sendet uns. Er selber folgt. GOSZCZYNSKI Wo? ERSTER FÄHNRICH Durch den Nebel. Marschiert zur Kavalleriekaserne, Will sie im Schlafe überraschen. Wo sind die Deinen? GOSZCZYNSKI Hier im Garten. ERSTER FÄHNRICH Mehr sind es nicht? GOSZCZYNSKI Mehr? — Sie genügen. ERSTER FÄHNRICH Die übrigen? GOSZCZYNSKI Umsonst zu warten. ERSTER FÄHNRICH Ich zeige euch den Weg zum Schloss. ZWEITER FÄHNRICH / eilt hinzu. / ERSTER FÄHNRICH Wysocki hat uns zwei euch zugeteilt. Wir kennen jeden Zugang zum Palais. Sorgsam ist jeder zu bewachen, Damit der Fürst uns nicht enteilt. GOSZCZYNSKI Sieh, wie das Blatt im Winde tanzt, Die Bäume rauschen leise. Hast du Patronen? ZWEITER FÄHNRICH In der Tasche. — Verteil sie, nimm. GOSZCZYNSKI Erstürmt Wysocki Auch die Kaserne? ERSTER FÄHNRICH Glückt es ihm, Unvorbereitet sie zu überraschen. NABIELAK Bereit? GOSZCZYNSKI Bereit. ERSTER FÄHNRICH Mir nach! / In der Nähe fällt ein Schuss. / GOSZCZYNSKI Es fiel Ein Schuss! ZWEITER FÄHNRICH So hat Wysocki schon Den Park verlassen. Dieser Schuss War das Signal für euch. GOSZCZYNSKI Dem weißen König unsern Gruß… ZWEITER FÄHNRICH Bereit?! NABIELAK Bereit! ALLE Bereit! Sie eilen hinaus. DEMETER / tritt auf / Wo bist du, Tochter, die du mir gesungen So manches Lied in heller Sommerzeit —? Noch hör ich, wie dein Weinen leis geklungen In nächtger Stille, durch die Einsamkeit. Und weinend hör ich meiner eignen Klagen, Der eignen Seufzer dumpfen Widerhall, Als war es deines Jammers weher Schall. Vielleicht sehnst du zu lichten Erdentagen Dich nicht einmal zurück? Und Liebesflammen Umlodern dich, die Hymen dir entzündet —? 0 Tochter, deiner Mutter Seele findet Die Ruh nicht mehr in ihres Alters Tagen. Muss ich durch lange dunkle Nächte schreiten, Da mir kein Lichtschein blinkt, dein Auge mir Nicht leuchtet, muss ich denn in endlos weiten Und dunklen Nächten für und für Den Tag ersehnen, der die Nacht mir kündet, Und Tag und Nacht allein sein, ohne dich —? Hast du die dunkle Schwelle überschritten, Dahinter Orkus' finstres Reich beginnt, Und bist du mir verloren, teures Kind —? / Rufend / Hekate, Tochter des Titanen, jungfräuliche Lichtbringerin, Trägerin zweier Fackeln, erscheine, die du aller Klage und allen Jammers achtest; die du gegenwärtig bist, da Mütter gebären, die du Einsame beschützest in ihrer Einsamkeit und an den Dreiwegen wachst. Erscheine! / Aus dem Boden steigt herauf / HEKATE / hält Fackeln in den Händen / Hier bin ich! DEMETER Mein Kind ist mir geraubt, entrissen und gefangen; aus meinen Augen hab ich sie verloren, sie war schön und jung; wo weilt sie, wohin ist sie entschwunden, die Erinnerung hab ich verloren, ich weiß nichts mehr und darum ruf ich dich, geh, eile, suche sie; o du, die Geheimnisse der Götter errät und den Menschen den Verstand benimmt, sie mit Wahnsinn schlägt, eile, leuchte mit dem Lichte deiner beiden Fackeln und finde sie, meine geliebte Tochter. / Entfernt sich in den Garten. / HEKATE Zu mir, beflügelte Eumeniden; die ihr des Tartarus weiträumige, zerklüftete Öden bewohnt, auf! Die ihr in Dämmer schreitet, gehüllt in dunkle Wolken, eilet herbei! Ein Unrecht ist geschehen! EUMENIDEN / steigen aus der Erde herauf. / HEKATE Ihr, geboren aus Tropfen Bluts, die auf schwarze Erde fielen; geboren aus dem Blute der Ermordeten, ihr, deren Tränen Blut sind, Ein junges Leben ward geraubt Im vollen Duft der ersten Blüte Und ward entführt in Nacht und Grab Und ward entführt in Finsternis. O seht, ein Unrecht ist geschehen: Und so ist alles tot, verblüht, Erloschen und verblichen; Die Erde ward ein Grab, Die Bäume stehen kahl, Zertreten Frucht und Blume. Auf, Eumeniden, leichtbeschwingte, Ihr heischet Rache, nehmet sie, Ein grässlich Unrecht ist geschehen. Vernichtet ist der Hütte Frieden, Zerstört das Glück des Ehebettes. — Umstrickt mit Wahnsinn jede Seele, Im Wahnsinn sollen Leiber bluten, Die Seelen im Verbrechen glühn, Und sollen Qualen dulden, Martern. Zur Rache auf! Ein Unrecht ist Geschehen! Lasst die Fackeln lodern!! EUMENIDEN Sie entzünden ihre Fackeln, In dem Schein des roten Lichts Glühen ihre Augen wild, Sprühen Funken, spritzen Blut. Um die Häupter ringeln Schlangen, Schlingen sich um Haar und Stirn, Fliehen sich, verstricken sich, Winden und verwickeln sich, Schmerzverzerrt und wutentbrannt Lauschen gierig sie den Worten. HEKATE Nicht eher werde eure Tat Vollbracht, als bis dreimal Der Mond gewechselt hat. Schwört, Flugbereite, dass ihr eher Nicht Frieden gebt, nicht eher ruht, Als bis das Unrecht ist gerächt. Auf! Beißt und brecht, Und stoßt und stecht! Krieg! Krieg! Der Leiber heißes Blut Reiz und beflügle euren Lauf. Stürzt auf die Menschen euch, auf Stirn Und Nacken, saugt das rote Blut Aus Herzen, fresst das Hirn, Auf dass sie heilgen Zorn erkennen, Davon die Götter brennen! Eilt durch den Park und weiter eilt Und fort und fort, eilt durch die Weh, Im Fluge eilt, rachebereit! Die Rache lebt, die Rache frisst! Die Erde sah ein großes Leid Und zitterte. Ein Unrecht ist Geschehen!!! EUMENIDEN / eilen nach allen Seiten durch den Garten. / HEKATE / versinkt. / PERSONEN DER VIERTEN SZENE: * Der Grossfürst * Johanna * General Gendre * Kuruta * Lubowidzki, Polizeipräsident * Offizier der Kürassiere * Kammerdiener Friese * Graf Stanislaus Potocki * Goszczynski * Nabielak * Aufständische * Kürassiere * Lakaien DER SALON IM BELVEDERE / Nacht. Im Garten Mondschein. / GENERAL GENDRE / liegt betrunken auf dem Sofa. / LUBOWIDZKI / geht auf und ab. / GENDRE Bringst du was Neus? — Erhieltest du Berichte? LUBOWIDZKI Zu seiner Zeit — erfährt er die Geschichte. GENDRE Sieh zu, dass er es nicht zu spät erfahrt. — Was gibts denn Neues? LUBOWIDZKI Das, was ich gehört, Erzähl ich nur dem Fürsten. Was scherts dich? GENDRE Du weißt ja nichts. LUBOWIDZKI Behalte es für mich. GENDRE Heb es gut auf, bis es verschimmelt ist. LUBOWIDZKI Ich plag mich für den Fürsten. — He, du bist Wohl neidisch auf den Lohn —? GENDRE Ein Spielchen? Wie? LUBOWIDZKI Bin nicht in Stimmung. — Ja, bei Gott, noch nie War ich so kopflos wie grad heute. GENDRE Für Einen Spitzel schlimm. Glaubst du, der Fürst Hilft ihn dir suchen? Schwerlich wohl und wirst Du noch so gnädig heut von ihm empfangen. LUBOWIDZKI Nur grad heraus, willst wieder Geld von mir. GENDRE Da nimm, du Lump, — Dukaten klangen Dir immer süß; — wo andre hungern müssen, Musst du dich mästen. LUBOWIDZKI / läuft dem Dukaten nach / Die Dukaten ließen Nie mit sich spaßen, — tja — und ein Dukat, Ists auch nicht viel, — bleibt immer ein Dukat. GENDRE Das musst du Gauner ja am besten wissen, Bestiehlst den Fürsten, wo du kannst. LUBOWIDZKI / wirft Gendre den Dukaten wieder hin / Hör auf, Du Säufer, denn du langweilst mich. GENDRE Halt du Dein ungewaschen Maul, — sonst wacht der Fürst Am Ende auf … / Man hört einen unbestimmten Lärm. / LUBOWIDZKI Was gibts? — Man schlägt ans Haus?! Man bricht das Tor auf?! GENDRE Was geht mich das an? — Das ist ja deine Sache. LUBOWIDZKI Man muss den Fürsten wecken! / Stürzt zum Schlafzimmer des Großfürsten. / KAMMERDIENER FRIESE / stürzt aus der Mitteltür / Weckt den Fürsten! / Eilt ins Schlafzimmer. / GENDRE Lasst ihn doch schlafen, — diese Emotion — Wozu —? Gott, was geschehen soll, geschieht Ja doch. — FRIESE / aus dem Schlafzimmer; schleift den Großfürsten, notdürftig bekleidet, durch den Salon zur Mitteltür. / LUBOWIDZKI / im Schlafzimmer / Zu Hilfe! Räuber!! FÄHNRICH / im Schlafzimmer / Du Lump! — Er ist davon!! AUFSTÄNDISCHE / stürzen aus dem Schlafzimmer in den Salon und eiten von dort in die Seitengemächer. / NABIELAK Wer hat die Wache? / Stößt auf General Gendre. / GENDRE / bestürzt / Ich bin unschuldig — NABIELAK Still, du Hundesohn. GENDRE Wisst ihr auch, — wen ihr tötet? dass mein Tod, Verlässt euch euer Glück, euch zu Verbrechern, Zu frechen Mördern stempelt. GOSZCZYNSKI Bist du auch Unschuldig, schuldig bist du voll Durch deine Reden. GENDRE Euer Wort ist — Rauch. Schlag zu, — ich bin bereit. NABIELAK Du willst, ich soll Mir deinen Tod erst überlegen? Auch Das hab ich nun getan. / Durchstößt ihn mit dem Bajonett. / GENDRE O Elend! GOSZCZYNSKI Ruhm! GENDRE Verflucht — NABIELAK Ihr Lumpen. — Du Spieler, Dieb… GENDRE Du Ritter. — Leute, Ihr mordet; glaubt ihr denn, dass Gott mit euch? Auch für euch kommt die Stunde des Gerichts. NABIELAK Sie wird nicht kommen, denn wir sind seit heute Gericht und Richter. Ihr habt ausgespielt. — Du hast dein Teil weg. — GOSZCZYNSKI Komm. — Die andern sind Uns schon voraus. Wir müssen jetzt noch gleich Die Zimmer schnell durchsuchen. / Weist auf die Tür links / Durch die Tür. Gib acht, dass wir uns in dem Labyrinth Von Zimmern nicht verirren. — — Hm, — geschlossen. NABIELAK Stoß auf. GOSZCZYNSKI Es hält wer fest. NABIELAK Stemm dich dagegen. GOSZCZYNSKI Wart. Ihrer Hoheit Zimmer, — war es möglich —? NABIELAK Ich helfe mit, — stoß zu. — Sie muss sich regen. — Horch, — sinds die andern, die schon wiederkommen —? Die Zeit drängt. Wär es ihm gelungen, sich In Sicherheit zu bringen —? AUFSTÄNDISCHE / stürzen durch die Mitteltür herein zur Schlafzimmertür hin. / GOSZCZYNSKI Sieh, man leistet Mir Widerstand. NABIELAK Schlag mit dem Kolben zu! GOSZCZYNSKI Jetzt flog der Riegel vor, — der Schlüssel knarrte — / Lauscht / Ich höre Schritte, — man enteilt — — NABIELAK Schlag zu! GOSZCZYNSKI Was ist das? NABIELAK Wer steht auf der Schwelle —? / Die Tür geht auf; Kerzenschimmer dringt in den Salon. / JOHANNA Ich bin des Fürsten Gattin. GOSZCZYNSKI Polin. JOHANNA Mörder. NABIELAK Bist du des Schurken Gattin, — traf dichs schon. JOHANNA Zurück, — nur über meine Leiche hier Hinein. GOSZCZYNSKI Wahnsinnge Puppe, Löwin an Gefühl, Oh, wie ich dich verachte. JOHANNA Wie vor dir Mich ekelt. NABIELAK Du hast im Zimmer ihn versteckt, — Den Feigling — und wir werden ihn doch fangen. JOHANNA Hinweg von hier, — oh, wie seid ihr gemein. GOSZCZYNSKI Schweig, — denn wir gehn auch ohnedies. — Behalt ihn nur, — den Gatten; — Weib, du weißt Nicht, dass gemeine Liebe dich befleckt, Dass du viel schöner wärest, wärst du: Judith. JOHANNA Polin bin ich, — da Gott mich lieben hieß, So lieb ich und verteidge Schritt für Schritt Den, den ich liebe, mag mein eigen Haus Dabei in Flammen stehn. GOSZCZYNSKI Hier liegt ein Mann, Verwundet. JOHANNA / eilt zur Leiche Gendres / Gott! NABIELAK Er war besinnungslos. JOHANNA Ach, der? — Er war betrunken — / Man hört Schüsse. / NABIELAK Was war das? GOSZCZYNSKI Es fielen Schüsse. NABIELAK Und ein Stampfen, — Hufschlag — JOHANNA Des Fürsten Kürassiere. NABIELAK Wir sind hier Allein, — die Unsern sind bereits geflohn. / Eilt zur Tür im Hintergründe rechts. / GOSZCZYNSKI / eilt ihm nach / JOHANNA Nicht dort hinaus, — GOSZCZYNSKI Was soll der Hohn?! JOHANNA Und rast ihr Helden auch, die ihr die Tat Auf eure Fahnen schriebt, ihr seid doch Helden, Darum will ich euch retten. Hier hinaus, Durch diese Türe. / Weist auf die Tür zum Schlafzimmer. / NABIELAK So ist er nicht dort!? JOHANNA Beeilt euch! GOSZCZYNSKI Sie sind schon im Hofe. Fort! / Eilen hinaus. / JOHANNA Ah, eine Leiche sperrt den Weg Zum Schlafgemach. GROSSFÜRST / eilt aus dem Hintergründe links; fällt ihr zu Füßen / Du Polin, — Polin! JOHANNA Memme! GROSSFÜRST So würdest du jetzt lieber mit Gefühl An meiner Leiche ein Nocturno spielen, Wenn die mich dort gemordet hätten —? JOHANNA Wie deinen Treuen, der da fiel. GROSSFÜRST Mein treuer Hund, — schon tot, — und schon verfärbt — Ah! Weg mit ihm! LAKAIEN / tragen den toten Gendre und Lubowidzki hinaus / JOHANNA Verbindet seine Wunden. GROSSFÜRST Er ist schon tot, — verreckt, — ah, — ah den Hunden Ein Leckerbissen; — Blut klebt überall. So säh ich aus … Hinaus mit ihm — tot — tot Und ganz verfärbt, — wie eklig, — er ist weg. Jetzt schreibt der Teufel seine Sünden auf. Er hat verspielt! — Ich — spiele noch und wage Den letzten Einsatz — ah — ah — alles — — Dreck. OFFIZIER DER KÜRASSIERE / tritt ein, salutiert / Euer Hoheit! Die Rebellen sind entflohn. GROSSFÜRST Entflohn!! — Ha ha ha — auch er? — Auch der Vom Monument? Auch fort — ganz fort — — So sage… / Seine Stimme versagt, er taumelt. / OFFIZIER DER KÜRASSIERE Wer? Kaiserliche Hoheit? JOHANNA Wen meinst du? GROSSFÜRST Ah! — Wie sein Pferd die Nüstern bläht, es schäumt Und weißer Schaum und Blut befleckt mein Hemd. Er sitzt zu Ross, — der weiße König, weist Mit seinem Marschallstab auf mich, — es bäumt Das Pferd sich auf, setzt auf mich zu, es stemmt Die Hufe mir vor meine Brust und reißt Sie auf, — und quetscht und tanzt auf mir herum. — Der weiße König dort schreit mir ins Ohr: Heliodor!!! / Sinkt zu Boden / Zu Hilfe! KURUTA Alle Teufel. JOHANNA Jesus Maria! — Hilf — er stirbt. GROSSFÜRST Riecht ihr Den Schwefel in der Luft? Es riecht nach Schwefel — LAKAIEN / bringen die Uniform des Fürsten. / ERSTER LAKAI / reicht ein Kleidungsstück / Geruhen Eure Kaiserliche Hoheit… ZWEITER LAKAI / mit einem anderen Kleidungsstück / Geruhen gnädigst… ERSTER LAKAI Eure Hoheit… Hier Der Ärmel, nun der zweite, — so… ZWEITER LAKAI / mit dem Beinkleid / Jetzt noch das Beinkleid, — Hoheit — darf ich bitten… ERSTER LAKAI Das Ordensband… ZWEITER LAKAI Der Stern. ERSTER LAKAI Und hier der Degen. GROSSFÜRST Wer seid ihr —? ERSTER LAKAI Euer Hoheit… ZWEITER LAKAI Treue Diener. GROSSFÜRST Mir war doch, — als ob tausend Teufel mich Umkicherten. JOHANNA Beruhige dich, — GROSSFÜRST / setzt den federbuschgeschmückten Hut auf / Wie ruhig Du bist! — Du Schlange, — Herrliche! — Hast wohl Mit ihnen konspiriert? JOHANNA Mit wem? — Du Narr, Du phantasierst. GROSSFÜRST Mit ihm. — Hast konspiriert Mit ihm, dem weißen König. JOHANNA Ah, du kannst Noch spotten, meine Brust zerreißt der Schmerz Um diese heutge Tat, — sind es ja doch Die Meinen. GROSSFÜRST Deine Brüder!! JOHANNA Du bist toll. GROSSFÜRST Ich bins. — Doch weißt du, wer mich toll gemacht! / Zieht den Degen / Ich zog den Degen heute — Nicht zum Scherz! / Eine Kavallerie-Abteilung betritt den Salon. / GROSSFÜRST / kommandiert / Halt! JOHANNA Gib Befehle. GROSSFÜRST Polin. — Zauberin. Wer hat auf deinen bleichen Wangen Der Hölle Glutensturm entfacht? — Die Hoffnung. Myriaden Schlangen Treiben in deinen Augen jetzt ihr Spiel. Glaubst du vielleicht, sie werden … JOHANNA Siegen! GROSSFÜRST Du Polin. — Brütest Rache, kennst nur dies Gefühl! Du meinst wohl gar, ich werde … JOHANNA Unterliegen!!! GROSSFÜRST Ah! — / Eilt auf sie zu, um sie zu schlagen. / JOHANNA / fällt bewusstlos in die Arme ihrer Damen. / GROSSFÜRST Vraiment, — c'est une dame. Je deviens Polonais, — und ich kämpfe. KURUTA / salutiert / General Potocki mit dem Regiment Hat das Palais umzingelt, — die Kanonen Sind aufgefahren. GROSSFÜRST / in höchster Angst / Wie? — Umzingelt!! — Mein Potocki?! KURUTA / lacht / Nein, er kommt zu Hilfe. GROSSFÜRST Wie? Zu Hilfe? — Wie gemein. — Ach so, — — Nein, nein — Charmant garçon. STANISLAUS GRAF POTOCKI / tritt ein / Bon soir, mon ami, cher prince! GROSSFÜRST Que dit-on De moi? — Varsovie va se taire! On parlera de vous auprès de l'empereur. Donnez l'ordre, mon vieux-beau — que la Pologne meurt! Marchez, — sur Varsovie, — et massacrez tout! POTOCKI / schweigt; düster. / GROSSFÜRST Comment? — Tu restes muet? / Zittert; blickt auf Johanna; schreit in höchster Angst / So wach doch auf, — du!! PERSONEN DER FÜNFTEN SZENE: * Ein Schauspieler * Erster, Satyr * Zweiter, Satyr * Dritter, Satyr * General Chlopicki * Leutnant Zajonczkowski * Leutnant Dombrowski * Nike der Napoleoniden * Offiziere * Publikum * Bühnenarbeiter * Volk IM THEATER ROZMAITOŚCI / Der Bühnnraum von hinten gesehen. Rückwände der Dekorationen; im Hintergrunde ist der Vorhang heruntergelassen. Satyrn aus einem Ballett, das getanzt werden soll, hängen Kulissen auf und plazieren Versatzstücke. Schauspieler im Kostüm ihrer Rollen. / SCHAUSPIELER / auf der Bühne, hinter dem Vorhang; sagt an / Wir spielen eine Posse mit Gesang! PUBLIKUM / im Zuschauerraum hinter dem Vorhang / Ja, mit Gesang! SCHAUSPIELER Mit Kudlicz als Mephisto! PUBLIKUM Hoch Kudlicz! SCHAUSPIELER Zwischendurch auch ein Couplet, Wie’s grade passt, — so a propos. PUBLIKUM Kudlicz! Couplets! SCHAUSPIELER Wir fangen an! / Tritt ab, der Vorhang geht auf; man sieht den erleuchteten Zuschauerraum. / PUBLIKUM / in den Logen und im Parterre, in reger Unterhaltung, steht in Gruppen, ohne sich um die Vorgänge auf der Bühne zu kümmern; auf der Bühne Fausts Studierzimmer / FAUST / beschwört. / MEPHISTO / steigt aus der Versenkung empor; Pantomime; Mephisto macht beschwörende Gesten, es erscheint / VENUS-HELENA / einen Pokal in der Hand. / FAUST / kniet vor der Erscheinung. / MEPHISTO / nimmt den Pokal entgegen. / VENUS-HELENA / verschwindet. / MEPHISTO / reicht Faust den Pokal. / FAUST / trinkt; sein schwarzer Mantel fällt ab; er steht verjüngt da. Ein Gazevorhang geht nieder und verdeckt den Zuschauerraum; auf der Bühne Umbau; Zwischenaktsmusik. / ERSTER SATYR / springt am der Kulisse, weist aufs Publikum / Was denken die? — ZWEITER SATYR An andere Sachen. Nicht daran, was wir oben machen. ERSTER SATYR So müssen wir was Neues bringen, Die sollen staunen — ZWEITER SATYR Ha ha ha. ERSTER SATYR Pass nur gut auf, es wird gelingen Das lustige Allotria. Ich also bin der Großfürst, — du Der Grieche und mein Ohrenbläser. ZWEITER SATYR / reicht ihm einen Frack / Der Frack! ERSTER SATYR / ziehtden Frack an / Bind mir die Schärpe zu! / im Befehlston / Die Pfoten weg! ZWEITER SATYR / kichert / ERSTER SATYR Halts Maul! Steh still! / Ducken sich hinter die Kulisse; inzwischen ist der Umbau beendet; die Bühne stellt den Platz vor dem Dome vor; der Vorhang geht auf und enthüllt den Zuschauerraum. / GRETCHEN / tritt aus dem Dom. / FAUST / nähert sich ihr / Mein schönes Fräulein, darf ich wagen, Meinen Arm und Geleit —? GRETCHEN Ich danke sehr. FAUST Will Ritterdienste Euch antragen, Als Eurer Tugend Schirm und Wehr. GRETCHEN Ich bitt Euch, lasst mich schon allein. FAUST Wie kann man so hartherzig sein? GRETCHEN Ich werde weich, wenn Ihr Euch trollt. / Sie gehen vorüber. Nach ihrem Abgang springen die Satyrn auf die Bühne; leise Musik. / ERSTER SATYR / als Großfürst / Was sagen denn die Polenmädchen Von mir? Sie sind bei Gott nicht faul! ZWEITER SATYR / als Adjutant Kuruta / Sie singen überall im Städtchen, Hoheit hätt ein Kalmückenmaul. ERSTER SATYR Was sagen denn von mir die Polen? Raus mit der Sprache, du Genie. ZWEITER SATYR Sie reden —, mags der Teufel holen… ERSTER SATYR Wovon?! ZWEITER SATYR Von Hoheits Idiotie. ERSTER SATYR Wer sprach davon? ZWEITER SATYR Ich habs vergessen. ERSTER SATYR Verdienstkreuz erster! — Weißt du’s nun?! ZWEITER SATYR / weist ins Publikum / Wenn Eure Hoheit denn geruhn Gnädigst gewahr zu werden dessen — Dort im Fauteuil. ERSTER SATYR Chłopicki? ZWEITER SATYR Stimmt. PUBLIKUM / steht von den Plätzen auf, wird neugierig; der Gazevorhang fällt; auf der Bühne Umbau. / SATYRN / verschwinden in den Kulissen; Zwischenaktsmusik. / SCHAUSPIELER / läuft wütend auf der Biihne umher / Der Vorhang sollte doch gleich fallen Nach Faustens Abgang, — Schweinerei! Wo steckt der Kerl vom Vorhang wieder?! ERSTER SATYR Siehst du wohl, unsere Spielerei Hat ihm nicht sonderlich gefallen. SCHAUSPIELER Mir war doch, als ob jemand spielte?! ERSTER SATYR Ihm war so —! ZWEITER SATYR Gott, wie ist er bieder, Erkannte meinen Bocksfuß nicht. SCHAUSPIELER / zu den Statisten / Antreten bitte zum Ballett! Und achtgegeben auf mein Zeichen! ERSTER SATYR / zum zweiten / Vergiss nicht, mir den Helm zu reichen. Ich werd so tun, als fehlt mir was. Ein Legionär wird dann auf Richt Euch stramm in Reih und Gliede stehn. Ich werde fluchen, werde blass Vor Wut und reiß die Achselstücke Herunter; du wirst dieses sehn Und dich so räuspern: / räuspert sich / Hm, hm, hm. / Der Umbau ist inzwischen beendet; die Bühne stellt einen öffentlichen Platz vor; der Vorhang geht auf; der Zuschauerraum wird sichtbar; auf der Bühne Bürger und Bürgerinnen; wandeln auf und ab. / SATYRN / ein Teil der Satyrn erscheint hinter den Kulissen im Zuschauerraum im Parterre. / DRITTER SATYR / hinter dem Sessel Chłopickis / Weißt du noch auf dem Sächsischen Platze, Wie vor der Front Hoheit der Großfürst und Thronerbe Wie toll umhersprang, stampfte und stieß, Kaum vor Wut sich noch halten könnt, Und dann einem die Achselstücke Schäumend und rasend herunterriß Und mit den Füßen im Kot zertrat? — Da ward es still… Du aber blicktest von weitem zu, — Räuspertest dich… CHŁOPICKI / räuspert sich laut. / DRITTER SATYR Plötzlich wandte er sich dann um Und der Degen in seiner Hand Zitterte, denn aller Augen waren Auf dich gebannt… PUBLIKUM / wird auf Chłopicki aufmerksam. / DRITTER SATYR Er erkannte dich und wurde rot, Brummte dann etwas vor sich hin, Spornte sein Pferd und ritt davon. Und die Parade war aus. SATYRN / lachen / Haha — haha Beinahe ward er toll. DRITTER SATYR Denn er hat Angst vor dir, der Heiduck. VIERTER SATYR Blickt da empor und sieht Chłopicki. / Auf die Bühne kommen Statisten in Gardeuniform und stellen sich in zwei Reihen zu beiden Seiten der Bühne auf; bilden so ein Spalier für das Ballett; die Musik spielt eine Ballettweise. / ERSTER SATYR / der den Großfürsten vorstellt, stürzt mit dem bloßen Degen in der Hand auf die Bühne und läuft die beiden Reihen der Soldaten ab, indem er mit dem Degen die Richtung prüft; als er sieht, dass ein Soldat den Helm eines polnischen Soldaten trägt, droht er ihm mit der Faust, fuchtelt mit den Armen in der Luft herum, reißt ihm die Achselstücke ab, schleudert sie zu Boden, tritt sie mit Füßen; — Stille. / ZWEITER SATYR / in einem weiten Mantel und Zylinder, in Kleidung und Gebaren den General Chłopicki vorstellend, räuspert sich. / ERSTER SATYR / der den Großfürsten vorstellt, stürzt bei diesem Räuspern von der Bühne. / PUBLIKUM / lacht laut auf. / DRITTER SATYR / hinter dem Sessel Chłopickis / Seine Hoheit wurden rot Und ganz Warschau lachte. SATYRN Hahaha, — hahaha — PUBLIKUM Hahaha — hahaha — ERSTER SATYR / in den Kulissen / Vorhang!! SCHAUSPIELER / in den Kulissen / Was gibts?! PUBLIKUM Da capo! da capo! / Der Gazevorhang fällt wieder; Zwischenaktsmusik. / SCHAUSPIELER / stürzt wütend auf die Bühne / Wer ist hier Herr!! ERSTER SATYR / in den Kulissen / Das war ein Spiel! PUBLIKUM / hinter dem Vorhang, unsichtbar / Bravo!!! ERSTER SATYR / kommt auf die Mitte der Bühne, triumphierend / Das Publikum ruft. PUBLIKUM Da capo! da capo! SCHAUSPIELER / verzweifelt / Man macht uns das Theater zu!! ERSTER SATYR / spottend / Das wäre ne Schande! SCHAUSPIELER Rede du! — / Zu den Satyrn / Ihr solltet tanzen, denke ich!? ERSTER SATYR / aufgeblasen / Mein werter Freund, Sie irren sich, Sie können uns nicht kommandieren! ZWEITER SATYR / lachend / Jedoch du kannst uns engagieren! SCHAUSPIELER Wer seid ihr denn!!? ERSTER SATYR Ich bin ein Gott! Und spiele so, wie mirs gefällt! SCHAUSPIELER Bis dich der Teufel mal beim Wickel halt! ERSTER SATYR In mir erblickst du die Person, Die mit den Menschen sich will amüsieren!! / Die Musik wird leiser. / ZWEITER SATYR / beschwichtigt den Schauspieler / Das Spiel beginnt. SCHAUSPIELER / sieht sich um / Wie? Ist denn schon Auerbachs Keller, in der Ecke Fehlt ja das Weinfass!! ERSTER SATYR / zum zweiten / Komm und stecke Dir auch die Maske vor! / Der Umbau ist inzwischen beendet; Auerbachs Keller. Der Vorhang geht auf; auf der Bühne sitzen und liegen betrunkene Studenten auf Stühlen und Bänken herum und zechen inmitten von Fäsern. / STUDENTEN / singen durcheinander / MEPHISTO und FAUST / kommen zur Mitte der Bühne. / MEPHISTO / zu Faust / Hör nur gut zu, — und eins zwei drei Liegt dir die Dirne schon im Arm. Drum frisch ans Werk. FAUST Wie solls gelingen? MEPHISTO Mit Gold. Des Goldes Melodei Wird auch dem Mädchen lieblich klingen. FAUST Ich hab kein Gold. MEPHISTO Was tuts? Der Schwarm Der Geister ist zu meinen Diensten. Und hast du Lust, so zeige ich Sogleich ein Beispiel dir von meinen Künsten. / Er beschwört; es erscheint / PANDORA / ein Kästchen in den Händen. / MEPHISTO / nimmt ihr das Kästchen ab. / PANDORA / verschwindet. / MEPHISTO / reicht Faust das Kästchen / FAUST / öffnet es und betrachtet die Kleinodien. / MEPHISTO So kriecht der Mensch in jene Maschen Des Netzes, das ich ausgespannt. Geh jetzt zu ihr, — sie wartet liebentbrannt, Und reichts nicht aus, so füll ich deine Taschen. FAUST Wie viele Seelen hast du schon verführt, Dass sie vom Golde trunken waren? ERSTER SATYR / in Maske, inmitten der Zechenden / Tagtäglich werden Orden dediziert. ZWEITER SATYR / gleichfalls in Maske / Den Zaren machte Gott zum Zaren. ERSTER SATYR Den Rest der Nacht will ich mich nun ergetzen, Mich heut am Wein, morgen am Blute letzen! ZWEITER SATYR Sein Ordensband will ich zur Schlinge winden Und ihn erwürgen, heute finden Mich Lieder lustig, Lieder froh! STUDENTEN / singen / Tralalala — tralalala. Lalalalala! ERSTER SATYR Schwört, das Geheimnis zu bewahren. ZWEITER SATYR Die Maske deckt uns heute. ERSTER SATYR Doch morgen mit dem Frühlichtschein Erkennt man uns, ihr Leute. ZWEITER SATYR Beim Fürsten halten wir die Wache. ERSTER SATYR Und stoßen zu, — ins Herz hinein. Wir rechnen ab am Tag der Rache! ZWEITER SATYR Der Zar ist nicht mehr Zar! STUDENTEN / betrunken; singen / Tralalala. Tralalala. Tralalala — Juchhe!! / Der Gazevorhang fällt; Zwischenaktsmusik; auf der Bühne Umbau. / SCHAUSPIELER / zu den Satyrn / Ich weiß nicht, was das alles soll!? Das Spielgeld werd ich Ihnen kürzen. ERSTER SATYR Scheint dir jetzt alles noch so toll, So wirst du morgen alles dies verstehn! ZWEITER SATYR Dass Sie sich bloß nicht in Unkosten stürzen! SCHAUSPIELER / zu den Theaterarbeitern / Ich bitte, auf die Herren achtzugeben, Sie stören mich hier immerzu. ZWEITER SATYR / stampft auf die Versenkung und gibt damit das Zeichen, sie herabzulassen. / ERSTER SATYR Nur einen Augenblick und du wirst schweben Hinunter in der Tiefen kühle Ruh. SCHAUSPIELER / versinkt mit der Versenkung, auf die er aus Versehen getreten ist. Inzwischen ist auf der Bühne der Umbau beendet; die Bühne stellt den Garten bei Gretchens Hause vor; der Vorhang geht auf, man sieht wieder den Zuschauerraum. / SATYRN / ducken sich hinter die Kulissen. / MEPHISTO und FAUST / treten auf. / FAUST / legt ein Kästchen aufs Fensterbrett. / MEPHISTO und FAUST / verbergen sich hinter den Sträuchern. / GRETCHEN / erscheint im Fenster, erblickt das Kästchen, öffnet es, entnimmt ihm die Kleinodien und legt sie zögernd an / O diese Pracht, Wie's blinkt und lacht Mich an. — O sieh… MEPHISTO Das hast du gut gemacht. Sieh, wie sie greift, Ihr Auge schweift Gar lüstern im Betrachten. Geh nun heran, Ein solcher Mann Wie du wird nicht vergebens schmachten. / Summt / Zähl, mein Mädel, zähl die Steine, Morgen kommen wir ins reine. GRETCHEN / zu Faust / Lieber Herr, Ihr habt mir dies geschenkt; Ist denn alles das für mich? FAUST Was die liebe Unschuld denkt! Lass dich lieben, — küssen dich! GRETCHEN Ist mir doch, als ob Ihr, Herr, Immer mich geliebt. Liebt Ihr mich auch wirklich sehr — , Und nur mich? FAUST Du bist betrübt? Sag, was ists? GRETCHEN / auf Mephisto deutend / Wer ist der Mann? FAUST Mein Diener ist es. GRETCHEN Lass ihn gehn… FAUST Damit du und ich alsdann — Ungestört…? GRETCHEN So lass ihn stehn. / In der Umarmung ab. / MEPHISTO / singt zur Laute / Jahre eilen, Jahre schwinden Und die Jugend flieht. Der nur kann das Leben finden, Der aus allen heißen Sünden Glutenschauer trunken zieht. Wangen welken, Lippen bleichen, Schelm! wer in den vollen, reichen Kelchen nicht das Leben sieht. PUBLIKUM / erkennt Kudlicz in der Rolle des Mephisto / Kudlicz! Couplets! KUDLICZ / verneigt sich. / SATYRN / erscheinen an Kudlicz' Seite und verneigen sich gleichfalls. / KUDLICZ / greift einen Akkord auf der Laute, singt / Je protege la loi, l'effronterie enfin je vous permet de vivre; connaissez la grâce suprème: SATYRN „Point des rêveries.” PUBLIKUM / erstaunt. / KUDLICZ / greift einen Akkord / Je protege le viole, l'escroquerie dans des ordres, qui vont se suivre. C'est mon loyale système: SATYRN „Point des rêveries.” PUBLIKUM / wiederholt interessiert / „Point des reveries.” KUDLICZ Quand on vous verra fideles, reptiles, SATYRN / singen / Vous serez invités à la cour. KUDLICZ Vous pourrez marier les dames gentilies, des dames, qui étaient mes amours. Je danserais moi-même fleuri: KUDLICZ und SATYRN „Polonais, point des rêveries.” SATYRN Vive la loi, l’effronterie; c'est Dieu, qui vous donne la raison: „Polonais, point des rêveries.” PUBLIKUM / wird unruhig. / SATYRN / verbeugen sich. / DRITTER SATYR / im Souffleurkasten, hilft Kudlicz ein / Man kann sich mit der Zeit an Sklaverei gewöhnen. KUDLICZ / wiederholt achtlos / Man kann sich mit dem Schmerz, dem Leid aussöhnen; Kann tanzen. DRITTER SATYR Wenns der Zar befiehlt … KUDLICZ Kann lachen, wenns der Zar erlaubt. PUBLIKUM / steht von den Plätzen auf / Was ist denn das, was der da spielt? — Was soll das heißen? — Steht das überhaupt ln seiner Rolle?! / Plötzlich wird im Zuschauerraum die Tür von der Straße ins Parterre aufgerissen, auf der Schwelle steht / NIKE DER NAPOLEONIDEN Zu den Waffen! Zu den Waffen! Wie lange wollt ihr noch die schlaffen Glieder vom Stahl der Ketten schürfen lassen? Seht dort den Kriegsgott in den Straßen, — Er eilt dahin in wildem Lauf Und ruft die Brüder auf Zum Kampf!! / Tritt die Stufen, die vom Parterre in den Saal führen, hinunter. / LEUTNANT ZAJONCZKOWSKI / stürzt unmittelbar hinter ihr von der Straße herein, bleibt in der offenen Tür stehen und ruft / Sie morden unsere Brüder in den Straßen! NIKE DER NAPOLEONIDEN / eilt durch die Mitte zwischen den Parkettreihen hindurch, bis sie vor dem Sitze Chłopickis steht, den sie an der Schulter berührt / Steh auf! CHŁOPICKI / springt auf. / NIKE DER NAPOLEONIDEN Ruhm!! Stehe auf! Fliege empor zu Kampf und zu Sieg! Du nur vermagst das Werk zu vollbringen; Du nur allein wirst Lorbeer erringen, — Aus meinen Händen das blühende Grün! CHŁOPICKI Was ist das? ERSTER SATYR Ein Schauspiel! ZWEITER SATYR Sieh dort! Sie binden Die Russen. PUBLIKUM / springt von den Sitzen auf / Sie morden?! — Man soll sie binden! Wehrt euch! — Erhebt euch, — denn Warschau brennt! NIKE DER NAPOLEONIDEN / zu Chłopicki / Steh auf und lass deine Stimme erschallen, In deinem Namen will ich allen, Durch deinen Ruf den Sieg verleihen! CHŁOPICKI / Seine Stimme übertönt den Lärm des Durcheinanders / Ein jeder gehe ruhig jetzt nach Haus! LEUTNANT DOMBROWSKI / betritt mit gezogenem Degen von der Straße her den Saal, an der Spitze einiger Soldaten mit aufgepfanzten Bajonetten. / PUBLIKUM Was ist geschehn?! ZAJONCZKOWSKI General Chłopicki spricht! PUBLIKUM Still! Hört ihn an! ERSTER SATYR Ein Wunder flicht Den Zauberkranz um unsere Sinne. ZWEITER SATYR Man will euch Furcht einjagen! ERSTER SATYR Will euch schrecken! DOMBROWSKI / weist auf einige russische Offiziere im Parkett / Sie sind verhaftet! SOLDATEN / umringen die russischen Offiziere / CHŁOPICKI / von seinem Platze aus / Weg! — Gehorchen Sie! / Auf die russischen Offiziere weisend / Die Herren stehen unter meinem Schutz. / Zu Dombrowski / Ich bitte, sich jetzt zu entfernen! Die Soldaten gehn sofort aus diesem Saal! DOMBROWSKI Sie wissen, scheints, nicht, dass wir uns empört! CHŁOPICKI Erst lernen Sie gehorchen, wenn man Ihnen Befehle gibt. DOMBROWSKI Sie übernehmen die Verantwortung?! CHŁOPICKI Sie schweigen! — Ich befahl. DOMBROWSKI Dass jeder auf Ihre Befehle hört, Sei dieses der Beweis, Herr General. / Zu seinen Leuten / Mir nach! Abteilung marsch! / Geht zur Tür. / SOLDATEN / ihm nach; ab. / ERSTER SATYR Verlacht!!! NIKE DER NAPOLEONIDEN / zu den Satyrn auf der Bühne / Hinweg von hier! — ln diesem Augenblick, Da jeder zu den Waffen greift, dem Sieg Entgegeneilt, — steht ihr auf dem Theater!? / Betritt die Bühne, von Chłopicki gefolgt. / PULIKUBM Wo ist Chłopicki?! NIKE DER NAPOLEONIDEN Er ist fort. PUBLIKUM Er war doch unter uns! ERSTER SATYR Ja, auf mein Wort, Er ist vor euch, ihr Lieben, ausgerissen. PUBLIKUM Dort morden sie! Dort?! — Wo? ZWEITER SATYR Im Belvedere!? NIKE DER NAPOLEONIDEN / hat Chłopicki mit ihren Flügeln verdeckt; spricht deklamierend von der Bühne herab zum Publikum / Geht jetzt hinaus! Des Saales Türen schließen! In alter Ruhe soll das Leben fließen! SATYRN / löschen die Lichter auf der Bühne aus. / PUBLIKUM Seht, — lasst uns gehn, — die Lichter gehn aus. / Verlassen in Scharen das Theater. Der Gazevorhang fällt und verdeckt den Zuschauerraum, der noch erleuchtet bleibt. / NIKE DER NAPOLEONIDEN / jagt die Satyrn fort / Hinweg mit euch! / Reißt ihnen die Lauten aus den Händen und zerschlägt sie. / ERSTER SATYR Verlassen wir dies Haus, Denn diese Zauberin ist toll. / Eilen durch den Zuschauerraum hinaus. / NIKE DER NAPOLEONIDEN / kniet vor Chłopicki / Du bist der Führer, sieh, ich knie vor dir! CHŁOPICKI / hebt sie auf. / NIKE DER NAPOLEONIDEN Reich deine Hand zum treuen Bunde mir! / Sieht ihm in die Augen / Wenn alle dich mit heißen Augen suchen, Umhüllt dich einer Wolke düstres Grau. CHŁOPICKI Ich sehe Kinder mit dem Feuer spielen. NIKE DER NAPOLEONIDEN Dich nur allein hüllt einer Wolke Grau, Wenn alle dich mit heißen Augen suchen. CHŁOPICKI Wie anders dich die stolze Ruhe kleidet. NIKE DER NAPOLEONIDEN Die Menge schreit nach dir, — doch ihren Zielen Gabst du nicht nach. Gewaltge Größe weitet Dich ins Unendliche. CHŁOPICKI O Schwester mein, — Du meisterst meinen Geist. — Mit dir allein Durch Feuerrauch, durch der Kanonen Donner, Durch Sturm und Hagel zu der Welten Enden! NIKE DER NAPOLEONIDEN Dort wo der Ruhm blüht. CHŁOPICKI Ruhm! NIKE DER NAPOLEONIDEN Dich krönt der Ruhm, Bin ich mit dir, — ich bin dein blühnder Ruhm. CHŁOPICKI Und ginge man —? NIKE DER NAPOLEONIDEN Wohin? CHŁOPICKI Dorthin. — NIKE DER NAPOLEONIDEN Was tönt —? CHŁOPICKI Das Werk. NIKE DER NAPOLEONIDEN Nein, — Straßenlärm, — doch hör ich ihn Von weitem gern, an deine Schulter so Gelehnt, — bedeck mein Antlitz mit den Händen Und lausche, wie dort unten tief die Gluten Im Schoß der Erde zucken, wie die Kruste Der Erde birst und steile Flammen schlagen. — Das Werk beginnt, sobald du dich besinnst, Denn nur von dir allein hängt alles ab. Denn du allein bist stark im Glauben, bist Im Werke stark; das Volk wird dich zum Führer Erwählen und wird alle seine Liebe In dich ergießen, seinen einzgen Sohn. CHŁOPICKI Und wankt mein Volk und wird es schwach, so bliebe Noch meine Kraft —?! NIKE DER NAPOLEONIDEN Dein Sieg wird sein so schön, Wie du ihn nie geträumt. Ich sehe schon Dich, Führer, stolz im Siegeszuge gehn. CHŁOPICKI Mein Wille nur wird mich geleiten. Wenn Ich will, so greif ich nach dem Feldherrnstab. Ich spanne Adler mir an meinen Wagen Und wenn ich will, so lang ich mir herab … NIKE DER NAPOLEONIDEN Das Diadem. — Wohlan, du sollst es tragen Aus meiner Hand. CHŁOPICKI Wofern es mir gefällt, Reiß ich allein die Krone von den Sternen. NIKE DER NAPOLEONIDEN So lieb ich dich, mein großer, stolzer Held! / Die Lichter im Zuschauerraum verlöschen allmählich; man hört ein Rauschen. / CHŁOPICKI Was höre ich —? NIKE DER NAPOLEONIDEN Gewaltge Flügel rauschen. Die Schwesternschar dort durch die Lüfte schwebt. CHŁOPICKI Die Fensterscheiben klirren, windbelebt. — Sinds deine Schwestern, die dort fliegen? NIKE DER NAPOLEONIDEN Sie sinds! — Und du und ich, wir tauschen Auge in Auge, Blick um Blick. CHŁOPICKI Eilten sie fort? — Hört ich den Flügelschlag Zu meinen Häupten? Bliebst nur du zurück Und stehst bei mir? NIKE DER NAPOLEONIDEN Es kommt der Schicksalstag, Der dich zum Führer macht. CHŁOPICKI Ich werde siegen, Sofern ich will. NIKE DER NAPOLEONIDEN Willst du, ich leg die Früchte Der Nacht zu deinen Füßen und die Stadt Ist dein —? CHŁOPICKI Ich will nicht. NIKE DER NAPOLEONIDEN Soll in der Geschichte Dein Name leben? Diese Stunde hat Entschieden. CHŁOPICKI Wie? NIKE DER NAPOLEONIDEN So spiel mit mir. CHŁOPICKI Um was? NIKE DER NAPOLEONIDEN Um deine Taten. Deiner Siegesbahn Zeig ich dir jede Tat. Willst du? — So lass Uns spielen. — Gib die Karten. Denn du hast Sie bei dir. — Gib. — Wenn du die roten ziehst, Das Karo oder Cœur, ist dir der Sieg Gewiss, indes die schwarzen, Trefle und Pik, Verlorne Schlachten sind. Willst du, — so spiel. — Nun lass uns sitzen. — Fange an! CHŁOPICKI / wirft eine Karte auf. / NIKE DER NAPOLEONIDEN / blickt gebückt in die Karten / Am dritten Tag wirst du der Erste sein. Gewonnen! Sieh, drei rote Zeichen, Drei Tage, sie sind dein. — Was weiter? CHŁOPICKI / wirft eine Karte auf. / NIKE DER NAPOLEONIDEN Sieh, Schon wieder flammt es rot, — ein Feuerschein Glüht über Warschau, — Flammen ohnegleichen. — Du wirst erregt. CHŁOPICKI / deckt auf. / NIKE DER NAPOLEONIDEN Du sinkst! — Es flieht der Fürst. CHŁOPICKI / deckt auf. / NIKE DER NAPOLEONIDEN Du sinkst! CHŁOPICKI / deckt auf. / NIKE DER NAPOLEONIDEN Kehrst wieder! — / Gibt ihm eine Karte / Jetzt bedenke wohl: Sieg vor den Toren Warschaus. Wirst Du ihn erringen? Wirf und nimm ihn hin. CHŁOPICKI / deckt auf. / NIKE DER NAPOLEONIDEN Verspielt! / Gibt ihm eine Karte / Sieg in des Fürsten Lager und Der Fürst geschlagen?! Wirf. CHŁOPICKI / deckt auf. / NIKE DER NAPOLEONIDEN Verspielt. CHŁOPICKI Verneint Das Los mir —? Gib mir offnes Feld. NIKE DER NAPOLEONIDEN / nickt zustimmend. / CHŁOPICKI / deckt auf. / NIKE DER NAPOLEONIDEN Verspielt! / Durch die Fenster des Zuschauerraumes dringt ein Feuerschein. / CHŁOPICKI Dort brennts! — Durch eine Karte werde es erfüllt! / Deckt auf. / NIKE DER NAPOLEONIDEN Verspielt! / Wirft die Karten zu Boden / Adieu, mein Freund! / Eilt hinaus. / CHŁOPICKI / sinkt nieder. / PERSONEN DER SECHSTEN SZENE: * Der alte Lelewel * Joachim Lelewel * Sein Bruder Prot * Seine Schwester * Xaver Bronikowski * Nike von Chaeronaea * Hermes IN DER WOHNUNG LELEWELS / Ein großes Zimmer im ersten Stock. Links zwei Fenster. Im Hintergrunde eine Tür, die zur Diele führt. Rechts Tür zum Nebenzimmer. An den gelben Wänden Regale aus roh gehobelten Brettern, auf ihnen viele ungebundene Bücher. Tisch, einige Stühle, ein Sofa. Auf dem Tisch eine Lampe, Schreibzeug und Zeichengerät. / JOACHIM LELEWEL / sitzt über den Tisch gebeugt; er hält eine Münze in der Hand, die er durch ein Vergrößerungsglas betrachtet / Was mag das nur für eine Münze sein —? Die Umschrift ist fast nicht mehr zu entziffern. B, O, — Bolesław, — aber welcher? / Legt die Münze beiseite, nimmt ein Buch / Ich will vergleichen … / Es klopft; aus der Diele stürzt herein / XAVER BRONIKOWSKI / atemlos / Bist du, Lieber, da? — Ich lief, was mich die Füße tragen konnten, Mit Mühe nur schleppt ich mich bis hierher. / Unmittelbar ihm nach tritt durch die halb geöffnete Tür Hermes und bleibt an der Schwelle stehen. / BRONIKOWSKI Weißt du, was dort geschieht?! LELEWEL Sprich leise. — Still. Dort drinnen — / weist auf die Tür rechts / stirbt mein alter Vater. BRONIKOWSKI Endlich Schlug uns die heiß ersehnte bange Stunde. Wir leben und das Leben kennt kein Ende. Die Fähnrichsschule machte heut den Anfang. Sie schlugen los und haben schon den Fürsten Gefangen oder ihn getötet. Jetzt Heißts unverzüglich die Regierung bilden. LELEWEL Was sagst du?! — Es bereitet sich schon lange; — Doch heute, — da doch jeder Augenblick Gezählt; — du weißt, was ich für diese Sache Empfinde. — Aber jetzt, da jede Stunde Die letzte sein kaun, — kommt die Müdigkeit, — Schlaflose Nächte — gestern, — ehegestern, — Seit einer Woche hab ich niemanden Gesehen. BRONIKOWSKI Heute morgen in der Kirche Beschwuren sie's — Nabielak nahm den Schwur Entgegen, — übernahm auch den Befehl. In diesem Augenblick, — die ganze Stadt Hat sich empört. Doch morgen schon, — wer weiß … LELEWEL Ein neuer Tag —! Ein Tag! — Seit langem schon War ich bereit, — gewiss, — doch heute — nein, Ich höre nichts von alledem, was du Mir sagst, — denn mein Gehör, es saugt sich fest An jene Wand, — denn dort, jetzt — gleich — wer weiß —? Dort wacht die Schwester, ich muss leise sprechen, — Denn er ist eben eingeschlummert. — Wie Ein Stein liegt diese Botschaft auf der Brust. BRONIKOWSKI O glaube mir, wir brauchen dich, wir können Dich nicht entbehren, — man muss Leute sammeln. — Jetzt in der Stunde, da das Volk erwacht, Willst du beiseite stehn, gleichgültig bleiben? LELEWEL Ihr habt doch andere. BRONIKOWSKI Du hasts versprochen. — Ruf sie zusammen, schreib die Listen aus. — Das, was dich innerlich berührt, muss jetzt Zurückstehn, da ein Größeres dich ruft, Das sich erfüllen muss. LELEWEL Es wird geschehen, Was Gott in seinem unerschütterlichen Willen bestimmt, nicht das, was Menschen sinnen. BRONIKOWSKI / fährt auf / Sie haben nicht das Recht, Herr — LELEWEL Wie das schmerzt — — Gott hat zuerst ein andres Recht geschaffen; Hier ruht mein Recht —, und jetzt in dieser Stunde Kann ich vom Sterbebette meines Vaters Nicht weichen. Und ich werd auch nicht. — BRONIKOWSKI Bist du Von Sinnen? LELEWEL Ich will meine Seele nicht Beflecken, — und das schuld ich meinem Vater, Dass ich bei ihm verweile, bis dass er Den letzten Atemzug getan. Der Gott, Der Tote auferstehen lässt, hat wohl Bestimmt, dass ich beiseite stehen soll Und andere zur Tat berufen, mich Wird er von dieser Sünde lösen. BRONIKOWSKI Soll Ich denn mit leeren Händen gehn —? LELEWEL Du musst Mit leeren Händen gehen. — BRONIKOWSKI Wie entsetzlich Blickst du —? Ich eilte her und außer Atem Stürzt ich herein im Glauben, dass Vernunft Ich finde, dass ich Pallas treffe, dass Die aegistragende bei dir verweilt, — Und sehe, dass du nicht auf Pallas hörst, Nur zitterst, bleich bist, nicht in Gluten stehst, Ein Mann der Tat. LELEWEL Du findest Pallas nicht Bei mir und findest auch die Hoffnung nicht; Durch meines Denkens schwelend Glutenhäufchen Fuhr mir ein Hauch von Chaeronaeas Luft. Drum bin ich bleich und fürchte mich; du findest Bei mir nicht Pallas, nicht die Hoffnung wieder. Ich sehe anderes, — ich sehe Hermes Nackt in das Zimmer treten, seh ihn stehen Auf dieser Schwelle und die Schlange zuckt In seiner Hand; — er lauert, um die Seele Des Menschen zu verführen, wenn noch heute Des greisen Vaters toter Leib mir dort In jenem Zimmer sollt im Arme ruhen. Solange dieser Gott die Schwelle hütet, Wird keine andre Gottheit Einlass finden. Nun richte selbst, mein Bruder, bin ich schuldig — Heut weiß ich nichts, — erinnre mich an nichts, Gestorben ist mir heute alles, — tot, — Nur Tränen würgen mich, — ach — BRONIKOWSKI / geht hinaus. / LELEWEL Lebe wohl! / Lauscht an der Tür des Nebenzimmers, kehrt dann zum Tisch zurück / Bolesław, — aber welcher —? Inschrift, — und Ein Ritter hoch zu Pferd, — mit Schwert und Schild, Ein Schwert zur Seite. — Ja, ein Fund. Ich zeichne Es ab, dann find ich seinen Ursprung leichter Heraus. / Er zeichnet / Der Kopf ist schwer. — Ich sehe schlecht. — Die Umrisse verschwinden vor den Augen. / Hört auf zu zeichnen. / HERMES / geht auf das Nebenzimmer zu. / LELEWEL / in Gedanken versunken / Wer mags nur sein —? Fürst Czartoryski, — hm, — Niemcewicz, — und vielleicht Lubecki —? Ja, Es wird. Man muss den Reichstag einberufen. — Der Finger Gottes. — Es fängt an. — Chłopicki. — Es ist schon spät. / Sieht auf die Uhr / Neun Uhr. HERMES / geht durch die Tür rechts ins Nebenzimmer. / LELEWEL / steht auf, wankt, geht zum Fenster, bleibt einen Augenblick stehen. Geht dann zum Tisch zurück und setzt sich. Die Uhr schlägt neun Schläge. Aus der Tür rechts kommt / HERMES / vom alten Lelewel gefolgt. / DER VATER / folgt Hermes zur Tür im Hintergrunde, bleibt auf halbem Wege stehen, hinter dem Stuhl des Sohnes / Was wartest du? Von dort kehrt niemand wieder. Du lebst und musst nun handeln. Warte drum Nicht länger, — ich bin nur ein Schatten und Verschwinde mit dem ersten Morgengrauen. Ich sinke, wie ein alter Baumstamm sinkt, Der morsch und schwach gar viele Jahre trug. Du lebst, — drum lass das Leben dich umbrausen. Denk an die Tat, vollende sie mit denen Im Bunde, die dir Gott zu Brüdern gab. — Sieh, der Gedanke ist ein Hauch, — erhasche Ihn, — öffne deine Brust und sauge ihn Mit tiefem Atemzuge ein. O sieh, Ein Hauch ist der Gedanke nur, — ein Sturm Weht ihn hinfort — und du bleibst, — arm und leer; Der Morgen kommt und du erwachst und fühlst Den Fluch der Schuld: Der neue Tag erwacht Und ist dem alten gar so fremd … LELEWEL / in Gedanken versunken / Es naht die letzte Stunde meines Vaters, Er kämpft den letzten Kampf und gerade jetzt, Da er zum ewgen Schlummer sich bereitet, Erwacht die Menge, reißt sich los und drängt Zum Frühlicht eines neuen Lebens. Ich Muss abseits bleiben, muss das Feuer hüten, Verschränkt die Arme an dem Grabe stehen, Das meine Hände ihm geschaufelt haben, — Soll ich beim Leichenschmaus mich freuen dürfen? VATER Leb wohl, mein Sohn, weit ist der Weg, ich ziehe ln ferne Lande, in Elysiums Haine, Ins Reich des ewgen Schlafes, und der Blick Wird trübe, nächtger Tau blinkt auf den Wimpern Und kaum vermag ich dich noch zu erkennen. Leb wohl, mein Sohn, — und meine letzte Bitte, Bewahre deine Hände rein vom Blut —! LELEWEL / steht auf / Warum verschränkt die Arme? — Dort, — mein Werk, — Das Zeichen, — letzten Endes Ziel, — — dort, — Blut, — — Hier liegt mein Vater in den letzten Zügen Und ich, — ich weine. Geh, o lass mich frei, Ich bin zu schwach für diese Last, die mich Erdrückt, — ich fleh dich an, — ich will nicht weinen, — Nicht Tränen will ich jetzt vergießen, — Blut, Blut will ich, — Blut, — mein Vater! VATER O bewahre Die Hände rein von Blut. — LELEWEL Blut will ich, — Blut; Die Stimme, — ach, ein Flüstern, — — welch ein Schatten —? Die Scheiben klirren, — grausger Wind, ein Sturm Fegt durch die Gassen. Menschenknäuel winden Sich durch die Straßen — dort, — und hier, — wie müde Bin ich, — so müde, — Schlaf, — ach Schlaf, — so viele Schlaflose Nächte hier, — und dort erwachen Jetzt Menschen, stehen auf, stürmen dahin, — Geboren wird jetzt der Gedanke und Ein Reich wird aufgebaut, — feurige Wehen —! Warum darf ich nicht auch dorthin — —? VATER Ich gehe, — Dein Herz, vermag ich nicht zu retten. LELEWEL Schon Begann das große Werk, ist halb getan. VATER Bewahre deine Hände rein von Blut. LELEWEL Der Freiheit goldner Feiertag, — jetzt gilts — Ein Hauch ist der Gedanke, — weht dahin, — Polen wird dort geboren. VATER Du warst mir Ein treuer Sohn… LELEWEL Fort Tränen, Leid und Schmerz; Das große Werk ergriff schon der Gedanke, — Ein Hauch spielt er dahin und wird, — fort jetzt, Ihr Tränen, fort … VATER Ich geh zur Ewigkeit. LELEWEL Gib mir die Kraft, mach hart mein Herz, den Kummer, Den Schmerz zu überwinden, stark zu sein. Um auch dorthin zu gehen, wo der Kampf Beginnt und Polen jetzt geboren wird Aus heißer Sommernächte glühnden Träumen. VATER / folgt Hermes langsam zur Tür im Hintergrunde / Ich gehe in das Reich des ewgen Friedens. Ade! Ade! Ade! / Verschwindet in der Tür. / LELEWEL / wendet sich um, sieht die Tür offen / Was gibt es —? Kam schon wieder jemand her, Um mich zu rufen —? Was bedeutet das? Der Flur ist leer. / Aus dem Zimmer links kommt / DIE SCHWESTER LELEWELS / bedrückt. / LELEWEL / sieht sie an / Mein Vater!!! / Blickt zur Tür / Meines Vaters Schatten! SCHWESTER / weist auf die Tür des Zimmers, aus der sie gekommen, unsicher, leise / Er schläft, — er schläft — LELEWEL / in Gedanken, leise / Ich weiß, es ist Der ewge Schlaf. SCHWESTER Ich wagte seine Stirne Nicht zu berühren. — LELEWEL / will etwas sagen. / SCHWESTER Leiser… LELEWEL Ihn erweckt Jetzt keine Stimme mehr. Sein Geist ist schon Dahingegangen. / Sie gehen beide in das Zimmer des Vaters, aus dem Lelewel sogleich zurückkehrt. / SCHWESTER / kehrt zurück und bleibt auf der Schwelle stehen / Sahst du? Tränen fließen Aus halbgeschlossnen Lidern noch herab… LELEWEL Die letzten Worte, die er zu uns sprach. SCHWESTER Ich hörte, du warst nicht allein, — ich wagte Nicht einzutreten, doch ich öffnete Die Tür ein wenig. Ging dann wieder fort, Doch nur so weit, um euch zu lauschen. Prot Hab ich erwartet, grad zu dieser Stunde Versprach er mir zu kommen und ich wollte Mit ihm zusammen Vaters Bett erneuern, Denn ich allein vermöcht es nicht; — vorüber Sind nun die Sorgen, — alles ist nun aus, Da seine Seele einging zu dem Herrn. PROT, LELEWELS BRUDER / stürzt strahlend vor Freude durch die offne Tür im Hintergrunde herein. Da er sein freudiges Gefühl in Worte fassen und von den Ereignissen in der Stadt erzählen will, gewahrt er den Bruder und die Schwester, die regungslos dastehen; die Worte ersterben ihm auf den Lippen. / NIKE VON CHAERONAEA / eilt kurz nach ihm herein, verbirgt ihn mit plötzlicher Bewegung der Hand vor den andern und spricht an seiner Stelle / Freude will ich euch künden! Sehet, die Toten winden Kränze aus Rosen!! Die Feinde erliegen, Die Eueren siegen, Zerbrochen die Ketten, Die Freiheit zu retten Wandelt der Tod und mäht. Greift nach der Fahne, sie weht Durch die Lüfte gegossen. Was dich gebunden, Ist nun geschwunden, Der Tod hat auch dich befreit, Nahm dir Sorge und Leid. Auf! — und erwache in Glut, — Sieh, dort draußen fließt Blut, Sieh, dort draußen rauscht zündend die Wut! Seid ihr zu schwach, die Liebe zu knechten?! — Euch kam die Freiheit — aus göttlichen Rechten!! / Trommelwirbel des durch die Straßen ziehenden Heeres. / PERSONEN DER SIEBENTEN SZENE: * Pallas Athene * Ares * Peter Wysocki * Sewerin Goszczynski * Ludwik Nabielak * General Zymirski * Leutnant Czechowski * Leutnant Zaliwski * Graf Stanislaus Potocki * Fürst Adam Czartoryski * Der junge Gendre * Makrot * Ein Gendarmeriecoffizier * Ein Kutscher * Fähnriche * Aufständische * Leute aus dem Volke * Erste Kere * Zweite Kere * Dritte Kere AUF DER STRAßE / Eine enge Gasse, die nach dem Hintergrunde führt und dort in eine breite Straße, die Krakauer Vorstadt mündet. Die Gasse wird von den Rückwänden der Häuser und Gartenmauern begrenzt. Im Vordergrunde zweigt rechts und links je eine Gasse ab; an der Kreuzung eine Laterne. / PALLAS / steht in der engen Gasse, blickt nach dem Hintergrund. Militär zieht in Abteilungen im Hintergrunde von rechts nach links; Trommelwirbel. / PALLAS / tastet sich zur Mündung der Gasse, ruft mit Kommandostimme / Links um! LEUTNANT CZECHOWSKI / marschiert mit seiner Abteilung auf der Hauptstraße / Links um marsch! / Biegt in die enge Gasse ein. Czechowskis Abteilung löst sich vom Gros ab und biegt ihrem Führer nach in die enge Gasse ein; Pallas schreitet ihnen voraus. / CZECHOWSKI Wohin führst du? PALLAS Zum Arsenal! Zahlreiche Bataillone werden Dir folgen. Und mit Feuerstürmen Erweck ich ihren Geist. Hinauf! Empor! CZECHOWSKI Dir nach, du Göttermädchen Pallas! PALLAS Ich glüh in Kraft und in allmächtigem Wollen. Tritt näher her zu mir, mein Freund, Wie ist dein Name? Lass ihn hören. CZECHOWSKI Czechowski. PALLAS Späte Zeiten sollen Ihn nennen. Dieser Tag soll dir gehören Und diese Nacht, — die eine Nacht. Dein Vaterland hat einen Sohn gewonnen! Auf! CZECHOWSKI Vorwärts marsch! — Mein Glaube? — Zar, Dein Königreich, es — war; Zum Arsenal! / Biegen in die Seitenstraße rechts ein, Trommelwirbel. / PALLAS / wendet sich dem Hintergrunde zu, da sie bemerkt, dass das Militär weiter auf der Hauptstraße zieht / Halt! Ihr, — wohin? Steht still! Ihr eilt? Die Mädchen senkten ihre Flügel, Beschatteten den Weg. Verweilt! Ich bin mit euch, wo strebt ihr hin? Ihr spielt mit eurem Leben. Verrat hat euch die Richtung angegeben! Und ihr gehorcht arglos mit gläubigem Sinn. ARES / inmitten des Militärs auf der Hauptstraße / Zum Belvedere! GENERAL ZYMIRSKI / zu Pferde inmitten des Militärs auf der Hauptstraße / Zum Belvedere! ARES Mit Leichen decke ich das Feld! Und siege! PALLAS Du bist von Sinnen. Und dein Wahn Ist Lüge! ARES Trompeter, blast! ZYMIRSKl Signale! Trommeln! / Siegesgöttinnen fliegen über den Häuptern der Soldaten in Marschrichtung. / PALLAS Sie rasen! — Weh! Sie rasen! / Kommt nach vorn. / WYSOCKI / kommt eilends aus der Straße links, bemerkt Pallas / Ach! — Du! — PALLAS Mein Held! Der erste Sieg ist dein! WYSOCKI Sieh, wie der Kürassier mich traf; Auf meiner Wange, — PALLAS Eine Wunde! Das Blut ist frisch, lass es mich trinken. Dein Name lebt, weit über diese Stunde! / Fähnriche marschieren auf der Straße links, bleiben stehen. / PALLAS Nun höre mich, — sie eilen jetzt daher, Und streben blindlings hin zum Belvedere. Ares, der Rasende, hetzt sie und treibt. Und meine Töchter rauschen in den Lüften Und einer Wolke gleich verfolgen sie In stummem Zug das dichtgeballte Heer. Ein einziger nur, — nur