Heinrich von Kleist Der zerbrochne Krug ein Lustspiel ISBN 978-83-288-2354-9 PERSONEN * WALTER, Gerichtsrath * ADAM, Dorfrichter * LICHT, Schreiber * FRAU MARTHE RULL * EVE, ihre Tochter * VEIT TÜMPEL, ein Bauer * RUPRECHT, sein Sohn * FRAU BRIGITTE * EIN BEDIENTER, BÜTTEL, MÄDGE, etc. Die Handlung spielt in einem niederländischen Dorfe bei Utrecht. Scene: Die Gerichtsstube ERSTER AUFTRITT / ADAM sitzt und verbindet sich ein Bein. / / LICHT tritt auf. / LICHT Ei, was zum Henker, sagt, