Stanisław Wyspiański Die Warschauerin Ein Lied vom Jahre 1831 tłum. nieznany ISBN 978-83-288-2947-3 PERSONEN * General Chłopicki * General Jan Skrzynecki * General Graf Pac * Kasimir Małachowski * Der junge Offizier * Maria * Anna * Deren Mutter * Der alte Veteran * Der Dichter * Generäle, Offiziere, Edelleute. Die Szene spielt am 25. Februar 1831, dem dritten Tage der Schlacht bei Grochowo / Vor der Stadt, ein Landhaus; im Erdgeschoss. Ein geräumiger Salon im Empiregeschmack, licht und weiß; die Wände von hohen Pfeilern unterbrochen; hier und da etwas Goldverzierung. Im Hintergrunde zwei breite Fenster, dicht beieinander knapp durch Pfeiler getrennt, nehmen fast die ganze Wand ein. Links und rechts hohe Türen, darüber nachgedunkelte Bilder: Porträts in der Tracht von 1810. Zwischen den Fenstern auf hohem Postament eine Büste Napoleons als Kaiser Augustus aus weißem Marmor mit einem Lorbeerkranz. Der Estrich ist dunkel, fast schwarz. Alte weiße Empiremöbel; die Lehnen der Sessel sind zu Lauten in Filigranarbeit gedrechselt. Mitten im Salon ein Spinett. Eine Bronzekrone hängt von der Decke herab. Durch die weißen Tüllgardinen an den Fenstern sieht man die Landstraße; in der Ferne Gärten und die Stadt im Schnee; es schneit. Morgen; vor sieben. — Ununterbrochener ferner Kanonendonner, kaum hörbar, dauert während des ganzen Spieles an. Zahlreiche Personen, Generäle, Offiziere, Herren in der Tracht der dreißiger Jahre gehen und stehen in Gruppen und unterhalten sich halblaut; die Mienen der Militärs — älterer, unter Napoleon gedienter, und jüngerer Freiwilliger — haben etwas Herausforderndes. Im Vordergrunde links steht Chłopicki in dunkelm bürgerlichem Anzuge, einen sehr weiten grauen Mantel nachlässig umgeschlagen, die Hände über der Brust gekreuzt, den Blick nach oben gerichtet; die ganze steife, stolze, verächtliche Haltung strömt Willensstärke, Kraft und Unnahbarkeit aus. Er steht allein, nachdenklich, gleichsam ungeduldig über seine Gedanken. Im Saale befinden sich General Jan Skrzynecki, General Ludwig Michael Graf Pac, General Jan Nepomuk Umiński, Peter Wysocki, Barzykowski, Kasimir Malachowski, Rybiński, die beiden Mycielski, Ledóchowski, Wołowski, Błendowski, Borzewski, Zawisza, Plichta. Maria und Anna, erwachsene junge Mädchen, Töchter des Hauses, beide weiß gekleidet; weite Reifröcke, steife bauschige Ärmel, die dicht unter den Achseln ansetzen; sie sitzen mit dem Rücken gegen den Zuschauer am Spinett und spielen; bereiten sich zum Singen vor. — Im Saal laute Unterhaltung, die mit dem einsetzenden Spiele verstummt… / / — als Stille eingetreten ist: / MARIA / zu Anna / — — — — — — — — — — — — Er ritt davon —, mir ist so weh und bang Ums Herz. — Als er aufs Pferd sich grade schwang, Trat ich ans Fenster. — Draußen ward es Tag, — Allein sein scharfgewohntes Auge mag Das Leuchten meines Kleids getrunken haben; Denn seinen Kopf nach mir zurückgewandt Legt er die Hand wie grüßend auf sein Herz. — Der Ersten einer ritt er von uns fort. Der General hat selbst ihn fortgesandt Auf seinen Posten. Stolz gestand er mir, Wie neidisch alle andern auf ihn sind … ANNA Warum musst er, da doch die andern hier Noch weilen, in der Frühe von uns fort? MARIA Ich wollte ihn als Helden sehen, Kind. ANNA So war es dein Befehl? … MARIA Nenns nicht Befehl, Was meine Seele atmen lässt und schwingen; — Er soll sich jungen Heldenruhm erringen. — Das Schicksal ängstigt mich — und fern verliert Sich meines Glückes Lied in stummer Ruh. Unruhe deckt mit nebelhaften schwarzen, Gespenstischen Flügeln meine Seele zu. — — — — — — — — — — — DER JUNGE OFFIZIER / zu Chłopicki / Ich lieb, Herr General, die Jüngre, Blonde. CHŁOPICKI / wendet plötzlich den Kopf zu den Mädchen, misst sie mit einem Blick, nimmt dann wieder seine frühere Haltung ein / Die Ältere gefällt mir mehr; — Also auch Sie verliebt und wohl Sterblich verliebt. Warum die andre nicht —? Beneidenswerter Stolz, Der diese Stirne krönt. DER JUNGE OFFIZIER Ihr Bräutigam, Herr General, gehört Zu unserm Regiment, zu Ihrer Suite. CHŁOPICKI Ist sicher jung an Jahren, kaum dass er Die ersten Epauletts sich angesteckt, Verliebt er sich. — Wer ist es? ANNA / die gelauscht hat / Wir verratens, Wenn er die erste schöne Tat vollbracht. CHŁOPICKI Ich zweifle nicht, er wird schon über Nacht Zum Helden werden, da ers werden will. — Dass doch die Jungen stets romantisch schwärmen, Poeten sind und unbeschränkte Herrscher Im Reich der Phantasie; spielt nicht ein jeder Von ihnen hier die große Rolle schon Des Oberkommandierenden? Weiß Gott! Ich blicke auf die Stirnen und ich lese Auf allen Byrons stolzen Herrenwillen. Schon der Soldat verbirgt im Portefeuille Der eignen Heldentaten Ruhmgesang. In Frankreich würden sie sich Marschallstäbe Vielleicht verdienen können, — doch in Polen Bringen sie es zu nichts — das alte Lied. — Wir brauchen einen Cäsar, damit sie Gehorchen lernen und gehorchend herrschen. PAC Ja, wenn ein Mann wie Cromwell, Bonaparte Plötzlich des Weltgeschehens Seele würde — CHŁOPICKI Wir, die wir Bonapartes Geist verspürt, Wir haben seine Adler in den Lüften Gepackt und sie in unser Land geführt. — Jeder von uns dünkt sich ein Cincinnatus, Glaubt sich der Urquell aller Tugenden Und wähnt, hat er die Würde, die ihn ziert, Sich selber beigelegt, er imponiert Der Welt, die vor Erstaunen in den Fugen kracht. PAC Und wird dabei von ihr nur ausgelacht. CHŁOPICKI Die Adler sinken schmerzbetäubt zur Erde; Die flugbereiten Fittiche zertrat Das überlegne Neidervolk der Krähen; Der Adler Herzen zucken und verbluten An ihrer Brüder schmählichem Verrat. Schon einmal, als mir die Liktorenruten Nicht freie Bahn zu schaffen wussten, legte Ich das Kommando nieder. Denn ich sah Zur Ohnmacht mich verdammt, da ich tagein, Tagaus von Königen umgeben war. SKRZYNECKI Ein stolzes Urteil, dass nur du berufen Vollbringer dieses großen Werks zu sein. CHŁOPICKI Lass immer Diktatoren aufeinander folgen; — Sieh dich doch um, wie alle die Statisten Sich blähn; hat einer auch nur einen Schatten Eines Gedankens eingeheckt, den Zipfel Eines Gedankens irgendwo erwischt, Der nicht aus meiner Welt geboren, gleich Schreibt er ein Buch und kritzelt Memoiren; Es wird ein Werk politischen Gehalts Mit Felddienstordnung, Taktik und Strategik, Ein Meisterwerk der Kriegskunst aller Zeit; In Friedenszeiten lässt sich allenfalls Nachdenken über die Gelehrsamkeit. — Ich sehe schon, wie eine nahe Zukunft Ihr Haupt verhüllt und heiße Tränen weint, Wenn sie das Buch zur Hand nimmt, das die Fehler, Die wir begangen, schonungslos vereint. Wenn ein Erwachen läuten graue Sorgen — , Der Ruhm ein Wahn ist, nach dem Kriege, — morgen. SKRZYNECKI Jetzt zielt der General mit der Satire Und trifft ins Herz der vaterländschen Sache Noch besser als mit des Diktators Faust. CHŁOPICKI Von der Satire selbst zu gut getroffen Hab ich den Saft der rohen Gifte mir Ins Herzblut eingeimpft, — das kocht und wallt. SKRZYNECKI Lass gut sein! Wenn die Faust nur wie bisher Dem Vaterlande dient. MARIA und ANNA / spielen und singen / „Tag des Kampfes, Tag der Ehre Führ die Freiheit uns zurück. Weißer Adler steigt gen Himmel, Langt von Polens Stern das Glück. Hoffnungstrunken dich zu retten Ruft er dich aus deiner Not: Auf, mein Polen…………” / Allgemeine Bewegung; Rufe, leises Mitsingen; der Gesang der Mädchen taucht in der allgemeinen Unruhe unter; nach einer Weile hört man wieder / MARIA und ANNA / singen / „Auf, mein Polen, brich die Ketten, Auf zum Siege oder Tod!” — — — — — — — CHŁOPICKI / während der allgemeinen Unterhaltung / Ja, ja — das ist es, in den Tod! Da Mars Kraftglühend übers Schlachtfeld rasen sollte. Hier liegt im malerischen Bild des Todes Verborgen des Zerfalls Miasma. Wollte Gott! Ein Poem romantischer Gemüter: Schlingt um die Stirnen schwarze Trauerflore Und lasst die schwarzen Federbüsche wallen — Schmückt euch nur zu, ihr Helden aus Romanen … „Mein Schicksal ruft, — ich bin bereit — und sterbe, Doch meine Seele lebt und ich erwerbe Mir die Unsterblichkeit in alle Zeit.” Der Kaiser applaudierte Talma und auch ich — Ich applaudierte. Jetzt bin ich vom Parkett emporgestiegen Zur Bühne Und stehe mitten im Tragödienspiel, Umringt von Männern, die dem Grabe sich Vermählen … Maria!! Wir stürmten durch den Kugelregen Den Berg hinan, und auf den steilen Wegen, Die felsengleich die Sonne ausgesengt, Sprüht Sand uns in die Augen und vermengt Mit Staub zu einer dichten Mauer sich. Wir brachen durch — und eh der Tag verblich, Erklommen wir der Felsenkuppe Grat — Und rechts und links der Abgrund gähnend klafft. — Des Todes dachte da nicht ein Soldat. Des Krieges Ungestüm, sein Dämon war Speerschüttelnd mit uns und verlieh uns Kraft; Uns brauste nach ein Sturmwind wunderbar Gewaltgen Rauschens, und an unserm Ohr Brach sich der einzge Ruf: Viktoria!! Die Sonne hatte mit sieghaften Strahlen Uns zu des Ruhmes Höhn emporgerissen. Ja, unsern kriegerischen Idealen Hat ganz Europa Beifall zollen müssen. Auf tausend Meilen wohl sah man die Mienen Von Angst verzerrt und rings im ganzen Land Herrschte der Schrecken, öffnete die Tore Von tausend Städten, jeder Widerstand Sank vor dem Schwerte Bolesławs des Kühnen. Ich wollte schwören, dass der Geist der Polen, Der große Geist uns allen sichtbar ward. Von allen Höhen donnerten Kanonen Und spieen gleich Vulkanen Dampf und Glut. Wir waren Sieger, unsere Parole Hieß: Sieg! Das war. Und heute … wollt ihr sterben. Erlosch denn Ares’ Stern? — Ihr Jungen, nur zu gern Schmückt ihr mit Epauletten, Federbüschen Euch auf und tastet nach dem trügerischen Lorbeer des Grabes mit verblasster Hand. Die Senatorenstirnen Rom verwandt, Die Herzen keusch, die Seelen gottgebannt Zwängt ihr in Uniformen und von Degen Zerfetzt bringt ihr der Zukunft sie entgegen. — — Warum so trüb, so kraftlos, todesbleich? Welch Leidens Schatten senkte sich auf euch? — Euere Lieder, euere Gespräche Künden das Grab und künden eure Schwäche. Um die Standarten schlingt ihr Trauerflore, Bezahlt im voraus Charons stumme Fracht. Habt ihrs so eilig, in dem Reich der Toten Die schattendunkeln Pfade zu durchwandeln; Lockt euch der Leichenfeier düstre Pracht? Habt ihr genügt des Erdenrufs Geboten? SKRZYNECKl Ein groß Geheimnis grau und düster hängt Wie eine Wolke überm Erlenwald. Der Oberfeldherr, grad als hätte er Schon mit der Unterwelt den Pakt geschlossen, Verkündet seinen Leuten sichern Tod. CHŁOPICKI Das ist ein Krieger, wahrlich, kühner Ritter, Ein Falke, Adler eines Zeus, der bitter Weint, wenn er leidet, und der die Gedanken Des Schlafes Wahngebilde lässt umranken, — Der an den Tod glaubt. SKRZYNECKl Einen schlechten Einfluss Übt er auf seine Leute aus. Es weckt Zymirski wahrhaft eine Todessehnsucht. CHŁOPICKI Wie auch dieser Knabe —, so jung und so schmuck; In seinen Augen strahlte des Himmels Blau, als am Wilnaer Schloss in den Fluten Des Flusses die Jungens sich spiegelten, — Und trunken rauschten die Wellen fort. — Wie bat er, bettelte mit kindlich trotzig Und männlich großen flehenden Gebärden, — Nur um Zymirskis Grabgenoss zu werden. Er hats gewollt, ich habs erlaubt, sein starker Eiserner Wille kämpfte meinen nieder. Er ging … und doch könnt ich mit einem Wort Ihn halten. Doch ich sah in seine Augen, Auf seine Mienen, seine stolze Haltung, Auf meinen Lippen starb das eine Wort — , Er ging zur Tat und ging weithin — viel weiter, Weit über jener Schanzen Grenzen fort, Fernhin zum Schlaf, zur Ewigkeit, als Streiter Fürs Polentum, als polnischer Soldat … Ich seh ein frisches Grab die Erde furchen — Wie? Tränen? … Tränen reihen sich Zu Perlenschnüren auf der Uniform? Gilt es der Schwermut, gilt es dem Entzücken? Oder sind Schmerz und Jubel hier vereint? Ah! Wenn der Kaiser säh: Ein Krieger weint! — — — — — — — — — — — Er kehrt nicht wieder — niemals wieder — Amen Stand auf der Stirne deutlich ihm geschrieben Und tief in seinem Herzen, da er ging. — Noch heute früh erhalten wir Gewissheit. Ich kenne wohl die Chancen meiner Spieler. Ich weiß, er wird mir seine letzte Bitte Gehorsam unterbreiten im Rapport, — Ein Band, ein andres Angedenken, das Ich seiner Braut zurückerstatten muss. SKRZYNECKI Der Meldereiter ist noch nicht zurück. CHŁOPICKI Ich warte — weiche keinen Schritt von hier; Die Stellung ist für unsre heutge Schlacht Von großem Wert; sie wird den Kampf entscheiden. SKRZYNECKl Sie kämpfen dort zu lässig. CHŁOPICKI Sollten dort Den letzten Tropfen Blut in sich verdoppeln. Schon längst verdientest du den Feldherrnstab. Die Tölpel, deine Gaben nicht zu nutzen. SKRZYNECKl Auguren sind sie, haben Visionen Und werden Sklaven schlimmer Ahnungen. Mit ihrer Herrlichkeit ists bald zu Ende; Ich mach das Kreuzeszeichen über ihnen. CHŁOPICKI Hol sie der Satan! Da sie doch nur schaden, Sind sie am Ruder viel zu lange schon. Zeit wärs, es holte sie der Sensenmann. SKRZYNECKI Einmal verliehenes Kommando kann Man niemandem entziehen, kann auch nicht Die Division in andre Hände legen. CHŁOPICKI Der erste Grundsatz aller Disziplin! SKRZYNECKl Zymirski ist seit Tagen wunderbar Verändert. Jeden macht er zum Beichtvater Der eignen Ahnungen; bannt den Soldaten Gespenster vor die Seele, redet von Gespensterkämpfen überm Schlachtfeld, Da wo der allgewaltge Tod … CHŁOPICKI Cagliostro, Weissagst du? — Krieger! Und der Sturmwind sollte Dich zum Altar des Vaterlandes führen. Das Traumbild solcher Schlacht, solch großen Ringens Traumbild die Seele schmeichelnd mir umgaukelt … — Von fernher höre ich: der große Kampf — Der große Zaubrer meine Sinne schaukelt — So viele Jahre … DER JUNGE OFFIZIER / in der Unterhaltung mit Anna / … Es verblieb ein Teil In den Quartieren in der Stadt, wir bilden Hier die Reserve. ANNA / in der Unterhaltung mit dem jungen Offizier / So sind Sie in steter Verbindung mit dem Erlenwäldchen wohl. DER JUNGE OFFIZIER Ununterbrochen eilen Meldereiter Hier ein und aus; hat einer eine Meldung, So bringt er sie hier vor den General. Vielleicht dass grade Josef … CHŁOPICKI / der gelauscht hat / Meines Helden Name. DER JUNGE OFFIZIER Die Damen wüssten gern den Namen … ANNA Dass er so ungestüm dem blühnden Lorbeer Nacheilen musste. CHŁOPICKI Jungen Hirnen winkt Im Traum der Ruhm nur zu verführerisch; — Sie raubten wohl Heroen ihre Herzen Und pflanzten sie sich in die eigne Brust Ein, wenn sie könnten. Nein, ich nenn den Namen Nicht, um etwaige Verwandte, die Hier im Salon vielleicht anwesend sind, Nicht grundlos zu betrüben. Zu Maria Wie ich höre Und wie ich merke, sind Sie verlobt? Maria steht auf, verbeugt sich und nickt ernst Sie sehen in dem Glücklichen gewiss So eine Art homerischen Helden —, wie? ANNA Herr General, den Helden kennen Sie, Er ist Ihnen sehr nah, wenn auch zurzeit — Abwesend. CHŁOPICKI Einer meiner Adjutanten? In meiner Nähe? — Alle sind um mich. Unmöglich — doch sein Name? ANNA / scherzend / Wen plagt jetzt Die Neugier? — Nun, ich dacht, es wurde schon Einmal nach ihm gefragt. MARIA — Oh, diese Qual … So leugnen Sie es denn, Herr General, Was sich geheimnisvoll und halb bewusst, Ein Trauerfalter in das Herz uns stiehlt, So dass das Lächeln auf den Lippen stirbt. CHŁOPICKI Mein wertes Fräulein, Herzen, welche lieben, Sind gar besondre Frager. MARIA Schlimm, dass mein Herz ein dumpfes Grauen fasst Und harte Worte meine Lippen trüben; Die goldnen Sehnsuchtsträume meiner Seele Zerstieben. CHŁOPICKI Schaun Sie mir eine Weile in die Augen. Wie schade, dass ein Tränenflor umzieht Dies Sternenpaar von strahlenden Saphiren; Der Haare Flut ein goldnes Diadem, Der stolze Zug zur Leidenschaft erblüht Und die Gestalt, die Geste, die Allüren, Der Stimme Timbre gleich dumpfem Silberklang Erwecken die Erinnrung an ein lang Geschautes Bild von wundersamem Reiz. Es war in Fontainebleau in meiner Jugend, Da ich im Parke mit dem Kniazewicz Zum ersten Male Josephinen sah. — Erröten? — Oh! Nicht um im Morgenrot Der Scham Sie schöner noch zu sehen, pries Ich Ihre Anmut, nicht darum ergoss Ich Purpur übers bleiche Antlitz meiner Schwermütig düsteren Corinna. Das kaiserliche Antlitz, kummerbleich, Verbarg die schwarzen Sorgen vor dem Volke Ängstlich verschwiegen hinter einer Wolke, Die undurchdringlich ihre Stirn umgab. Sie zog Unheil auf andere herab — Wem künden Sie Verderben? — MARIA Mein Herz nur kennt die Sorge und das Leid; Darinnen sollen sie verschlossen sterben; Icb wünscht, sie würden niemals Wirklichkeit. / Wendet sich wieder zur Schwester und sinkt langsam auf einen Stuhl, andere Personen umringen sie. / CHŁOPICKI / blickt sie einen Augenblick an, ruft dann / Der Offizier vom Dienste! DER JUNGE OFFIZIER / salutiert / Zu Befehl. CHŁOPICKI / etwas unsicher / Die Ordonnanz zurück? — So sehn Sie nach — DER JUNGE OFFIZIER Es kommt ein Soldat. CHŁOPICKI Ein einzelner Soldat? DER JUNGE OFFIZIER Ja, ein Soldat nur. Soll ich ihm entgegen Eilen und seine Meldung an mich nehmen? CHŁOPICKI Nein, — bleiben Sie. — Gar sterblich ist mein Geist, Da er das Unheil nicht zu bannen wusste. MARIA / wieder zu sich gekommen, verfolgt Chłopicki mit den Augen; zu Anna / Mir scheint, sein Geist hat der geheimen Kraft, Die mir das Herz erbeben lässt, gelauscht. ANNA Ich kenne ihn nicht anders, rätselhaft War er mir immer; er verstummt zu Zeiten Wie eine Sphinx, ein unterbrochner Donner, Dann ist er plötzlich wieder wie vertauscht Und schnelle Gluten seine Wangen brennen. Es ist, als kämpfte er mit den Gedanken; Die Kämpfe mag nur sein Gewissen kennen. MARIA Nein, Schwester — was mich zittern lässt, es ist Bereits geschehn, ich seh es vor mir, nur Wahnsinnge Angst und das Entsetzen ziehen Einen Gedanken groß, davon die Spur Auf seiner Stirn in diesem Augenblick Zu lesen ist; es nahen die Harpyien. Entsetzlich Mitleidsloser! Dieser gleiche Gedanke quält seit frühem Morgen mich Und bohrt und wühlt geheim und schauerlich. ANNA Was willst du, Kind —? MARIA / erhebt sich / Herr General… ANNA Maria! MARIA / blickt prüfend, zittert / …Sie wollten seinen Namen wissen, — Meines Verlobten Namen. — Er Heißt Josef Rudzki. CHŁOPICKI / als er gehört, schnell, kurz / Gott! ANNA Maria!… Liebe… MARIA / erhebt sich / Schwester! Er nannte Gottes Namen In einem Zug mit seinem Namen! / Andere Personen umringen die Schwestern und verbergen sie einen Augenblick vor den übrigen. / CHŁOPICKI Wo bleibt der Soldat —? Die Ordonnanz? DER JUNGE OFFIZIER Zymirskis Ordonnanz? CHLOPICKI Rapport! DER JUNGE OFFIZIER Das heißt?… CHŁOPICKI / leise, angstvoll / Die Stellung ist verloren; unsere Feste Dahin. Verflucht die tölpelhafte Führung. Wie spät? DER JUNGE OFFIZIER Gleich sieben. CHŁOPICKI Ich hab es gewusst, Dass bis zu dieser Stund mit Stumpf und Stiel Die ganze Division vernichtet wird. — Noch eine halbe Stunde — nicht so viel — Und wir erhalten die Gewissheit. Ich Befahls. DER JUNGE OFFIZIER Soeben kommt er auf den Hof … CHŁOPICKI / ohne sich umzuwenden, wie einem inneren Gesicht folgend / Als hätte ich mit eignen Augen alles … Nur ein Soldat —? DER JUNGE OFFIZIER Ja … CHŁOPICKI Nicht von meinen Leuten. DER JUNGE OFFIZIER Er kommt. CHŁOPICKI Man hätte ihm auflauern sollen, — So geben Sie ihm einen Wink, er schweige! DER JUNGE OFFIZIER Zu spät, ’s ist einer von den alten, der Gewiss so klug sein wird, nichts zu verraten; Gibt man ihm einen Wink, so fällt es auf. CHŁOPICKI Die Damen sehn auf uns. — Als er sich beobachtet fühlt, zu allen gewandt Militaria! Ich bitte, meine Damen, singen Sie. Vielleicht ein neues Lied, ich bitte Sie. DIE DAME DES HAUSES Ein neues Lied, das bei des Aufstands Kunde Uns ward beschert. Herrn Delavignes Munde, Des glänzenden französischen Poets, Entquollen einge Strophen und mit stets Bewundernswerter Leidenschaft und Kunst. CHLOPICKI Frankreich gab die Gedanken. DIE DAME DES HAUSES / den Dichter vorstellend / Unser Dichter, Der sie in polnischen Rhythmen abgefasst, Zwar nicht so klangvoll, aber unserm Fühlen Und unserm Lieben besser angepasst. DER POET Unsern Elan fasst ich in polnische Worte, Eh die Begeistrung des *moments* verrann; Welsche Gedanken zwar, — doch der Franzose Erstaunt, dass Schmerz ein Lied erzeugen kann. MARIA / hat sich plötzlich schnell erhoben, wendet den Blick nicht von Chłopicki / Wie bleich er ist. CHŁOPICKI / fiihlt ihren Blick auf sich ruhen, steht unbeweglich, etwas abgewandt / Musst es denn sein, dass ich sie heute traf, Ihr Herz mit schicksalschwerem Gram erfüllte, Zwar unbewusst, doch drum nicht minder bitter. Musste es sein, dass ich verwegen spielte Mit des Geliebten Leben und sie jetzt In ihrem Schmerze kennen lernen muss? Sie, deren Lippen Ruhmeslieder singen Von unsrer Größe und die doch zuletzt Von heisren Flüchen werden widerklingen? — O Tod! Du unsrer Jugend Blüte grauser Schnitter. ANNA / spielt indessen den Kehrreim des Liedes. / DER POET / nähert sich dem Spinett, lehnt sich mit Pose an, indem er den Takt angibt; allgemeine Unterhaltung / / Lied / „Polen, auf zu neuem Leben! Auf zur Freiheit, Polens Sohn! Dieses Feldrufs hohes Streben Straf der Feinde frechen Hohn!” / Während des Gesanges erscheint ein Soldat, ein alter Veteran, Gemeiner von Zymirskis Division; er ist beschmutzt, durchnässt und mit Schnee bedeckt; — die Anwesenden treten zurück; … er bleibt zwei Schritt vor dem General stehen, salutiert … Chłopicki streckt, ohne ihn anzusehen, die Hand aus; der Soldat reicht ihm ein Schriftstück; Chłopicki liest es schweigend und übergibt es dann dem jungen Offizier, der es hinter der Uniform birgt. / / Am Spinett wird jetzt die Melodie des Liedes gespielt. Chłopicki fühlt, dass sich der Soldat nicht rührt, wendet den Kopf; … der Soldat übergibt ihm ein kleines Päckchen, ein Stückchen Band, — Chłopicki nimmt es schnell und verbirgt es in der Hand. — Der Soldat salutiert schweigend; ab. / MARIA / hat alle Bewegungen des Generals verfolgt / Er erbleicht, — runzelt die Stirn, — das kleine Päckchen…, Der Soldat überbringt den Rapport … alles stimmt. — Der Bericht. — Ja. — Ah! Welch furchtbarer Schmerz verzerrt sein Gesicht — Es ist das Regiment, dem er diente — die Uniform, die er trug … Trug … ? Gott! Was denk ich? — Da sind Flecken … Blut — Das Päckchen gerötet, — das Band war weiß. Gott, — ist weiß! — Was hab ich Unglückselige gedacht —? CHŁOPICKI / verbirgt das Päckchen an der Brust, zum Offizier / Sie wissen alles. — Nicht ein Wort. — Habt acht Auf unsre Damen. ANNA / zu Maria / Du singst nicht mehr, Maria, du bist bleich. MARIA / halblaut / Die Saite sprang, des Liedes Worte fliehen; Und goldne Kränze welken Blumen gleich. SKRZYNECKl / mitten im Saal / Mir ists, als ob grad über unsern Häuptern Im satten Klang des Liedes Riesenleiber Wie Schlachtengötter rauschend uns umbrüllten: „Auf in die Schlacht!” — Gesteh, mein General, Mit Mühe nur kann man noch an sich halten Und das bewegte Herz beruhigen. Die Stimme, die uns ruft, weist dort hinaus, Dort auf das blutgetränkte Feld! — CHŁOPICKI / halblaut / Im Seherwahn besingt sie unser Unglück. MARIA — So wünschen Sie mein Lied, Herr General? CHŁOPICKI / schweigt einen Augenblick, mit veränderter Stimme / — Ich bitte drum. In Ihrem Liede klingen Gar wundersame Töne und dies Lied Lässt längst verstummte Harmonieen schwingen. — Die Wahrheit tritt vor meine Seele und sieht Gespensterhaft mich an. — Ein Augenblick — Und sie durchschaut mich ganz und sie erkennt Ganz die Verzweiflung, die mein Herz verbrennt. MARIA / steht, die Augen fest auf Chłopicki gerichtet / Schwester, lass klingen den Akkord, — Er rolle fort! CHŁOPICKI Ein Sturmwind rauschen die Akkorde weit — Durch Raum und Zeit. MARIA / flüsternd / Er ist gepackt. Im Rhythmus der Musik Beschleicht die Furcht ihn, — fliege Ton und sieg! CHŁOPICKI / von ihrem Blick gebannt / Sie blickt mich unverwandt und prüfend an; Kennt sie die Stürme, die mein Herz durchtoben? MARIA / zittert am ganzen Körper; ein Nebel senkt sich vor ihre Augen / Ich sehe mehr, denn meines Glückes Tod, Der eines Zufalls launenhaftes Spiel; Ich seh mein eigenes Geschick mit viel Gewaltigerem Schicksal eng verwoben. Musik, Lied, rausche, trüb die Harmonie Des Heldenlieds, — ich will mein Schicksal loben. / Lied / „Teures Polen, deine Kinder Sind an ihrer Sehnsucht Ziel, Erben jener Überwinder Einst am Kreml, Tiber, Nil. Zwanzig Jahre mussten siegen ln der Ferne sie verstreut: Mutter, die heut unterliegen, Ruhn von deinem Schoss betreut. ” MARIA / langsam, wie im Halbschlaf / „Mutter, die heut unterliegen, Ruhn von deinem Schoss betreut. ” / Man hört das Hornsignal des abziehenden Heeres, alle eilen an die Fenster; einige gehen hinaus; — nur Chłopicki und Maria bleiben unbeweglich stehen. / MARIA / mit veränderter, fast männlicher Stimme / Herr General… CHŁOPICKI Mein Fräulein? MARIA Der im Herzen Mir lieb und wert, er kommt mir doch zurück?! CHŁOPICKI Der Ihnen lieb und wert, mein Fräulein, ist Soldat. — Wir haben Krieg und heute Schlacht. MARIA Auch nach dem Kriege braucht das Land Soldaten: Die Scholle zu beackern, … sorgenschwere Künftige Zeiten heischen seine Rückkehr. CHŁOPICKI Gott geb es, Fräulein, ich bin selbst besorgt Um ihn, — noch hoff ich; — und bin doch in Sorge. — MARIA Weil Sie sich schuldig fühlen, General. Sie schweigen, Sie verheimlichen, Sie wagen Es mir nicht zu gestehn. Er kehrt nicht wieder. — Mein Gott, — Sie können es mir nicht versprechen, Dass er zurückkommt; — und das eitle Wort: „Vielleicht” — des Schicksals Unbeständigkeit — Kann Sie nicht retten. Sprechen Sie! Sie fühlen, Wie Sie vergeblich sich zur Lüge zwingen, Da Sie ein Herz belügen müssten; das Gleich einer wunden Taube scheu und zitternd Sich Ihnen naht. Ich weiß, — als ob ich wüsste — Ein furchtbar Ahnen dämmert in mir auf, Das Ihres Herzens angstverstärkten Schlägen Gewissheit abgelauscht hat. — Und was hilfts, Zu überwinden sich, sich einzureden, Die Furcht sei grundlos; — Ah! Sie wussten alles Im voraus!! Es ist schändlich, mitleidslos Dem sichern Tode ihn zu überliefern. Ich seh das ganze Land in Blut ertrinken, Durch diesen Krieg in Schmerz und Leid versinken. Gebt acht, Herr General, euch allen winken Die offnen Gräber dort. All euer Ruhm, All eure Schönheit, euer Heldentum Vergehen und verderben… …Schrecklich Flüche bringt mein Mund hervor, — Weit gähnt des Hades finstres Tor… Bereitet euch zum Sterben. CHŁOPICKI Um Gottes willen, Fräulein, Ihres Wahnes Entsetzlich dunkle Macht greift mir ans Herz Und schnürt es seltsam ein. MARIA Ich spiel zum Sieg, und meine Worte lügen! Sie kommen um, im Kugelregen liegen Sie reihenweis; ich seh die Haufen stürzen: Jetzt breit ich meine Hände über sie. Geheimnisvolle starke Mächte biegen Und brechen trockne Äste über ihren Reihn. Die Winde brausen, Kugeln fliegen, Die Kanonade dröhnt und heult Und scharenweise die Soldaten liegen Vom Donnerkeil des Schicksals hingemäht. — Sie haben nun den wahren Schmerz empfunden: Herr General! Eh noch die heutge Sonne Den Waldabhang bescheint mit junger Glut — Fließt durch Schneefurchen rotes Blut … CHŁOPICKI / betroffen / Das ist unsere Stellung, — Mädchen? Drohend, lauter, wie um Maria zur Besinnung zurückzurufen Mädchen! MARIA / groß, stark und drohend, weist auf ihn / Du fürchtest wie ich; — und du warst unser Gott! Erkenne die Hand des Verbrechers. Erkenne die Stimme des Rächers. Die Klage zerreißt und zerwühlt mir das Herz Im dumpfen Erkennen der Not. Ertrag ich des Jammers Unendlichkeit, Die Allmacht der Klage, das bittere Leid, Ertrag ich den reißenden Schmerz? Mit dumpfem, gewaltigem Harfenklang Stöhnt es und ächzt es verzweifelt und bang. Donner, wie an des Felsens Granit An meiner Brust zerschelle, zerbrich. Was da geschehen wird, verkünde ich Euch, was noch heute geschieht. Frei war ich, trotzte den stolzesten Mächten, Jetzt schmacht ich in dunkelster von allen Nächten. Ich durfte befehlen, — jetzt bin ich die niedrigste Von allen niederen Mägden. Die kaum ganz vernarbten noch brennenden Wunden Quellen von neuem in mir. Kraftlos, zertreten, in Ohnmacht gebunden Steh ich vor dir. CHŁOPICKI Du unglückselige Seherin! Das Heer zieht in den Kampf, — der nahen Schlacht Kanonendonner zittert durch die Luft. MARIA Mit mir ist Geistermacht!! Berge von Leichen — Titanengruft!!! Das Schlachtfeld kennst du fein!! CHŁOPICKI Der heutge Kampf entscheidet unser Sein; — Mir ist, als müsst ich heut in dunkle Nacht Mich tasten. Auf des Ruhmes goldnen Wegen Tritt deiner Seele Schatten mir entgegen. / Alle rüsten sich zum Aufbruch; die Generäle warten und sehen auf Chłopicki; draußen ertönt das Abmarschsignal / PAC Wir warten, General, was zögerst du? CHŁOPICKI So wartet nur. Hab ich die Führung hier? Wer führt euch an? Der Fürst! — So geht zu ihm. PAC Du hast durch Zögern schon genug gefehlt. Du bist der einzge, der uns führen kann; Willst du die Niederlage und dass man Dir Schuld gibt? Sag doch, was hat dich gequält, Dass du die Führung, einmal übernommen, Nicht weiter beibehalten? CHŁOPICKI Ach, der Teufel Hat sie gegeben und hat sie genommen. PAC Wehe dem Volk, das Wankelmut regiert. CHŁOPICKI / schnell / Kennt ihr ihn, der da führt Blitzesgleich — donnergleich? Kriegsheroen leiten ihn, Sturmwinde begleiten ihn. Es ist Mars, ist der Geist, Der da schwebt, der da kreist. Nur ein Wink und ein Volk Steht in Waffen starrend, — Kampfgetöse ringsumher, Rosse schnauben scharrend. Über Feldern schwebt der Tod — Über Feldern blutigrot. Langsamer Ich bin ein einfacher Soldat und will Kein Störenfried bei der Beratung sein; Will Wunder tun; befiehlt nur, euer Ziel Soll meines sein; ich will euch Diener sein. Bedenket, wie gewaltig groß Er war, Wie mit Gigantenkraft er Wunder konnte schaffen, Indess in meiner Brust heut Wunderdinge schlafen. Wendet sich zur Büste Napoleons O Kaiser!? Wir taten Wunder angesichts Europas Für dich, für deinen Glanz und deinen Ruhm, Um deine Siege rang das Heldentum Unserer Söhne. Heut, da unser Los, Da unsre Zukunft auf dem Spiele steht, Lähmt Ohnmacht unsern Mut, die Kraft vergeht; Die Welt verhüllt ihr Antlitz im Gebet. Mein Kaiser, — war dein großer Ruf nur Lüge —? Wir führten ungezählte Legionen Zum Kampf ums Glück für dich ins Feld zum Siege; Du konntst mit manchem Lorbeer uns belohnen, Das gierge Ohr trank manches schöne Lob. Heut sind vom Weltenruhm, der uns umwob, Sind von dem geisterstarken Adlerbunde Die Scherben und die Fetzen nur geblieben. O Heimat, Vaterland, der letzten Stunde Eilt schwankend deines Schicksals Zeiger zu. — Mein Kaiser, — das Verhängnis trifft uns schwer. Den vom Geschick Verfluchten werden nimmer Sich willge Arme leihen. Du, mein Kaiser, Wie oft hast du mich bei der Hand genommen, — Die Schläge meines Herzens wurden leiser — Du wiesest mit der Rechten in die Ferne Auf Grodno, Wilna — und es fielen Sterne. — Ah, ich verstand, dass du ein größer Polen Erstehen lassen wolltest, um den blassen Bajazzi von Europa unverhohlen Die Größe deiner Macht fühlen zu lassen. Und heut empfangen wir von Frankreichs Throne Worte, in Harmonie getaucht, zum Lohne. — Geht nur allein. Mich packt ein dumpfes Ahnen Und führt den Geist auf wundersame Bahnen. Ich kann nicht mit euch gehn. Gebrochen sind die Schwingen, — Der feste Glaube nur lässt solch ein Werk gelingen. Der Glaube, der da auf Granit gegründet, Den Stürmen widersteht, der fest gebaut; Der rein und unberührt nur sich vertraut Und seiner Kraft, und im Gebet sich findet. — Ein andrer führe euch, mag sein, dass er Vom Glück begünstigt ist … PAC Nein — nimmermehr. Du musst. Denk an die unberührte Jugend, An ihres Feuers schlackenlose Tugend; Sie blickt auf uns. Zeig uns nun, wer du bist Und quäl uns nicht mit Klagen — du Statist. SKRZYNECKI Nur du allein kannst, was zu retten ist, Noch retten. Komm und keine Zeit vertan! Ich weiß bestimmt, du hast den fertgen Plan Im Kopfe. Geh und zeige dich den Leuten, Dein Anblick schon wird ihnen Sieg bedeuten. CHŁOPICKI Das Flammenmeer des Mutes, der Begeisterung Hat einst vor Sarragossas Tor geloht. Wir haben unsrer Jugend Kraft und Schwung Frankreich geopfert. SKRZYNECKI Zymirski ist tot; Der Eigensinn, der böse Wille hat Sein Opfer schon. — Die Stellung ist verloren. Die schlimme Kunde eilt schon durch die Stadt. Er fiel … CHŁOPICKI Ich weiß, das einzge Unglück ist. Dass er nicht eine Stunde früher fiel. SKRZYNECKI Du kränkst uns immer ärger, General. CHŁOPICKI Dort hätt ein andrer kommandieren müssen. Ich hab von Anfang an vorausgesehn, Dass er verloren war. Der Fürst konnts wissen, Der ihn dorthin gestellt. Der Fürst konnts wagen. Radziwiłł führe! Ich hab nichts zu sagen. PAC Radziwiłł? Meinst du? Nun, man muss sie kennen; — Untrüglich ist des Fürsten Stern im Sinken; — Man hört auf Radziwiłł, solang er nicht Befiehlt. SKRZYNECKI Sie waren, Graf, als erster wohl Am Steuer. Nun geht es von Hand zu Hand Wie einst der Ball Nausikaas. PAC Es ist Unter Fortunas billigem Losungswort Das alte Spiel polnischer Amulette. SKRZYNECKI Und vor uns, hinter uns der Feuerschein Von Bränden rings. Ja, hätte man … PAC Gar nichts. Redseligkeit und engelsgute Herzen Und Adlersinn vollbringens nicht allein. Ein Schiff, das ohne Mast, muss untergehen. CHŁOPICKI Sache des Fürsten! Mag er selber sehen, Wie er es schafft. PAC Er wird zu deinen Gunsten Verzichten aufs Kommando. CHŁOPICKI Sollte es Nicht tun, — kennt er doch den Spott. SKRZYNECKl Geh mit uns, General! MAŁACHOWSKI Mit uns, den Alten! So sieh doch, wie es glimmt in den Ruinen. Der Augenblick ist heilig, — führe sie, Da sie dich bitten. — Lies in ihren Mienen: Dein Wort ist heilig, — ist Befehl für sie. Der Fürst tritt ab, — er lässt dir seinen Platz; Weigre dich nicht, — du weißt, nur du allein Kannst uns noch retten, — trittst du jetzt zurück, Gehn wir entgegen sicherm Untergang. SKRZYNECKI Du kannst den Fürsten zwingen. — Schon zu lang Währt uns sein Zögern. Jeder Augenblick Ist kostbar. CHŁOPICKI Wie würde es dir wohl taugen, Wenn der Befehl in deinen Händen läge Und wenn dem stolzen Bau vor deinen Augen Der Einsturz drohte. Nun? Bedenke wohl, Die Stunde kommt, — sie ist noch stets gekommen — Da du den Helmbusch mit dem Sterne zierst, Wenn du den Gipfel höchster Macht erklommen, Wenn du, wie jetzt der Fürst, sie kommandierst. Gib acht, man stellt auch dir alsdann ein Bein. — Aus meinen Worten spricht der Wahn allein. SKRZYNECKI Ich werds vergessen. Furchtbare Dämonen Sind es, die tief in deiner Seele wohnen. Noch drang zu mir bis heute nicht der Ruf. Mag sein, dass Gott auch mich zum Führer schuf; — Reicht er das Schwert mir, soll es mir nicht rosten, Ich steh auf meinem gottbestimmten Posten Und wehr mich redlich meiner Haut. Doch du, Du bist des Schlachtengottes Lieblingskind, — Bedenk, in welcher Lage wir jetzt sind, — Besinn dich und erkenne deinen Wert. CHŁOPICKI Schmeichelt mir nicht. Die Zeit wird kommen und Das Los entscheidet, was entscheidenswert. Der Geist in mir wird von dem Erdenrund Empor sich schwingen wie in den Erwählten, Zu deren Füßen ganze Völker liegen. Ich weiß nicht, ob an Stelle der verfehlten Und halben Maßnahmen die Eintracht siegen Wird hierzulande. Eines weiß ich nur, Mein ist der Tod auf rotbetauter Flur, Wenn mir der Himmel nicht den Sieg beschert. Nicht daran denk ich, wer von uns als erster Im Kampfe fällt, nur daran, dass das Gold Der nächsten Morgensonne über schwerster Doch schönster Siegestat erstrahlen sollt. SKRZYNECKI So lass den Kampf, den Ruhm, den Siegespreis Den stolzen Führergeist in dir beseelen. Bei den Beratungen schweigst du allein, Wenn alle ihre Ansichten erzählen Und doch im Grund von dir belehrt zu sein Allein verlangen. Und du fühlst genau, Dass alle Pläne, wohl bedacht, ins Grau Des Nichts zerfließen. Dass wir den Befehlen, Die wir erteilt, durch Gegenordre gleich Die Möglichkeit, sich zu bewähren, stehlen. Dann schiltst du uns. Du hast es ja gewusst, Wohnt doch der reichre Geist in deiner Brust. Doch statt mit deinem Rate uns zu leiten, Lässt du uns auf der Bahn des Irrtums gleiten. Da ists doch wahrlich besser, selbst zu raten Und selbst zu handeln nach dem eignen Plan. CHŁOPICKI So achtet euren Führer; schweigt wie er. Nur mit gebundnen Zungen sollte man Bei uns ans Rekrutieren gehn. Das Plaudern Verdirbt uns alles. Arme brauchen wir, Nicht Zungen. Starre Herzen, die nicht schaudern, Nicht Prunk und goldner Stickereien Zier. SKRZYNECKI Eil uns voraus, entfalte deine Schwingen, Da Gott dir Adlermut und Geist verlieh. CHŁOPICKI Könnt einer mir den Glauben wiederbringen … SKRZYNECKI Der Glaube ruht in dir, mein General! Glaub an des Volkes Stern, glaub herzlich, innig Und überlass das Schicksal allemal Seiner Bestimmung. — Mut! … CHŁOPICKI / verändert / Mut, ruft ihr, wohl, Den Mut, den hab ich, tausendfältgen Mut … Ich bin der eure! ALLE / begeistert / Führ uns, Held, Diktator! Der Glaube folgt dir, unser aller Glaube. Chłopicki lebe! hoch! mit dir der Glaube! CHŁOPICKI / leiser / …Mit euch dorthin zum Kampfe, wie zum Spiel… Euch Feuerschlünden, der Kanonen wild Gefräßgem Todeshunger, dem Gewühl Zuckender Leiber euch entgegenführen, — Hört mich… / Bricht plötzlich ab — Stille, alle lauschen. / MARIA / laut, seltsam ruhig / Dahin ist euer Glaube. Fern Vorübergleitend rückt Ihr Schicksalsstern, … Und so sind Mannen, ist die Schlacht verloren — / Einige sehen sie mit Verwunderung an. / CHŁOPICKI / blickt ihr unverwandt ins Auge / Aus Ihren Worten dringt an meine Ohren Ein Rätsellaut, der lang verstummte Saiten Mittönen lässt, die alte Ritterweise Erwacht und es erwacht in mir der Held. In Ihren Augen seh ich meiner Augen Abglanz. Auf langer Wimper zitternd gleiten Die Tränen nieder und der feuchte Tau Senkt sich auf ein verlornes Leben nieder, Auf eines großen Wollens Trümmerwelt. Der Flug misslang, und es schleift das Gefieder Kraftlos im Schnee; der Horizont ist fern, Fern ist des Schlachtfelds blutigrote Bahn … Wie viele traf die Kugel schon im Kampf; Mich hat ein wunderbar Geschick bewahrt. Warum denn mich? War es nicht wohlgetan, Ich stiege auch zur Nacht des Grabes nieder, Der ich meine Gedanken aufgebahrt Seit langem schon und wieder — immer wieder Genarrt, geblendet, in der Gegenwart Ein Zerrbild einer Größe nur erlebte, Die mir vom Hochmut vorgegaukelt ward. — — — — — — — — — — Der Kriegsruf scholl, der große Geist erbebte In mir aufs neu, ich zittre — ich erschaure Vor Freude tönend — — stolzen Traumes Glück Atmet das ewig waltende Geschick. Gefaltet meine Hände steh ich, — laure, Bis sich der Traum erfüllt, ein Nebelflor Die Wirklichkeit verhüllt … dort rückt mein Stern — Mein Glücksstern … heller als ein Meteor Erstrahlt sein Glanz, — ereilt … er fällt — ganz fern — Sinkt in den Abgrund — in des Abgrunds Tiefen Funkelt er noch irrlichternd bis zuletzt … — Schicksal, erfülle dich … ; mich narrt das Fatum. Mag sein, seis drum, ich bin der eure jetzt! Mein Pferd! Mein Schimmel trägt mich weit voran. Mein Pferd! Sind alle schon versammelt? Gut. Ich führe an! / Bewegung unter den Offizieren. Anna steht am Spinett, spielt mit einer Hand und singt; einige singen leise mit, wie um die Worte des Liedes zu lernen. / CHŁOPICKI / zu Maria, indem er die allgemeine Bewegung benutzt; ernst, bedrückt / Leben Sie wohl, Fräulein Maria. Zu den Offizieren, Generälen Vorwärts denn, meine Herren! Ha! Ich sehe, Das Heer zieht schon vorbei. — Ich kommandiere! Leiser Wie sie mit ihrem Blick mich bannt. SKRZYNECKl / halblaut / Strohfeuer —? Er zögert, blickt dem Mädchen unverwandt Ins Auge… CHŁOPICKI / zu Maria / Sie wünschen keinen Händedruck von mir; — Und ich ertrage Ihre Worte nicht. Vielleicht steh ich schon an dem großen Tor Des Schattenreiches, daraus kein Entrinnen; Drum von der Schwelle, eh ich geh von hinnen — Ein letztes Lebewohl. ANNA / ahnend / Schwester, du zitterst. Du wankst, was ist dir, Teure, Liebe? Sprich! / Sie tritt neben die Schwester, stützt sie; alle, außer den Mädchen, gehen hinaus. / / Anna am Fenster, sieht auf die Straße. / MARIA / inmitten des Salons, nahe dem Spinett; — halblaut / — Warum frag ich? — Warum forsch ich? Weiß ich nicht nur zu genau … ? Gott, was ist mir? dunkel ist mir Vor den Augen … nebelgrau. — Von dem Felde hallen dumpf Die Kanonen, Schnee bedeckt Felder, Wälder, Kampfgefild. Geister stehen auf und tanzen Übers Land in rasend wild Tollem Wirbel über Schnee … Durch den Schnee — den weißen Schnee. In dem bleichen Totenbild Glüht ein Blutfleck, dran sie starben. — Stolze Stirnen … Führten ihn zum Altar … Adler — ihn, der mein war. Gott, was ist mir —? Hab ich denn all das Leid Vorgeahnt? Doch es kann Täuschung sein. Nein! — Nicht das!! — Ach! — Liegt meine Seele im Bann Ewiger Nacht? / Blickt regungslos vor sich hin. / ANNA / am Fenster links / Maria, sieh doch, sieh — sie reiten fort — Siehst du Chłopicki dort …, er steht allein — Sie führen ihm sein Pferd zu — wie der Schecke Sich bäumt … ah! … Doch sie haltens, er steigt auf; — Welch herrlich stolzer Mann, — welch Kriegerblick; Auf unser Fenster sieht er unverwandt, Fast nimmt michs wunder. Hat er uns erkannt? — So komm doch zu mir — immer blickt er her, Doch scheint sein Blick mir über uns hinweg Gerichtet in die Weite………. MARIA Überm Heer Sieht er zwei schwarze Flügel ausgebreitet, Unheilbedeutende — ANNA Da Małachowski! — Skrzynecki! Sie besteigen ihre Pferde; Enteilen wie die Winde. — Gott! Ulanen! Die müssen siegen!! MARIA — und sie ziehn hinaus Weit zu des Schicksals Schmiede. / Geht langsam zum Fenster. / ANNA Sieh nur! Sieh, Wie schön sie sind, wie jung, wie göttlich stolz. Die ganze Straße füllen sie, es wogt Ein Meer von Rossen und von Reitern — — — Schwester, Ich weiß nicht, aber der Gedanke selbst, Es könnte einer fallen, von der Kugel Getroffen werden, dünkt unfassbar mich — Sie fluten hin, wo sie ein Kugelschauer Erwartet. — Schwester, mir müsste mein Herz Zerspringen. Oh, die Unsern, Unsern, Unsern! MARIA Mein Herz erstirbt. Die Schönheit schmückt sie reich Für ihres Lebens letzte Augenblicke. Sie sieht hinaus und fährt zusammen; plötzlich beugt sie sich zum Fenster vor Ist