einer bleibt Gehorsam meinem Ruf. Er hörte, wie Ich im geheimen warnte, und er führt Im Schutz der dunklen Nacht nun seinen Zug In diese Seitengasse. WYSOCKI Und wohin? PALLAS Zum Arsenal. Eilt auch dorthin, So schnell ihr könnt und teilt die Waffen aus. Schlagt ein die Tore! Hört ihr wohl? FÄHNRICHE Wir hören! GOSZCZYNSKI / kommt aus der Seitengasse links. / DIE VOM BELVEDERE / folgen ihm. / PALLAS Doch ich, allein in Wahn noch nicht verstrickt, Gestatte nun, dass Ares glauben mag, Der Sieg sei sein; Ich aber nur mit euch allein, Bevor sich neigt der Tag, Erobere das Arsenal. Ist dies geglückt, Ist für den Fürsten auch die Stadt verloren, In dem Palais, dem leeren Königsneste Setz Ares ich gefangen und Bereite ihm der Liebe reiche Feste Mit jenem Mädchen, das ich ihm erkoren. Dann geh ich hin, ein Wort aus meinem Mund Zerstört den Liebestraum und weckt sie beide auf. STANISLAUS GRAF POTOCKI / naht im Hintergrund von der Hauptstraße her. / GOSZCZYNSKI Wer kommt —? PALLAS Wohl ein Erlauchter. WYSOCKI Halt. POTOCKI / von weitem / Du steh. / Alte bleiben stehn, er kommt näher und erkennt die Fähnriche / Wohin, ihr Jungens?! PALLAS Seht auf unserm Scheitel Den Stern, den gottgeborner Stolz erhellt. WYSOCKI Geht mit uns, Graf Potocki! Seht die Adler, Sie breiten ihre Schwingen über uns! POTOCKI Sie schweigen!! Ich befehle! WYSOCKI Spielen Sie Nicht mit der Ehre, General! POTOCKI Ich habe Sie Zum Hüter meiner Ehre nicht bestellt. WYSOCKI Ich will Sie ja um alles in der Welt Nicht kränken. Doch ich wünschte mir, Sie wären Ein Beispiel uns an Mut und Rittertugend, Herr Graf, ich wünscht, Sie zeigten sich als Held. POTOCKI Ah! Abenteurer. NABIELAK Knalle ihn doch nieder. WYSOCKI Mein lieber Graf Potocki, auf den Knieen Bitten wir Sie. / Kniet nieder. / FÄHNRICHE und DIE VOM BELVEDERE / stehen unbeweglich. / POTOCKI / lächelt. / WYSOCKI Ich fleh Sie an. O gehen Sie mit uns. POTOCKI / schweigt. / WYSOCKI Wie? Sie schweigen —? FÄHNRICHE Geht mit uns. / Knien nieder. / WYSOCKI Sie schweigen? POTOCKI / wendet sich ab. / WYSOCKI Sie schweigen? FÄHNRICHE / erheben sich / WYSOCKI Gut, — so gehen wir allein! / Laut / Auf, Jungens, auf, schon windet man euch Kränze! Zum Arsenal! Zum Arsenal!! / Er geht von den Fähnrichen und denen vom Belvedere gefolgt in die Seitengasse rechts. / POTOCKI / steht in Gedanken versunken. / PALLAS / tritt vor Potocki hin / Wer bisi du, — dass sie so nach dir verlangen? Bist du so mächtig und vermagst so viel? — Du wagst es, zwischen mich und jenes Ziel, Das mir gesteckt, zu treten, — wagst es? Sprich, Wer ist dein Herr? POTOCKI / zieht die Augenbrauen zusammen. / PALLAS Willst du, dass deine Brüder Ihr Blut umsonst vergießen? Glaubst du denn, Du, du allein entgehst dem Flügelschlage Der Adler, die ich aufgescheucht? Ahnst du die feuerschwangre Macht, Die dieser Nacht Den Purpurmantel reicht? POTOCKI / senkt den Kopf nachdenklich, düster. / PALLAS / berührt ihn mit dem Speer an der Stirn / So nimm Vernunft an. ZALIWSKI / an der Spitze einer Abteilung Soldaten, aus der Gasse links / Es ist Nacht, Lasst Kugeln pfeifen. / Kommandiert / Links um! Marsch! PALLAS Wohin?! ZALIWSKI Zum Arsenal! PALLAS / weist auf Potocki / Sieh! ZALIWSKI Wer ist das?! Steh! Die Parole! POTOCKI / unbeweglich / Wer? — Der Eure! ZALIWSKI / erkennt, salutiert, kommandiert / Achtung! Präsentiert das Gewehr! POTOCKI / zieht den Degen, kommandiert / Gewehr über! Hechts um! Marsch! ZALIWSKI Wir gehn zum Arsenale! / Zaliwskis Abteilung hat auf Potockis Kommando gehört und steht abgewendet, die Front nach dem Hintergrunde. / POTOCKI Vorwärts marsch! / Zaliwskis Ableitung setzt sich in Marsch durch die enge Gasse nach dem Hintergrunde hin. / ZALIWSKI / springt vor seine Abteilung / Wohin?!!! POTOCKI Schweig!! ZALIWSKI Dort hinaus ist ja der Weg Zum Belvedere! — Verrat!! POTOCKI / schiebt Zaliwski mit seinem Degen beiseite / Ich kommandiere! EINE STIMME Die Russen! Gendarmeriepatrouille! / Zaliwskis Abteilung zieht sich in den Vordergrund zurück. Auf der Hauptstraße wird eine russische Gendarmeriepatrouille sichtbar. / ZALIWSKI / zu seinen Leuten / Front! — Geladen! — Legt an. POTOCKI Halt! ZALIWSKI Legt an! Feuer! POTOCKI Halt! ZALIWSKI Feuer!! / Zaliwskis Abteilung schießt nach dem Hintergrund. Die russische Gendarmeriepatrouille schiebt sich in die enge Gasse vor. / GENDARMERIEOFFIZIER Feuer! — Hurra! ZALIWSKI Nieder! / Die Abteilung kniet nieder. Die russische Gendarmeriepatrouille schießt nach dem Vordergrund. / POTOCKI / der unbeweglich stand, fällt, von einer Kugel getroffen. / ZALIWSKI Auf! — Bajonett! / Die Abteilung pflanzt Bajonette auf / Vorwärts marsch, marsch! PALLAS Vorwärts! ZALIWSKI Glaube! — Marsch! Marsch! GENDARMERIEOFFIZIER Geladen! Feuer! / Schüsse fallen auf beiden Seiten, mehrere von Zaliwskis Leuten fallen. Die Abteilung rückt in die enge Gasse vor. / PALLAS / eilt nach dem Hintergrund / Blut! Blut! / Die russische Gendarmeriepatrouille zieht sich zurückgedrängt in den Hintergrund zurück. Die Abteilung Zaliwskis verschwindet in der Hauptstraße. / VOLK / stürzt aus der Gasse links und schleift Makrot mit sich / Spion! Spion! Hängt ihn! Reißt ihn in Stücke! MAKROT Erbarmen! Habt doch Mitleid! VOLK Spion! Spion! Hängt ihn! Reißt ihn in Stücke! MAKROT Erbarmen! Habt doch Mitleid! DER JUNGE GENDRE / in der Uniform eines russischen Offiziers stürzt aus der Gasse rechts / Zurück! Zurück! VOLK / weicht zurück / MAKROT Barmherziger! / Klammert sich an Gendres Knie, blickt ihm, der sich über ihn neigt, scharf ins Gesicht; plötzlich / Wisst ihr auch, wer das ist?! Das ist der Sohn Des Schurken, des gemeinsten Galgenvogels. Sein Vater ist des Großfürsten Vertrauter. Schlagt ihn doch tot! / Stürzt sich auf den jungen Gendre / Du Hund! Du Hund! Du Hund! DER JUNGE GENDRE / zieht den Degen. / VOLK / entreißt ihm den Degen und bricht ihn in Stücke. / DER JUNGE GENDRE Ah! — Vater! / Sinkt nieder / Vater — — — MAKROT / steht über die Leiche gebeugt, mit betäubt. / EINER AUS DEM VOLKE Jetzt bist du daran! MAKROT / lauscht / Halt. — Wartet. — Hört ihr einen Wagen kommen? VOLK / lauscht in Erwartung. / MAKROT Ein Wagen holpert übers Pflaster. / Ein Wagen fährt herein. / MAKROT / stürzt dem Wagen entgegen / Wer Fährt da? KUTSCHER Der General Nowicki! MAKROT Wer? — Wer, sagst du, fährt? VOLK / umringt den Wagen. / MAKROT Seht her, die Brust besät Mit Orden. Ein Verräter! Du Verräter Lewicki! Ah —, ich kenne dich! Du Judas! Sollst hängen, Bruder! / Es fallen einige Schüsse. / MAKROT Oh, — schon tot! — Schon tot! EINER AUS DEM VOLKE Heraus die Leiche! VOLK / zieht die Leiche aus dem Wagen heraus. / EIN ZWEITER AUS DEM VOLKE Seht doch zu, wers ist! KUTSCHER Der General Nowicki! / Springt vom Bock. / DER ZWEITE AUS DEM VOLKE Und erschossen An Stelle von Lewicki! — Welches Unglück. Ein Edler fiel an Stelle des Verräters! KUTSCHER / führt die Pferde in die Seitengasse. / DER ERSTE AUS DEM VOLKE Wer sagte da, es wäre ein Verräter? Wer hat die Namen so verwechselt? DER ZWEITE AUS DEM VOLKE Hängt Ihn auf! VOLK / weist auf Makrot / Er wars. DER ZWEITE AUS DEM VOLKE Das Schandmaul soll man ihm Mit seinem eignen Blut verkleben. VOLK / stürzt sich auf Makrot, wirft ihn nieder und schleift ihn am Boden / Hängt Ihn auf! — Ganz hoch! — An die Laterne! — Hängt!! Spritzt, klatscht sein Blut, — sein Blut an alle Mauern! / Wirft die Leiche auf die Straße, entfernt sich in der Richtung auf die Hauptstraße / / An den Mauern schleichen entlang / KEREN / stürzen zu den Leichen der Gefallenen, beugen sich darüber und Saugen das Blut / Saug alles Böse aus dem Gebein, Den Geifer aus den Wunden. ERSTE KERE / über Makrots Leiche gebeugt / Der hier ist mein. ZWEITE KERE / über Potockis Leiche gebeugt / Der mein. DRITTE KERE / über des jungen Gendre Leiche gebeugt / Der mein. ERSTE KERE / an Makrots Leiche geklammert / Ha! Ein Spion. ZWEITE KERE / an Potockis Leiche gesaugt / Ein großer Herr. DRITTE KERE / an des jungen Gendre Leiche geklammert / Ein armer Schächer. ERSTE KERE Saug das Leid Heraus und kose, schmeichle, herze. ZWEITE KERE Wenn du die Seele von dem Joch befreist Und aus der Seele alle Sünden reißt, Dann leiten wir sie auf die Insel Zum Spaß. DRITTE KERE Zum Spaß. ERSTE KERE Zum Spaß. / In der Gasse hört man das Knarren eines Schlosses; in der Mauer öffnet sich eine enge Pforte, daraus tritt / FÜRST ADAM CZARTORYSKI / in einen weiten Mantel gehüllt, späht umher, bleibt im Schatten der Mauer stehen / ZWEITE KERE Man naht… DRITTE KERE Ein Lebender. ZWEITE KERE Im Schatten Der Mauer blieb er stehn. FÜRST ADAM CZARTORYSKI / ist einige Schritte gegangen; steht im Licht, lauscht und späht, nachdenklich. / ZWEITE KERE Er trat ins Licht. DRITTE KERE Er spricht. ZWEITE KERE Sucht der Gedanken Gleichgewicht. — FÜRST CZARTORYSKI Die Krone — — — ZWEITE KERE Von der Krone träumt der Tor. FÜRST CZARTORYSKI / in Gedanken versunken / Wohin mich wenden —? ZWEITE KERE Hüt dich vor Gedanken, die du denkst! FÜRST CZARTORYSKI / blickt sich um / Sind sie Der Zukunft allzu schnelle Boten — — —? / Will nach der Hauptstraße zu gehen / Nein, — nein, hinweg — ZWEITE KERE / erhebt das Haupt / Sie hören, — — FÜRST CZARTORYSKI / ist stehen geblieben, beugt sich nieder, um zu sehen, zu verstehen / Wer!? ZWEITE KERE / erhebt sich langsam, von ihren Lippen sickert Blut / Die Toten! PERSONEN DER ACHTEN SZENE: * Ares * Johanna * Siegesgöttinnen * Kora IM PALAIS ŁAZIENKI / Das Vestibül des Palais, säulengetragen; kahle Sträucher und Zypressen. / SIEGESGÖTTINNEN / führen Ares im Triumphzuge herein / Heil dir, du siegtest, wie nur Götter siegen. ARES Sie traf mein Schwert, zu meinen Füßen liegen Sie überwunden. GÖTTINNEN O du trafst ihn gut, Den übermütgen Sinn, du bogst den steifen Nacken herab und aus den stolzen Zügen Wich alles Blut. Du darfst nach königlichem Lorbeer greifen. ARES Die Rüstung schmilzt von innerlicher Glut. Schweißtropfen perlen nieder. — Gebt zu trinken. GÖTTINNEN Sahst Menschenknäuel stürzen und versinken Id einem Meer von Blut, daraus verjüngt Sie sich zu neuem Leben Erheben. ARES Legt ab die Rüstung, denn sie schwitzt von Blut. Legt ab den rostgen Helm, lasst Fackeln leuchten, Streut Weihrauch auf die Pfannen, Opfer bringt Dem großen Zeus. GÖTTINNEN / reichen ihm einen Trunk. / ARES Eh meinen Mund befeuchten Die ersten Tropfen, sei der erste Trunk Dem Vater dargebracht. / Nimmt den Pokal, gießt Wein auf die Erde. / GÖTTINNEN / entzünden Feuer auf Dreifüßen, strahlende Helle verbreitet sich. / ARES Wer nennt dies leere Haus sein eigen? GÖTTINNEN August der letzte Polenkönig hats erbaut. Gebildet an hellenischer Kunst. ARES Und seine Enkel waren zu gering, Darin zu wohnen —? GÖTTINNEN Nur ein Schweigen, Dem stumm sich schattenarme Wände neigen, Uns hier umfing. ARES Die Türen alle auf! GÖTTINNEN / öffnen das Hauptportal des Palais, in der Tiefe wird Eros sichtbar, der im anstoßenden runden Saat steht. / GÖTTINNEN Wer ist der Knabe in lockigem Haar, Die Wangen wie Milch und Blut? Den goldenen Bogen mit keckem Mut Spannt er und wägt den goldenen Pfeil. Schützt er das einsam verlassene Haus? Wie ist dein Name, du schöner Knabe? War Aphrodite dir Mutter, es strahlt Göttliche Schönheit von dir aus. Und deine purpurleuchtenden Wangen Sind wie mit Morgenröte gemalt. EROS / spannt den Bogen und zielt auf Ares' Brust. / GÖTTINNEN / gehen in das Innere des Palais, von wo sie Johanna herausführen und zu Ares geleiten / JOHANNA / in langem Schleier und weißem, mit Sternen besätem Kleide. / GÖTTINNEN Sieh, es naht der Frauen Blüte Und es strahlt der ganze Raum; Sie entflammte Aphrodite, Weckte sie aus schwerem Traum. ARES / betrachtet Johanna / Bald erglüht sie, bald erbleicht sie. JOHANNA Eros führt mich zu dir hin. Eros lenkte meinen Sinn. ARES Aphroditens schöne Gabe Wangenrosig mir sich neigt. JOHANNA Aus verschwiegner Liebe Grabe Röte zu den Wangen steigt. Meine Trübsal, wann entweicht sie? GÖTTINNEN Cyperns Göttin, Aphrodite, Leitet dich, Betrübte, Sie erhörte deine Bitte, Siehe: Der Geliebte. JOHANNA Will gehorsam sein dem Lose, Eros' Macht hab ich verspürt; Aus des Krieges blutgem Schoße Hat mich Waffenlärm geführt, Und mit meinem Hofstaat stehe Ich vor dir. ARES Da du mir bestimmt zur Ehe, Komm zu mir. JOHANNA Liebesgluten Mich durchfluten. ARES Lass sie lodern, lass sie brennen. JOHANNA Meine Schande sollst du kennen, — Räche —! ARES Deine Schwäche Soll ein großes Opfer sühnen. Alle Ritter, die gefallen, Folgen deinem Siegeswagen. Schreckensrufe werden hallen, Tote werden Tote jagen, — Mit entsetzten Mienen. Sieh, die blutgen Kränze tragen Die Erinnerung dieser Nacht. JOHANNA Goldene Blätter tragen sie; Doch in meinem Lande Sah ich solche Blätter nie. ARES Sie erraffte meine Macht: Sieh, wie Helden siegen. JOHANNA Dich allein hab ich ersehnt, Dich nur kann ich lieben. Wand in Elend mich und Schande, Härmte mich in bangen, trüben Nächten, schluchzte bitter und Betete, — jetzt lacht mein Mund. ARES Deinen kummerbleichen Zügen Leuchte junger Liebe Licht. JOHANNA Ich bin stolz, — und zittre nicht. Denn ich hab dein Knie berührt, Dich als meinen Herrn verspürt. Nach mir Tod Und Angst und Not, Schaudern. Hochzeitsklänge tönen mild, — Singen. ARES Warum zaudern? Lasset wild Schwerter an die Schilde schlagen, — Siegeshymnen sollen klingen. / Aus den Sälen des Palais ertönt Musik. / JOHANNA Nimm mich hin, ich bin bereit, Meine Glut ist dir geweiht. ARES Tausend tote Ritter liegen, Die ich hingestreckt; Seelen habe ich geweckt Und befreit. Und in vollen, reichen Zügen Durften sie des Sterbens Lust genießen; Deiner harrt der Liebe Lust in süßen, Heißen Schauern. JOHANNA Wollust, die du ausgebreitet Über sie, hat ihren Geist Aus der Qual emporgeleitet Und zum Flammenhauch geweitet. Deine Gluten schenk dem Leibe, Schenk die Wollust deinem Weibe… GÖTTINNEN Seinem Rufe folgen wir, Öffnen Tor und Tür, Er, der Kriegsgott, Herr der Schlachten, Herrschet hier. ARES Sieg errang ich auf dem Feld, Sieg in blutgem Lauf, Und die Völker dieser Welt Wachten auf. JOHANNA Liebe hast du dir errungen; Elend war ich, lag in Nacht, Deine starke Siegermacht Hat mein Herz bezwungen. ARES Welche Not kann dich noch kümmern, Welche Sorge kann dich quälen, Was kann, Holde, dir noch fehlen, Da ich doch den Sieg errungen —? JOHANNA Sieh, ich zittre und es schimmern Feucht die Augen. Du erschlugst Viele Ritter in der Schlacht; Doch ich kann nicht Ruhe finden, Da der Gatte mit dem Bruder Kämpfte und ich ja nicht weiß, Wem ich Siegeskränze winden Soll, da Sieger und Besiegte Ich nicht kenne und nicht weiß, Ob den Gatten ich beweinen, Mich des Bruders freuen soll, Oder ob dem Gatten fluchen. Ob des Bruders Tod ich soll —? ARES Lern vergessen, — warum suchen Welken Mohn in reifen Garben —? Brände flammten, Menschen starben Und das wilde Kriegsgeschrei Hallte an den Trümmern wider, Schwoll und starb und quoll aufs neu. Dieses Feuers jähe Helle Überflute deine Glieder, Und die Ernte soll dich freuen. JOHANNA Jahre mussten sich erneuen, Schloss und Riegel mussten rosten, Eh du Sieger diese Schwelle Überschrittst, die vor dir keiner Überschritten, der dir gleich. ARES Mit des Siegers stolzer Macht Darf ich weilen. Herzen glosten. Doch nun schweigen sie von meiner Hand erschlagen stumm und bleich. JOHANNA Und du gabst der einen Macht Deinen Flammenschein. ARES Diese eine heiße Nacht Bist du mein. JOHANNA Lass mich sehn, sinds deine Waffen — Vieler Schlachten schwarzes Blut Klebt an ihnen. / Weist auf die abseits liegende Rüstung / Es tut gut, Sich der Kämpfe zu erinnern, Sich der Siege zu erinnern; Heut am Tage düstrer Trauer. ARES In dem Siegesrausch durchfluten Liebeglühnde, heiße Schauer Mich und deine heilge Gabe Nehm ich an. JOHANNA Siehe, ich bringe All mein Lieben dir, ich habe Immer dir vertraut, du bist Mein Erlöser. ARES / führt sie an die Tür des Palais / JOHANNA / bleibt an der Schwelle stehen, blickt auf die Göttinnen; die Siegesgöttinnen ziehen ihre Flügel an. / Sag, was ist Mit den Mädchen? ARES Wie du siehst, Ziehen sie die Flügel an. JOHANNA Werden sie denn nicht mehr kämpfen —? ARES Nein, — nicht mehr. — Was wirst du bleich? JOHANNA Das ist schlimm. — — — / Die Siegesgöttinnen legen sich in der Vorhalle zum Schlafen nieder. / JOHANNA Was tun sie? ARES Legen sich zum Schlafen nieder; Denn ihr Werk, es ist vollbracht. Sieh, die Kränze legen sie Unters Haupt und schlafen gleich. Was verbirgst du dein Gesicht? JOHANNA Werden sie nicht mehr erwachen? Nicht mehr kämpfen? ARES Fürder nicht. Warum zitterst du und schluchzt? JOHANNA Das ist schlimm. — — — ARES / geleitet sie zur Tür; die Musik wird leiser, bis sie verstummt. / / In den hinteren Gemächern wird / KORA / als Königin sichtbar. / JOHANNA Wer ist sie, die durch die Säle Wandelt mit erhobnem Haupt? Frei betritt sie diese Schwelle, Jeder scheint ihr untertan —? Sie bewegt sich kaum, man glaubt, Alles sei in ihrem Bann, — Jeder schweigt und nur der Baum Rauscht verängstigt, flüstert kaum — — KORA / betritt die Vorhalle / Herrin bin ich. JOHANNA Sag, du Schöne, Scheinst aus königlichem Blut, Bist du gar die Königin Ewiger Nacht? Der Liebe Glut Führt zum Schlafgemach uns hin. Nun verlischt uns jedes Licht Auf dem Weg und Dunkel flicht Uns Gespenster vor die Seele. Liebestrunken suche ich Meinen Weg. Wer bist du, sag? KORA Hier an diesem Ort befehle Ich allein. JOHANNA In deinen Augen Seh ich wunderbares Leuchten, Endlos tiefe, schwere Feuchten. Ich erschrecke, meine Kniee Zittern, fast, dass ich entfliehe. KORA In geheimnisvolle Reiche Drangst du ein, mit Plutus hielt Ich die Hochzeit und ich schleiche Jetzt umher, um alle Speicher, Wie die Gottheit mir befiehlt, Zu besuchen. Ich bin bleicher, Als ich war, — und war doch schön, Herbst hat mich mit Sturm und Wetter Um der Schönheit Reiz gebracht. — Über Wasser tanzend wehn Meine kostbar goldenen Blätter. — Still, — ganz still, — dort unten tief Liegen Gräber, — breitet Nacht Ihre schwarzen Flügel aus, — Dort, wo das Vergessen schlief, Sind die Speicher. — / Zu ihrem Gefolge / Gebt die Schlüssel. / Nimmt die Schlüssel / Sie verschließen alle Herzen, Sie verschließen alle Seelen; Und die Pulse jener Zeiten, Die da kommen, lass ich schlagen; Und in ewig langen Jahren Und in ewig späten Tagen Werden diese Keime sprießen. Und die Erde wird in breiten Furchen goldne Früchte tragen, Wenn die Saaten gut und rein. Menschen werden leben müssen, Denen ich ein Leben künde, Eines Daseins neues Leben! Jeder Mensch gedenkend finde Großer Väter stolze Taten Vor und atme selber Größe! Einstmals, — einst! — werdet ihr frei! Alles Hässliche und Böse, Das verderbend in euch schlummert, Scheid ich aus wie schlechte Spreu. Alles Unkraut aus den Furchen, Alle Schmerzen, alle Leiden Jät ich aus im Lauf der Zeiten. Manches Unglück wird euch künden Eines Schicksals schwere Hand, Und wenn unter euch sich finden Herzen, die Verrat ersinnen, Die den Brüdern Unheil spinnen, Ruf ich sie zu mir ins Land Stummer Nacht. — Hier in den Tiefen Meiner Saaten ruht die Tugend! Und ich kehre zu euch wieder, Mehrmals wieder, — viele Male Kehrt der Lenz, — die ewge Jugend. Und ich führ die teuren Brüder Hin zum Leben, — Gluten schliefen Unter Asche, — sie erwachen. Lasst genug sein, — Ströme flossen Heißen Blutes, doch sie sind Nicht umsonst vergossen. Mit dem Blute will ich düngen Eure Acker und sie bringen Dereinst Söhne euch hervor, Denen alles das gelingen Wird, was heute nicht gelingt. Lasst für heute drum genug sein. — — — JOHANNA Was bedeuten diese Worte —? KORA Dies mein Wille! Hörst du durch die Stille Aeols wehe Klage —? — — Sparsam muss ich schalten Und die Liebe und die Kraft Will ich wohl geborgen halten Lange Jahre bis zum Tage, Da ihr neu erwacht! / Breitet die Arme aus / Sinkt, ihr Götter, in den Schlaf. In den Schlaf, ihr müden Menschen! Seid gehorsam meinem Wort, — Denn mein Wort ist Macht! / Heißt mit gebietender Bewegung Ares und Johanna vorübergehen. Ares und Johanna gehen in das Innere des Palais; die Lichter verlöschen. / KORA / steht inmitten der schlafenden Göttinnen / Göttinnen, — ihr liegt im Schlummer —? Auf mit Flügelrauschen! Einst kommt wieder euch die Zeit Und ihr werdet lauschen Pallas' Stimme. Seid bereit Zu des Siegs Unsterblichkeit! Merket meiner Worte Sinn. / Verschließt die Tür des Palais mit dem Schlüssel. / AEOLS KINDER / im Rauschen der Bäume / Königin — Königin — Königin — — — KORA / versinkt / PERSONEN DER NEUNTEN SZENE: * General Gendre * Der junge Gendre * Stanislaus Potocki * Pallas Athene * Hermes * Siegesgöttinnen * Chor der Toten DAS THEATER STANISŁAW AUGUSTS Im Stanisławparke auf der Insel Liegt das Theatrum Seiner Majestät Des Königs. Fon der Flut umspielt Ragt es empor und zage Wellen schlagen An das Proszenium. Auf dem Land Der Insel gegenüber hocken In steingehaunen Sitzen der Tragödie Verstorbne Meister, lauschen und betrachten Die Auferstehung ihrer eignen Werke. In dieser Herbstnacht, da der Mond aus grauen Novemberwolken kalt und klar aufgeht, Erscheinen die Ruinen und die Säulen, Die zwischen Bäumen auf der Insel ragen, In ein gespenstisch fahles Licht getaucht. Die zwölfe Stunde, — und in langem Zuge Erscheinen die, die heut im Waffengang Gefallen und in Scharen lagern Sie auf den Stufen des Proszeniums sich — Und warten. GENERAL GENDRE Es kam die Stunde, da du rufst, mein Gott, Des bessern Daseins Pforten öffnen sich. Auch ich war Slawe und ein Bruder euch Und musste doch euch widerstreiten, mich Umstrickte die Gemeinheit, — doch der Tod Löscht alles aus und heute bin ich rein Und ohne Arg und Falsch. Mein Bruder, reich Mir deine Hand, denn Gott hat mich entsühnt. STANISLAUS POTOCKI Geh fort! — Die Seele schaudert, denn gemein Dünkt die Berührung mich. Wes Geist erkühnt Sich mir zu nahen? — Meines Feindes. Dein Gott ist der meine nicht. Wie kann ich dir Die Hand denn reichen? GENDRE An deiner Schläfe seh ich eine Wunde. Dich traf das Schwert —? POTOCKI Vor einer Stunde Fiel ich gefällt von meines Bruders Streichen. Mein eigner Sohn hat mich verwünscht, mein Gott hat mir Geflucht und über mich kam das Gericht. Ich hörte meines Gottes Stimme nicht, So trieb das Schicksal mich in diesen Streit, Da ich doch Kampf und Blutvergießen Vermeiden wollte; konnte ich denn wissen, Dass jener Sturm mich packt und niederreißt, Wie morsches Holz? Zu spät erwachte mir Das Herz. — O Söhne, Vaterland, o Brüder! Wie fern seid ihr, die ewige Stimme weist Mir meinen letzten Weg, der Park hallt wider Vom Echo meiner Klagen, ich muss warten, Bis dass ich fern von hier im stillen Garten Des ewgen Friedens und des ewgens Blühens Erwache; — und doch ist das Herz nicht still; Es sehnt sich noch und zuckt und fragt und will Noch einmal aller Schmerzen, allen Glühens Noch nicht vernarbter Wunden Wollust kosten. GENDRE Du Seele fühlst noch immer heißes Brennen Und ich — ich friere und mein Herz, es bangt In Ungewissheit, ob mein einzger Sohn Noch lebt und ob ich ihn noch einmal werde An meinen Busen liebend pressen können. Wird Gott auch dieses letzte Glück der Erde Missgünstig mir versagen? Oder seh ich schon Ihn nahen und die Arme um den Nacken Mir schlingen, — fühl ich schon die jungen Lippen Auf meinen glühen und die Worte alle Der Furcht und Not, vom Kuss gelöst, wie Schlacken Abgleiten, und es leuchten die Kristalle Urreiner Liebe, reiner Traurigkeit —? POTOCKI Was ist denn meine schwere Schuld gewesen? Ich kann sie nicht mehr sehen, denken; weit Sind die Gedanken. — Körperlose Wesen Sind wir hierher als Seelen nur gesandt. Uns haben die Unsterblichen erlesen. CHOR DER TOTEN Wir Toten fahren in das Totenland. POTOCKI Ich blicke noch einmal auf diese Welt, Und da sie rings zerfließt, entfällt Auch die Erinnerung an alles, was gewesen; Und alle meine Taten, alle bösen Handlungen, die ich einst beging, die Sünden, Im bleichen Nebel aufgelöst, entschwinden, Und wunderbare Ruhe webt im Kreis. Was war denn meine Schuld? Soviel ich weiß, Ergriffen Väter, griffen Söhne Waffen, Um sich zu morden, da ein schlimmer Wahn Sie all umstrickt. Wie hab ich den gerechten Und guten Kampf zu jeder Zeit verteidigt! Doch werden von Gerechtigkeit und Rechten Die Menschen nicht am ehesten beleidigt Und fluchen dem, der Recht getan? GENDRE / erkennt unter den weilenden Seelen seinen Sohn, winkt ihn in sich heran / Mein Sohn, o ich erkenne dich, mein Sohn! Du bists! — Bist du in meiner Nähe, Kind? Du suchtest in dem Ruhme deinen Lohn, Da schlug die Totenglocke und vermessen Rief sie dich ab. — Dein Los bleibt unvergessen; Doch wer wird um dich trauern und wo sind Die Tränen, die um deinetwillen flossen? Der Zar selbst schluchzte auf, wird man ihm melden, Du seist gezogen in den Kampf der Helden Und seist als erstes Opfer hingemäht, Der Ähre gleich, die eine Sense traf; Ein Apfelbaum, dem noch im ersten Blühen Ein rauher Wind die junge Pracht verweht. Nun bist du, mit dem Vater Hand in Hand, ln jenes andre ferne Land gesandt. Was wartet unser? Durch geheime Schluchten Die Fahrt zu unerforschten, stummen Buchten. Wo bist du, ewger Frieden, denn zu finden? Durch Flammen müssen wir für unsre Sünden —! DER JUNGE GENDRE Ach Vater, fremde Tränen brennen heißer Als eigene. Wie Feuertropfen fielen Aus andrer Augen sie auf meine Wangen, Verglühten mir das Antlitz und ein weißer, Bleichblasser Schatten spielt um meine Stirn, Da ich die Furcht erkannte und das Bangen, — Denn diese Tränen, die mir Herz und Hirn Auspressen, werden vor dem Richterstuhle Des Allerhöchsten mich des Mords anklagen; — Denn ich hab ja gemordet, da ich kämpfte. GENDRE Du hast getötet, denn man griff dich an. DER JUNGE GENDRE Man griff mich an —? — Und mussten sie denn nicht, Da es um alles ging, da Schiff und Boot Mit Stürmen kämpfend in den Wellen lagen? Ich trug von Anfang an auf dem Gesicht Das Mal des Fluchs, — verflucht war auch mein Schwert, Verflucht war mein Geschick. — Verflucht von Gott Kämpft ich und fiel, — verflucht und hassenswert. Ich fiel, — es war wohl Gottes Wille. — Wir gehen, Vater, in das Reich der Stille, Wo Zaren unsre Väter werden, Wo alle gleich, ob groß, ob klein, Wo alle Brüder werden sein, Wie nie auf Erden. Wo Blumen duften auf den Wiesen