das Chłopicki, der sein Pferd jetzt wendet —? Er sieht hierher, er ruft, winkt mit der Gerte… ANNA Und schon ist Jan beim General; siehst du, Ihn hatte er herbeigerufen. Nun Spricht er mit ihm, gibt ihm ein kleines Päckchen. MARIA / zitternd / Dasselbe Päckchen, das ihm der Soldat Gegeben hat. ANNA Mein Liebster salutiert. Wie? Hier zu uns? — Er eilt zu uns! — Zu uns? MARIA / begreift schnell / Zu mir … Er wagte nicht, es selber mir zu sagen, Er schickt den Adjutanten, … einen Boten. — Auch dieser Bote wird bei meinem Anblick Verstummen; Tränen werden ihm die Botschaft Unausgesprochen in der Kehle ersticken. Laut Nein! — Nein! — Halt ein, mein flinker Bote, Mach mich nicht unglücklich!! — Dein lebend Wort Soll mir das letzte bisschen Leben nicht Ertöten … Schliesst schnelt die Seitentür links Noch lebt er in mir, ich sehe Ihn deutlich noch vor mir, an meiner Seite, — Beim Abschied — ja, er lebt, … er lebt, … er lebt … ANNA / erschreckt, spricht durch die Tür / Sie sinds, Herr Jan! — Zu Maria Was ist dir —? MARIA / heftig / Nicht… nicht rufen!! ANNA / leiser — schamhaft / Doch sieh, mein Schwesterchen, wir wollen auch Lieb voneinander Abschied nehmen — drängt sie leise von der Tür ab bitte, So lass mich, Schwester, — du verstehst, … du liebst Ja selber — / Der junge Offizier stürzt herein und bleibt beim Anblick Marias an der Tür stehen, Anna eilt auf ihn zu; Maria zittert heftig, lässt sich regungslos am Spinell nieder, folgt in äußerster Spannung jeder Bewegung des Offiziers; dieser küsst Anna die Hand. Sie löst mit der Linken ein Band aus ihrem Haar und gibt es ihm. / ANNA Hier, nehmen Sie dies Band… DER JUNGE OFFIZIER / betroffen / Fräulein Anna!… ANNA Ah! — So haben Sie mein Band wohl gar Sich nicht einmal gewünscht? Sie zögern ja Es anzunehmen —? MARIA / in Träumen / Jenes Band, es war Vom Blute rot; vielleicht bracht er es her, Hierher… ANNA / zum Offizier / Ich schenke Ihnen Glück und Ruhm. MARIA / laut / Heute morgen, als der Tag erwachte, Schmückt ich meinen Ritter mit dem Band; Schenkte ihm mein Glück, und mein Verlangen Nach dem Ruhm gab ich ihm auf den Weg. Meines Helden Schicksal lässt Sie bangen —! DER JUNGE OFFIZIER / nimmt das Band ernst, den Blick auf Maria gerichtet / Mein Leben für mein Vaterland! Das ist Das Glück, der Gipfel allen Ruhms. / Maria sieht ihm ins Auge; — geht dann durch die erste Tür rechts ins Nebenzimmer. / ANNA Sie erbleichen, Herr Jan, was ist Ihnen? Warum sind Sie plötzlich so blass geworden? DER JUNGE OFFIZIER / nach Marias Abgang, schnell, den Blick auf die Tür gerichtet, durch die Maria gegangen ist / Um Gottes willen, Fräulein Anna, hören Sie mich ruhig an; — Josef ist vor einer halben Stunde gefallen; — heute früh beim Morgengrauen hat der General ihn selbst in eine Stellung geschickt, die er bereits für verloren hielt. Nur aus Eigensinn, um die Unfähigkeit des Fürsten darzutun, befolgte er die erteilten Befehle; — Josef meldete sich dorthin, er bat darum; wusste er doch, dass einer von uns würde gehen müssen. — Von der ganzen Division ist nicht einer übrig geblieben; der Soldat, der vor einer Weile hier war, jener alte Veteran, war, wie sich herausstellte, schwer verwundet; er wollte es sich nur nicht merken lassen. — Draußen auf der Diele wurde er zur Ruhe gebettet; — dieser Soldat überbrachte die Meldung, dass die ganze Division aufgerieben ist. ANNA Meine Schwester! DER JUNGE OFFIZIER Gestern abend, als Josef schon die Erlaubnis vom General erwirkt hatte, bat er ihn, und dabei lachte er, für den Fall, dass er nicht zurück käme, das Band von seiner Brust eigenhändig seiner Braut zurückzugeben … Der General versprach es. Wir lachten und scherzten. Niemand von uns ahnte, dass die Stellung dermaßen bedroht war und dass Chłopicki sie für unrettbar verloren hielt … Jetzt eilt er selbst dorthin, dem Tode nach, Der ihm so viele seiner besten Leute Geraubt. Vorn an der Spitze sprengt er hin Unsern Schwadronen weit voraus. — Man muss Ihn sehen, wie der kriegerische Geist Im Taumel ihn gepackt … / Abmarschsignale / — Hier ist das Band; — Der General fand nicht den Mut, es ihr Zurückzugeben. ANNA / nimmt das Band / Mein Gott! Ganz blutgetränkt! DER JUNGE OFFIZIER Leben Sie wohl! ANNA / auf ihn zu, schlingt die Arme um seinen Hals; wirft dabei das blutige Band auf die Tasten des Spinetts / Herr Jan, — mein Lieber … du … ach du! DER JUNGE OFFIZIER / presst sie an sich, halt sie umschlungen und dreht sie einige Male herum; setzt sie dann auf einen Stuhl und eilt hinaus; in der Türe wendet er sich um und ruft, aufs Fenster weisend / Viertes Regiment, Anna! ANNA / springt auf schnell / Die Vierer! Lass sehen … / Eilt ihm nach / / Wiederholtes Abmarschsignal, bald lauter, bald leiser, tönt aus verschiedener Entfernung, von der Straße her; vor den Fenstern ziehen Truppen zu Fuß und zu Pferde vorüber. Man sieht die Pferdeköpfe und die Oberkörper der Reiter. Ununterbrochenes Getrappel, Dröhnen und Geklirr. / MARIA / kommt aus der Tür rechts; ihre Haare sind in Unordnung; sie geht wie eine Bildsäule; ihre Augen, weit geöffnet, glänzen; — sie schreitet wie im Traum, die Hände leicht vorgestreckt / Ich weiß, ich weiß. Sie wagen nicht vor mir zu sprechen. — Ihr schweigt; doch ich errate, lese in euren Mienen; Seht mir ins Auge, ich errate alles … Sausen, Dröhnen — so viele Männer … Männer Allbeieinander … / öffnet mechanisch beide Fenster; die vorüberreitenden Offiziere und die Truppen sehen sie. Gesang der vorüberziehenden Truppen / „Adler, flieg mit leichten Schwingen, Polens Ruhm und Hort der Welt…” MARIA / geht zum Spinett; als sie die Tasten berührt, schlingt sich das Band um ihre Finger, das blutigrot sich über die Tasten schlängelt; — schluchzend fällt sie vornüber auf die Hände, auf die Tasten. Dumpf stöhnen die Saiten des Spinetts und seufzen. — Man hört Marias Schluchzen — Sie hebt den Kopf ein Strom überirdischer Kraft geht durch ihren Körper: sie strahlt gleichsam davon; — sie spielt kraftvoll und singt / „Adler, flieg mit leichten Schwingen, Polens Ruhm und Hort der Welt. Frei wird, wem die Glocken klingen, Frei ist, wer im Kampfe fällt.” / Erhebt sich vom Spinett und geht zum Fenster / „Dien dem Ruhme, Adlerbrut. Reiß die Brust und hack das Herz. Weiß Gefieder tränk in Blut; Eile, fliege himmelwärts. Nimm die blutgen Opfer hin: Da die Deinen, da die Deinen Hoch zu Ross, in Waffen starr Folgen dir — immerdar. Eile, fliege, Heldentum, Nach dem Ruhm, dem Ruhm, dem Ruhm!!!” / Zittert, wankt am offenen Fenster, die Hand gegen die Vorüberziehenden ausgestreckt; Anna stürzt herein. / ANNA / schließt das Fenster links; dann / Die Fenster zu! Wie kalt! Oh, deine Hände Sind ja wie Eis! Du bist ja außer dir … MARIA / streckt die Hand gegen die Vorüberziehenden aus / Aus tausend Wunden der gequälten Erde Spritzt rotes Blut; — Blut unsrer Brüder färbt Die ungebornen Saaten in dem Schoß Der Erde rot. Rings atmet roter Dampf. — Wer ists, der mit allmächtiger Gebärde Euch ruft zum