süß, — Berauschend lockt das Totenparadies. Wir scheiden von der Nebel dunklen Fluten Und baden unsre Seelen in dem Tau Der luftgehauchten Seligkeiten rein. Und wenn wir durch des Fegefeuers Gluten Hindurchgewandert und des Himmels Blau Dem Auge strahlt, dann sind wir frei von Schuld Und heilig durch des höchsten Gottes Huld. Ach Vater — — —! GENDRE Was bedrückt dich, liebster Sohn? DER JUNGE GENDRE Es tut so weh, dass ich die Liebe nie Gekannt im Leben und ich hätte schon Durch Liebe glücklich werden können. Wie Es quält und schmerzt, weil ich verhaßt gewesen Bei allen, deren Liebe ich entbehrt. Und nun, da sie die gleichen dunklen Pfade Mit mir, mit uns, vom Schicksal auserlesen, Zu wandeln haben, ist mirs grade, Als schluchzte mir das Herz und Reue wehrt Der Seele ihren Frieden. Aller Stolz Und all mein Hochmut schwanden hin, Nur nach Vergebung lechzt mein armer Sinn. GENDRE Schlaf ein, mein Sohn, schlaf ein und träume süß Vom Ruhmeskranz, der deine Stirne ziert, Den Gott aus goldnen Blättern winden ließ Für deine Schläfe. Das Vergessen führt Vergebung deiner Schuld herauf. DER JUNGE GENDRE Mein Vater, Ich sehne mich nach Licht, nach hellem Tag, Heraus aus dieser schreckensdunklen Nacht, — Wann wird sie enden —? Sag mir, wer vermag Dies alles? — Welcher Gott hat diese Macht, Die nimmer endende, durch Finsternis Und Nebel uns zu leiten in das Reich Der Blumenträume, in das weich Und wohlig glanzerfüllte Paradies? GENDRE Mein Sohn, so hat uns Gott verflucht. Frag nicht, mein Sohn, wie oft die alten Hände Unrecht getan, wie oft sie dich versucht, Unrecht zu tun, und deine junge Seele Befleckten. Nunmehr führen uns die Winde In grenzenlose Nacht, in Dunkel ohne Ende. — Spürst du den eiseskalten Windeshauch? DER JUNGE GENDRE Den Frost, mein Vater, und die Stürme auch, Ich spürt sie kaum, wenn nicht die Tränen wären, Die Tränen all der Brüder und der Schwestern. Sie brennen heiß, sie glühen und verzehren Das Mark und dringen bis ins Herz hinein Und wie mit Rutenstreichen peitschen sie Das zuckende in martervoller Pein. Die Tränen, die dort fließen, sie allein, Sie haben uns verflucht. — POTOCKI Die Engel wandten Sich von mir ab. Wann blick ich hellen Schein? Wann nahen sie mit mildem Flügelschlag, Die Lichtgesandten? Vorbei der Tag —? Rings Nacht und Grauen, Nacht und Leere. PALLAS / erscheint / Wer jammert hier? CHOR DER TOTEN Wir. PALLAS Wer seid ihr? CHOR DER TOTEN Löwen, die gefesselt zucken. PALLAS Wer bezwang euch? CHOR DER TOTEN Qual. PALLAS Wer hat Euch hierher verbannt? CHOR DER TOTEN Der Tod. PALLAS Also bot Das Geschick als Ersten euch Seine Stirn. Wer bist du? Sag. GENDRE Ich bin tot. PALLAS Und du? POTOCKI Bin bleich, — Bin ein Schatten. PALLAS Eh der Tag Sich vollendet, haben wir Alle sie vereinigt hier. Ja, es kommen andre mehr. Schaut nur auf, seht nur her! — Blickt durch des Wassers glitzerndes Kristall, Dort drüben im Palais, Da hohe Säulen ragen in die Höh Und tragen Ein Haus, Da ruht in Liebesbanden Ares aus. Nur eine Weile, er springt auf und all Sein Zorn zeugt neues blutges Weh. GENDRE Schwing du nur deinen Speer! Wohl weißt du nicht, dass Zeus nur deiner lacht, Und deines Kriegsgelüstes Löwenmacht Gar bald erschöpft? PALLAS Wie? GENDRE Es kam her Ein Bote, hob den Stab und alle Welt, Die bis dahin im Streite sich verwirrte, Taucht er in Frieden, kündete den Tod. Und du erhabnes Weib, dem Gott gesellt, Du wusstest nicht, dass wir verirrte Armselige Seelen nur der Ruhe harren, Dass wir ausspähen nach dem dunklen Boot, Das durch die heiligen Gewässer gleiten, Uns in die ewige Nacht geleiten Soll, in die Finsternis? — PALLAS Und dieser Knabe? GENDRE Es ist mein Sohn, — weck ihn nicht auf, — ich habe Ihn sehr geliebt; lass ihn denn schlafen. Die Augen bat ihm Friede sanft geschlossen. Ich schalt die Todesengel, die ihn trafen In seiner Jugend Blüte, und ich fand Das höchste Glück, da er mir zum Genossen Im Sterben und im Tode ward gesandt. PALLAS Wer naht dort? CHOR DER TOTEN Der Verkünder — ja, er ists! HERMES / erscheint / Verirrte Seelen, — fort! PALLAS Nimm deine Beute. Die ersten Opfer, die schon heute Reif waren, sie gehören dir. Nimm sie denn hin. HERMES Entferne dich von hier. Ich bringe den Befehl. PALLAS Wer gab ihn dir? HERMES Du schufest aus der Welt ein Flammenmeer. In Feuersbrünsten sank die Stadt Und Ares hat Sein Opfer. Kehr Zurück. PALLAS So hätte er Sein Ziel erreicht? — Er hat es nicht. Ares hat nicht gesiegt! HERMES Im Siegestaumel wiegt Er sich, da man ihm Kränze flicht. PALLAS Ein Wahn, — ich habe ihn betrogen, Damit er mir zu Füßen liegt. HERMES Ihn rettet Zeus nicht mehr, — PALLAS Gelogen!!! HERMES Ich kenne deine Wehr. Ruf deine Geister nun herbei, Denn deiner Herrschaft sei Die Grenze nun gesetzt. PALLAS Du wagst zuletzt Mich durch Verrat zu schlagen? HERMES Geh hin und schlage Pallas, Dein eigner Vater sprachs. Ruf deine Geister, treib sie jetzt Zusammen und geleite sie Zu des Olympos Toren wieder, Von wannen du sie riefst. PALLAS Was bleibt den Menschen? HERMES Eitler Ruhm. Sie werden weiter kämpfen, — und allein So gut sie eben können. Du Kehr zum Olympos im Verein Mit deinen Mädchen, die dir dienen Und mit der Aegis, die da Funken sprüht Und mit dem Speer, der furchtbar tönt. PALLAS Dort schreien tausend Seelen, Dort brennt die ganze Stadt. Das blutige Werk, es hat Begonnen! Soll ich ihnen Den Ruhm nun stehlen?! HERMES Zurück, woher du kamst! — Ich schwinge meinen Stab. PALLAS / beugt das Haupt / Siehe, du nahmst Mir meinen Willen ab, Der Maja Sohn. HERMES Auf und davon. PALLAS / mit erhobener Stimme / Adler des Zeus, die Donner tragen, Kehrt jetzt zurück in die Ruhe! Eilt zu den Gipfeln, die himmelwärts ragen, Kehrt zum Hymetos, wo ewiger Schnee Unter dem blauen Äther leuchtet. Töchter des Zeus, rotwangige Schwestern, Steiget hernieder aus luftiger Höh! Denn vollendet hat sich die Zeit Und was Zeusvater euch gestern Willig erlaubte, verbietet er heut. Breitet die Schwingen und eilt durch die Nacht, Ihr, deren Leben dem Ruhme geweiht. Des Krieges Getöse, das wir entfacht, Der Völker Altäre, die lodernd erglühten, Und das große, das heilige Werk Heißt uns Zeus nun verlassen. Eilt nun zurück aus des Kampfes Gebieten, Kehret zu mir, ihr flügelreich Blassen. CHOR DER TOTEN / zum Palais gewandt / Seht die Flügelreichen schwanken, Dort im Vorraum herrscht Bewegung. Doch geheimen Willens Regung Hält zurück sie und es ranken Ihr Gehör sich und Gefühl Um des Wassers Wellenspiel. PALLAS / ruft zum Palais hinüber / Schwestern, empor und hinaus! Lasset das brennende Haus! Eilet zu mir! Eure Siege Sind Lüge! Eilet, bevor euch der Donner Trifft und erschlägt. GÖTTINNEN / eilen vom Palais herüber / Du riefst uns, du rufst —? PALLAS Ich rufe. — Uns war ein Zeichen gesandt. Das furchtbar und drohend uns bannt, Der schlangenumwundene Stab. Wir kehren nun heim. GÖTTINNEN Wer gab Uns den Befehl —? PALLAS Zeus selbst. GÖTTINNEN Verlassen des Kampfes Gewühl —? PALLAS Zurück zum Olymp. GÖTTINNEN Verfiel Des Ares Macht auch dem Bann!? PALLAS Lug euer Sieg! GÖTTINNEN Es gewann Ares aus unserer Hand, Wie du befahlst, seine Gabe. PALLAS Die Kränze des Ares habe Ich zu Kesten gewandt. Des Ruhmes, des Sieges satt Sank er in Trägheit nieder. Furchtbar das Dämmern, da er erwacht. Solang euer Geist ihn hat Behütet, band ihn die Liebe; Wenn er erwacht aus der Nacht Spukhaftem Traumgetriebe, Wenn den Verrat er erfährt, Wenn er das Klagen hört, Seltsamer Harfen Lieder, Wenn er erzittert und bangt, Angst in den Pulsen hämmert — — —? GÖTTINNEN / entsetzt / Schwestern, auf —, die Nacht, sie wankt, Unsre Macht ist schon erloschen, Denn der Morgen dämmert. PALLAS Auf, ihr Schwestern, auf, geschwind! Seht ihr dort —, dort in den Weiten —? GÖTTINNEN Von den Feldern her verbreiten Fahle Nebel sich, der Wind Legte sich, — ein bunter Teppich Kräuselt sich aus goldenem Eppich Überm Wasser. / In der Ferne erscheint auf dem Wasser Charons Nachen, der langsam herankommt. / GÖTTINNEN Wer erscheint In der Ferne? PALLAS Ah! — Der Kahn. GÖTTINNEN / erkennen / Nicht mehr jung ist dieser Mann; Doch sein Auge glüht Und er zieht Seinen Nachen stummbeweint Durch die Flut. PALLAS Menschenschmerz und Erdenleiden Sind vollbracht. Denn durch die Nacht Seh ich Charons Nachen gleiten, Der in ewigen Ewigkeiten Niemals ruht… CHOR DER TOTEN Treib mit leisem Ruderschlage, Charon, durch die Wellen. Bringst uns der Erlösung Tage. Charon, Vater, hab Erbarmen, Neige dich uns Stillen, Armen, Höre unsere Klage. POTOCKI Was ich in meinem Erdenwallen Niemals verspürt, niemals erharrt, Da ich von Stolz und Zorn und allen Den Leidenschaften ward genarrt, Das ists, was nun das Herz bewegt Und Schmerz erzeugt und Sehnsucht regt, Denn ich war groß und doch, wie klein. So fließen nun des Leides Tränen Von meinen Wimpern und ein Sehnen Zieht durch die Seele, da mein Sein Vollendet und die letzte Fahrt In fremde Lande meiner harrt. CHOR DER TOTEN Hört doch unsern Bruder klagen, — Und der Bäume Wipfel tragen Leise rauschend ihm die Worte zu. Nirgends Frieden, nirgends Ruh, Nichts, was seine Schmerzen lindern, Was in ihm die Sehnsucht mindern Könnte, denn er war ja groß Und war doch im Geiste klein. Groß und klein Und klein und groß Und vollendet ist sein Sein, Das Bewusstsein bleibt ihm bloß. POTOCKI Herr, du legtest ungemessne Früchte, Alle Schätze dieser Erde mir in meinen Schoss. Und du machtest mich vor meinem Volke Mächtig, und ich war der Erste weit und breit. Doch du hast mich nicht gelehrt, was Mitleid Ist, das Mitleid mit der Mutter Söhnen, Die jetzt brüderlich mit mir vereint Durch den Nebel jener dunklen Wolke Folgen, die uns in die Ewigkeit Führt, und die mit mir die gleichen Tränen Still geweint. Herr, mein Herr, warum hast du den Blick Mir verdüstert, dass ich jenes Glück Nicht ergriff und mich an jene schloss, Die mich töteten und Helden wurden? Warum könnt ich denn mein eignes Los Mit dem ihren nicht verbinden? Im Bewusstsein ihrer Sünden Quälen sie sich, ich vergehe Im Bewusstsein meiner Schuld. Herr, des Schicksals Wege winden Sich geheimnisvoll dahin; Unerforschlich ist sein Sinn. Schon erblick ich in der Nähe Charons Nachen, den ich nun besteigen Soll zur letzten Fahrt ins Land der Toten. Sünder, — und ein Tor — geh ich ins Schweigen. — Die Erinnerung verschwindet. — Lohten Dort nicht Flammen —? Herr, nur einen Strahl, Einen Lichtstrahl lass vor meinem Auge blinken, Lass mein Ohr nur noch ein einziges Mal Eines Liedes der Vergebung Töne trinken. Lass noch einmal diese Bäume rauschen. — Flüstern sie —? Still, — alles schweigt —? Dort aus dem dunklen Wasser steigt Es näher stets heran — und alle Seelen lauschen. Die Seelen meiner Brüder? — Sind es Brüder? Sie blicken stumm auf dunkle Wasser nieder. / Charons Nachen nähert sich mit leisem Ruderschlag. / CHOR DER TOTEN Treib mit leisem Ruderschlage, Charon, durch die Wellen. Bringst uns der Erlösung Tage. Charon, Vater, hab Erbarmen, Neige dich uns Stillen, Armen, Höre unsre Klage. POTOCKI / blickt sich unter den Trümmern auf dem Theater um / Seh ich verfallen so mein Vaterland? Es klaffen Risse in des Hauses Wand? Und der Palast, er sinkt in Staub und Sand … Bin ich verflucht in Ewigkeit —? Vergebt, — verzeiht, — Verzweiflung bannt Den Geist. Verstört Lausch ich der Bäume Sang. Wie lang ists her, Da klang Bei meinem Tode eine schöne Mär —. Rings Trümmer, — Asche, — Schutt; Mein väterliches Gut Verfiel und aus den Herzen floß das Blut. / Charons Nachen nähert sich dem Proszenium. / CHOR DER TOTEN Treib mit leisem Ruderschlage, Charon, durch die Wellen. Bringst uns der Erlösung Tage. Charon, Vater, hab Erbarmen, Neige dich uns Stillen, Armen, Höre unsre Klage. HERMES Vollendet ist der Schmerz, das Leid Auf Erden und es naht die Zeit, Zum Acheron euch zu geleiten, Wo euch umfängt Vergessenheit. Ich führe euch die dunklen Wege Hinüber über schwanke Stege, Da ich zum Führer euch bestellt. / Hebt seinen Stab und schwingt ihn über den Köpfen der Toten / Mit diesem Szepter herrsch ich in den Weiten, Vor meinem Szepter bebt die Unterwelt; Es beben aller Erden dunkle Mächte. — Vorüber rauschten eure Erdenzeiten, Der bittren Leiden kummerschwangre Nächte. Vergesst die Welt, — Mein Szepter führt euch über das Vergessen Zu einem Glück, das ihr noch nie besessen. Durch dunkler Schluchten bange Einsamkeiten Geleit ich euch zu lichten Ewigkeiten. Der Nachen schaukelt, — steiget ein; Vorbei des Lebens — Sein und — Schein!! / Die Toten besteigen den Nachen. Hermes folgt als letzter. — Der Nachen entfernt sich langsam. / PALLAS Ein Spielzeug war ich in des Gottes Hand Und war ein Stern, von Göttern aufgesteckt. Er ruft mich nun, — sein starker Wille deckt Mein ungetanes Werk mit früher Scholle zu. GÖTTINNEN Was wird aus ihrem Vaterland? PALLAS Wird meine Hilfe missen. Aus der Ruh Hab ich die Seelen aufgeweckt Und tauchte sie in Glut. GÖTTINNEN Du lässt den Durst von nun an ungestillt? PALLAS Es werden Völker wider Völker streiten. Was Glück heißt, ließ ich ihnen in den Weiten Wie einen Blitz aufleuchten auf Sekunden. Das Unglück werden ihnen alle