Kampf, Damit ihr sterbt Und meines Liebsten Los Euch werde? — Siehst du sie zu den Gräbern ziehen? Da werden Kreuze blühen, Wo Sträucher unter frostgen Steinen Jetzt weinen. ANNA / weicht entsetzt von ihr zurück / Maria, welche Worte? Gott! Maria!! Sie ziehen für ihr Vaterland hinaus Und du stößt solche harten Worte aus, So schrecklich harte Worte, Schwester — MARIA / besinnungslos / Sieh! Ihnen im Gefolge, über ihnen Wer ists? — Schneeflocken tanzen einen Reigen Im Sonnenlicht, — die Sonne zieht sie an, Sie eilen, eilen alle Mann für Mann. Ah! Siehst du dort die weißen Adler steigen, Die weißen Adler, hunderte an Zahl? Es scheint der Adler eine dichte Wolke. Siehst du auf ihrer Brust das rote Mal? ANNA Schwester! MARIA Fluch! Fluch! höchste Lust!! Rasender Schmerz zerreiß mir die Brust; Was kann dein Lieben mir geben. — Hörst du sie singen, hörst du es klingen, Es sind die Adler, — die Adler, die singen, Sie singen, sie schwingen, sie weben. Sieh dort oben, dort oben im Schnee, Dort auf der sonnedurchglühten Höh: — Adler fliege, flieg Adler, flieg! / Gesang der vorüberziehenden Truppen / „Adler, flieg mit leichten Schwingen, Polens Ruhm und Hort der Welt.” MARIA Mein Herz ist tot, Weck auf mein Herz, — Schwester … ich fühl es nicht mehr. — Gib mir die Hand — tot — alles tot. — Rufe doch, schreie … wecke mich auf; Gib mir mein Fühlen zurück. Sieh, meine Hände sind kalt und steif Und die Gedanken erstarren zu Eis. — — — — — — — — — Ah! was seh ich? Und was wollt ich —? — Forderte den Ruhm heraus! Mit dem fluchbeladnen sollt ich Tränen ernten, Nacht und Graus: Und er nahm mein Herze sich Mit der eisgen Hand. — Hat wie eine Blume mich Mitleidlos verbrannt. / Die Schwester führt sie in die rechts gelegenen Zimmer. / / Gesang der voriiberziehenden Truppen / „Adler flieg mit leichten Schwingen, Polens Ruhm und Hort der Welt.” Vorbemerkung Die dramatischen Werke des leider dem deutschen Publikum völlig unbekannten Neuromantikers *Stanisław Wyspiański*, eines der stärksten Talente der letzten Zeit, erscheinen in deutscher Bearbeitung von Dr. St. v. Odrowonsch innerhalb der von Dr. A. v. Guttry und W. von Kościelski begründeten und herausgegebenen „Polnischen Bibliothek”. Der bekannte Literarhistoriker W. Feldman schreibt in dem Vorwort zu den Werken Wyspiańskis über die „Warschauerin”: „Der polnische Aufstand vom Jahre 1830/31 musste auf den Dichter seinen Zauber ausüben: Wyspiańskis durchaus männlicher Natur entsprach dieses Bild des polnischen *Heroismus* mehr, als der Aufstand vom Jahre 1863, wo keine nationale polnische Armee bestanden hat und wo das Volk in erster Linie als *Dulder* erscheint. Im Jahre 183o/31 kämpften noch an der Spitze des Aufstandes Generäle, deren Namen schon in den Napoleonischen Kriegen mit Ruhm bedeckt waren: ein Chłopicki, ein Skrzynecki, ein Chłapowski, ein Dwernicki und andere und auch der jüngere Nachwuchs war ihrer würdig. Sie errangen Siege über die Moskowiter, die in ganz Europa Bewunderung auslösten. Auch das Malerische, Dekorative des Aufstandes von 183o musste der Eigenart der Wyspiańskischen Phantasie zusprechen. Der Dichter und Maler hing deshalb an dem Jahre 183o; der Denker musste sich indessen die Frage vorlegen, weshalb, trotz der glänzendsten Führer und ihrer Siege — der Aufstand selbst mit einer Niederlage endete. Der Seher sah aber auch in diesen traurigen Bildern die Anzeichen einer freien, besseren Zukunft. Nicht Drama, sondern „Lied aus dem Jahre 1831” heisst das erste Stück, das am 29. November 1898, dem Gedenktage des Novemberaufstandes, in Krakau aufgeführt wurde. Zum ersten Male hat der Dichter damals von der Bühne aus gesprochen; der Eindruck — besonders auf die Jugend — war groß und anhaltend. Keine Spur von der herkömmlichen Technik der „Einakter”, keine Spur des üblichen patriotischen Schlagers. Glänzend im malerischen Sinne des Wortes gestaltet sich das Bühnenlied: der Empire-Salon, die Gesellschaft der illustren, auf allen Napoleonischen Schlachtfeldern erprobten Helden, die tiefergreifende Handlung, die doch weit davon entfernt war, Bühnenhandlung im gewöhnlichen Sinne des Wortes zu sein, die Neuheit und der Flug der Gedanken, mussten hinreißen. Zwei Welten kreuzen sich hier: die klassizistische Empirewelt der alten Generäle, die nur den Tatendrang und den Sieg kannten, und die junge, von Byron und der Romantik durchwehte Welt, die sich von der Sehnsucht nach Ruhm und dem Heldentod leiten lässt … Wie viel dramatischen Inhalt wusste der Dichter hier einzuflechten! Individuelle Tragödien: Marie, die ihren Bräutigam um des Ruhmes willen in den Kampf schickt, erfährt seinen Tod und verwandelt sich unter diesem Eindruck in eine polnische Kassandra; der harte, rücksichtslose Soldat Chłopicki hat zuerst den Bräutigam Marias in den sicheren Tod gesandt, leichten Herzens, um die Unfähigkeit des kommandierenden Generals zu erweisen — die Verzweiflung Marias umgibt aber auch diesen Soldaten mit einer weichen, romantischen Todesstimmung. Und die tragische Schuld, die auf den Führern lastet und die Niederlage der ganzen nationalen Bewegung bedingt? „Jeder von ihnen war als ob er geistig krank sei” — urteilt Kasimir der Große in dem Poem gleichen Namens; das lässt sich auch hier wiederholen. Ihnen fehlt der Glaube, sie haben nur Mut. Sie sind unter Umständen glänzende Soldaten, die für das Vaterland zu sterben wissen, aber sie sind keine Männer, die voll Siegeszuversicht und zielbewusst handeln. Der Kampf ist also vergeblich.” Der visionäre und prophetische Dichter verfügt, „durch die Plastik und vorstürmende Beweglichkeit seiner Visionen zum Bühnendichter prädestiniert”, über ein „seltenes Gefühl für Bühnenwirksamkeit und eine geniale Eigenart in seiner Verwirklichung. Seine reifen Werke sind unübertrefflich in ihrem Aufbau, in der Steigerung der Spannung, in den Schlussakkorden, wobei sie ganz frei von jeder banalen Effekthascherei bleiben. — Symbolische Ornamentik, musikalische Stimmung und tiefbewegtes Seelenleben vereinigen sich, um eine in ihrer Schönheit einzige Welt zu schaffen”. Wyspiańskis überwältigende Dramen wurden auf allen polnischen Bühnen mit größtem Erfolge aufgeführt und enthusiastisch aufgenommen. ----- Ta lektura, podobnie jak tysiące innych, dostępna jest na stronie wolnelektury.pl. Wersja lektury w opracowaniu merytorycznym i krytycznym (przypisy i motywy) dostępna jest na stronie http://wolnelektury.pl/katalog/lektura/wyspianski-die-warschauerin. 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Wydawca: Fundacja Nowoczesna Polska Publikacja zrealizowana w ramach projektu Wolne Lektury (http://wolnelektury.pl). Wydano z finansowym wsparciem Fundacji Współpracy Polsko-Niemieckiej. Eine Publikation im Rahmen des Projektes Wolne Lektury. Herausgegeben mit finanzieller Unterstützung der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit. Opracowanie redakcyjne i przypisy: Paulina Choromańska, Antje Ritter-Jasińska. ISBN-978-83-288-2947-3