Stunden Kommender Jahre zum Bewusstsein bringen. — Auf, Schwestern, auf! — Entfaltet eure Schwingen!! GÖTTINNEN / entschweben im Fluge / / Charons Nachen gleitet in der Ferne vorüber. / PERSONEN DER ZEHNTEN SZENE: * Der Grossfürst * Johanna * Kuruta * General Vincenz Graf Krasiński * Valerian Łukasiński * Hofdamen * Wachen * Soldaten IN DER ALLEE UJAZDOWSKA Schwarze Bäume stehn und neigen Sich mit kahlen, trocknen Zweigen. Die Allee ist laubbedeckt, Die vergilbten Blätter schreckt Jeder Windstoß aus dem Schlummer. Tiefe Nacht, — ganz hinten weit Sieht in Reihen man geordnet Die Armeen feldbereit. GROSSFÜRST / allein; in Uniform, darüber einen weiten Mantel; geht in dem raschelnden Laub auf und ab. / KURUTA / kommt langsam näher / Der General ist angekommen… GROSSFÜRST Schweig! KURUTA Soeben kam er an. GROSSFÜRST Lass mich in Ruhe! KURUTA Vier Regimenter Kavallerie sind in Bereitschaft. GROSSFÜRST Meinetwegen. KURUTA Die Befehle? Ich bitte Eure Hoheit um Befehle. GROSSFÜRST Ich gebe keine. KURUTA Aber es muss sein. GROSSFÜRST Was hat das alles denn für einen Sinn? KURUTA / ab. / GROSSFÜRST Kuruta! KURUTA / eilt herzu / Eure Kaiserliche Hoheit —? GROSSFÜRST / winkt ihn heran / Hörst du, wie diese Blätter rauschen, wie Sie miteinander flüstern, tuscheln —? KURUTA Was Heißt das? — Dort wartet die Armee auf die Befehle. GROSSFÜRST Morgen soll die Sonne nicht Aufgehen. — Wer ist also angekommen — ? KURUTA Der General Krasiński. GROSSFÜRST Mag er warten. KURUTA Warum verschieben Hoheit die Befehle? GROSSFÜRST Gib du sie doch. KURUTA Das kann ich nicht. — Versteh Das nicht. GROSSFÜRST Tritt vor die Front und fluche laut. KURUTA Mein Fürst, ich — weiß nicht — GROSSFÜRST So, — du weißt nicht —? Graut Dir nicht, hörst du, was diese Blätter raunen? / Stampft in dem Laub herum / Rischrasch, — — rischrasch — — die Blätter träumen. — Ja. — Wovon? — Von Seiner Kaiserlichen Hoheit…? KURUTA / zuckt die Achseln / Hoheit stehn an der Spitze der Armee: — Die Leute sehen Hoheit hier mit Staunen Und möchten sagen, Hoheit fürchten sich. GROSSFÜRST Der Großfürst kennt vor Menschen keine Furcht, Doch wohl vor Gott. Wenn Gott mir meinen Weg Gewiesen hat, verschwindet meine Furcht. KURUTA / geht ab. / GROSSFÜRST / allein. / KURUTA / kehrt zurück, nähert sieh dem Großfürsten / GROSSFÜRST / vertraulich / Im Frühling werden diese Bäume grünen, — Jetzt ist November, — eine schlimme Zeit. Und gestern fing es an, — die Sterne schienen. Wie fings doch an —? Ja, so … Und was geschah? Die Blätter fielen und bedeckten weit Und breit den Boden. Trockne Blätter, ja… KURUTA / zuckt die Achseln; ab. / GROSSFÜRST / allein. / KURUTA / kehrt nach einer Weile zurück, nähert sich dem Großfürsten / Soeben ist sie aufgewacht. GROSSFÜRST Nun. — und? KURUTA Sie spricht konfus. GROSSFÜRST Was schwatzt sie? KURUTA / zuckt die Achseln. / GROSSFÜRST Halt den Mund Und lass sie schwatzen. KURUTA / zuckt die Achseln. / GROSSFÜRST Schickt den Arzt zu ihr. KURUTA / schweigt. / GROSSFÜRST Bewusstlos? KURUTA Ja, das ist sie ohne Zweifel, — Die Augen hat sie auf und blickt fast stier Und streckt die Hände wie nach etwas aus Und schreitet wie im Schlaf. GROSSFÜRST Scher dich zum Teufel. KURUTA Gnädigster Fürst? GROSSFÜRST Macht euch zur Reise fertig. KURUTA Das ists ja grade, Ihre Hoheit lassen Sich nicht ankleiden, reißen jedes Kleid Herunter. GROSSFÜRST / stiert mit weit geöffneten Augen / Ah! Ah! Ah! Nymphomanie! KURUTA Hoheit —? GROSSFÜRST / erblickt Johanna / Meine Gebieterin. JOHANNA / kaum bekleidet, im Pelz. / HOFDAMEN / eilen ihr nach. / JOHANNA / summt / „Sprach der Vater zu dem Mädel, Hör die Trommeln rühren…” Nein, — es geht anders, — nicht so. — Mars entführt Mich auf sein Lager, — süße Liebesnacht. GROSSFÜRST / hüllt sie ein. / JOHANNA Warum bist du, mein Liebster, aufgewacht? Willst fort?! — O bleib! — Du mein Geliebter — bleib! — / Weist auf ihr Gefolge, das abseits steht / Sieh, meine Göttinnen, — sie tragen Flügel, Die haben sie jetzt angelegt; — ob sie Wohl noch einmal sie himmelhoch entfalten? — Und fliegen? — / Als spräche sie jemandem nach / Sei gegrüßt. — / Als spräche sie zu jemandem / Sei mir gegrüßt. — Wohin enteilst du? — Du hast ja geschworen Auf deinen Sieg! Sieh, jetzt bist du verloren, — Betrogen!!! — Dir entglitten deine Zügel, — Der Brand griff um sich!! — Rette mich!! — Du bist So schwach, weil ich dich liebe?! — Das Palais ist leer —? Abgründe klaffen tief und schwarz. — Rings Dunkel Und fürchterliches Schweigen. — Herr, Erbarme dich! Er stößt mich von sich fort! Der Liebe Bande reißt er durch! Ich war Mit dir so glücklich, — als ich träumte dort — — Kommt zur Besinnung; flüsternd Es war ein Traum, — so war mein Traum — der Nacht. GROSSFÜRST / führt sie nach dem Hintergrund; ein Schlitten fährt vor. / JOHANNA / besteigt den Schlitten; neben ihr nimmt eine ihrer Hofdamen Platz. / GROSSFÜRST / tritt zurück; wirft ihr aus der Ferne einen Handkuss zu / Adieu, — adieu, Jeannette. / Laut / Ein Pferd! / Soldaten führen im Hintergrunde ein Pferd vor. / GENERAL VINCENZ GRAF KRASINSKI / nähert sich; während sich der Schlitten der Großfürstin entfernt. / GROSSFÜRST / sieht unverwandt dem davonfahrenden Schlitten nach; wendet sich plötzlich um und bemerkt Krasiński; sucht sich zu erinnern / Ist alles Wahrheit? — Ist das alles wahr? — Ja, so, — Pardon. C'est vrai. Es fällt mir schwer, Daran zu glauben. — Ja, ich sehe klar. Will sehen. — Ja. — Ich lass euch alle binden. / Sieht Krasiński ins Gesicht / Hm, — nein, — das ist Komödie. Ja, ich lasse Euch knebeln! KRASINSKI / gleichgültig / Tuen Sie. GROSSFÜRST Oh, Pole! — Herr!! Euch knebeln? — / Beobachtet Krasiński / Nein. Euch so zurückzulassen, Das geht nicht an. Ihr seid Empörer. — Wie? Seid ihr es nicht? Ihr Polen, ja, ihr seids. — Vermöchtet ihr, — ihr Polen, nun, was meint Ihr, was ihr euer Werk heißt, aufzugeben Und die Partei des Zaren zu ergreifen? — Stark seid ihr. — Blicke ich auf euch, erbeben Mir meine Lippen, denn ihr seid Soldaten Aus altem Schrot und Korn. Verzeiht, mein Freund Und Bruder, ihr seid nun einmal mein Feind, Ihr kennt Euch nicht, doch ich kenn Euch, — Verräter! KRASINSKI / fährt auf / Schweig jetzt! — — / Fasst sich, mit gesenkter Stimme / Verzeiht, mein Fürst. Im Wahne sprechen Jetzt Eure Kaiserliche Hoheit, achten nicht Darauf, dass so ein hartes Wort schwer trifft; Ein Wort, aus dem ja nur der Wahnsinn spricht. GROSSFÜRST Ich sehe klar. Ich bin gestürzt. Ich liege schon Am Boden. — Und ich stand in Gluten, — da — ein Hohn — , Verlosch das Feuer. Ich hab mich bereits vollendet. Und unser Schicksal hat sich nun gewendet. Ihr seid die Sterne jetzt, die dort am Horizont Aufgehn. Jetzt kam für euch die Zeit, dass ihr euch sonnt in Glanze eurer Siege. Wir werden zusammen Den gleichen Weg nie wandeln können. Oh, das weiß Ich nur zu gut und will mich nicht selbst täuschen, — nein, Ich will es nicht. Wir bleiben das, was wir gewesen: Feinde! — Ich will euch Demut lehren, ihr Geschmeiß Von Herren. Immer noch nicht fort? — Jenun, ich mein, Die Stadt, sie gärt. Zum Himmel schlagen schon die Flammen. Ein Aufstand? Rauch. Seid Helden allesamt, erlesen Zu großer Tat. Ihr konntet ja den Blitz erreichen. Ihr seid gewaltig stark. — Warum seid ihr noch hier? — Ich habe Angst um euch, — denn ihr seid Leichen, Wenn ihr im Bunde seid — mit mir. Ihr glaubt nicht mehr an Polen —? Wie? — Ich glaube Daran. / Sieht Krasiński unentwegt scharf an. / KRASINSKI Der Zar, der Polens Krone nahm, sieht nicht, Dass wir aus Leichen Brücken bauen mussten. Dem großfürstlichen Bruder ist nichts daran gelegen, Dass wir dem Willen der Nation entgegen, Die uns dorthin rief, doch an seine Seite Getreten, — eine Mauer, — dass wir heute, Da Glocken läuten, da der Freiheit Licht Vom Himmel strahlt, uns zu vergessen wussten. Dass wir an uns nicht dachten, nur daran, Wie man die Ströme Bluts verringern kann, Des Bluts, das ihr durch Martern — Gott verzeih! — Verschleudert habt, um das ihr uns bestohlen In feiler Gier. Gefallen ist Potocki Und Blumer, General Nowicki, bei Potockis Ende war ich gegenwärtig Und sah, wie unter Haufen Leichen man Ihn fand. Gefallen ist Trembicki und Auch Siemiontkowski. Wenn ich, Hoheit, lebe, So leb ich nicht darum, um an den Pranger Der Missachtung gestellt zu werden, nicht Um meine Ehre zu verlieren. Hoheit, — Sie haben nicht das Recht, mich heut als Polen Zu fragen, was ich glaube; eines ist gewiss, Mit der Gemeinheit schließ ich keinen Bund. / Gibt ihm seinen Degen. / GROSSFÜRST Lass das, mein Lieber, — kusch dich wie ein Hund Zu meinen Füßen. Hahaha! — Da dies Polnische Herz sich einmal ausgesprochen, Will ich euch zeigen, wer euch prellt. Ich will Einmal die Rechnung des Gewissens machen. Will meine Schulden zahlen. In den Kellern Des Belvedere, grad unter meinen Zimmern Befindet sich ein Mann, — schon viele Jahre. Ein edler Mann. — Du wirst nicht rot vor mir?! Du sagst doch, du besitzt ein Herz und fühlst?! So sieh ihm ins Gesicht — / Ruft / Diensthabender!! KURUTA / eilt herzu. / GROSSFÜRST / flüstert ihm etwas ins Ohr. / KURUTA / steht erstaunt, ungläubig. / GROSSFÜRST / drängt ihn durch eine Bewegung zur Eile. / KURUTA / geht. / GROSSFÜRST Der Großfürst hat nun ausgespielt, — / reißt die Orden und den Stern von der Brust und tritt sie mit Füßen / weg, — fort. Mich ekelt, — was bedeutet alles, — alles Hat mir der Zar geschenkt — ich will nichts mehr. — Will nichts mehr haben, — nichts. — Hört ihr wohl — dort — Die Nacht, wie heult der Wind und keucht daher. — In einer solchen Nacht starb auch mein Vater. — — / Er wird von Angst geschüttelt / Ich hab ihn nicht getötet! — Nein, — ich nicht! / Schreit; bedeckt die Augen / Der Bruder tats, — der Bruder, — tat — er, — tat — er!! KRASINSKI / steht unbeweglich. / / Im Hintergrunde fahren Geschütze vorüber. / GROSSFÜRST / geht auf General Krasiński zu; fasst ihn am Knopf seiner Uniform; lacht; weist in den Hintergrund. / KRASINSKI / blickt dorthin. / GROSSFÜRST Sieh hier, mein Kleinod! — Sieh es dir gut an. Es ist euer polnischer Prometheus. / Weist auf ihn / Man Führ ihn hierher. VALERIAN ŁUKASINSKI / erblindet, in Lumpen, Fesseln an Händen und Füßen; wird von einer Wache geführt. / / Die Wache bindet Łukasinski an das Geschütz, Man hört die Glocken von Warschau läuten. / GROSSFÜRST / geht nach dem Hintergrund und steigt zu Pferde. / / Die Wache entfernt sich. / ŁUKASINSKI / fühlt, dass die Wache sich von ihm entfernt / Und fühlt, dass die Stunde der Freiheit schlug, Da man ihn hierher geführt. Und wenn er auch eben noch Ketten trug Und man ans Geschütz ihn schnürt, Durchfährt doch ein Zittern und Beben die feigen Feinde ringsum und Zweifel steigen In ihnen auf, und die Luft durchzieht Ein ahnend verklingendes Freiheitslied. Er fühlt, dass seine teuren Brüder, Ein Adlerschwarm, emporgeflogen Dort über Warschau, er lauscht wieder Der Glocken Klang und hat verstanden: Das Glück ist eingezogen Und Helden sind erstanden. Harrt aus! Gib ihnen, Herr, die Kraft, Auf dass sie stark sind, lass sie nicht erlahmen, Sei noch so qualvoll meine lange Haft Und schüfen sie mir ewge Marter ohne Namen. Lass sie mich binden, lass sie immer schleifen Den müden Leib durch dunkelste Verliesse, Lass Martern sie auf Martern häufen, Lass Geier meine Brust zerreißen, — Wenn nur den Brüdern jene frohen Grüße Der Glocken, die jetzt über Warschau rauschen, Auf schweren Kampf den Sieg verheißen. Er streckt die Arme aus, ein lauschen Spannt seine Züge, jeden Windeshauch Fühlt er genau, sein Antlitz scheint verzückt, Die Lippen beben und sein Auge blickt Beseligt, denn sein Geist errät. Was jetzt dort um ihn vor sich geht. Er kniet zu Boden, heiße Tränen Entquellen seinen Augen, seine Brust Erschüttert Schluchzen, — Gluten brennen Die Wangen ihm, — er flüstert, kaum vernimmt Man seiner Worte heimliches Gebet: Einst kommt dir die Zeit, Meine Seele, aus Leid, Aus Qual und Not Wirst du befreit. Der Glocken von Warschau eherner Mund Tut es dir kund Und verspricht … — — Heil — dir, leuchtendes — Morgenrot — —, Strahlender — Freiheit — erlösendes — Licht. / Erhebt sich. / KRASINSKI / bedeckt das Gesicht mit den Händen. / GROSSFÜRST / gibt seinem Pferd die Sporen. / / Der Vorbeimarsch beginnt. / ----- Ta lektura, podobnie jak tysiące innych, dostępna jest na stronie wolnelektury.pl. Wersja lektury w opracowaniu merytorycznym i krytycznym (przypisy i motywy) dostępna jest na stronie http://wolnelektury.pl/katalog/lektura/wyspianski-die-novembernacht. Utwór opracowany został w ramach projektu Wolne Lektury przez fundację Wolne Lektury. Wszystkie zasoby Wolnych Lektur możesz swobodnie wykorzystywać, publikować i rozpowszechniać pod warunkiem zachowania warunków licencji i zgodnie z Zasadami wykorzystania Wolnych Lektur. Ten utwór jest w domenie publicznej. 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Herausgegeben mit finanzieller Unterstützung der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit. Opracowanie redakcyjne i przypisy: Paulina Choromańska, Paulina Ołtusek, Antje Ritter-Jasińska. ISBN-978-83-288-2946-6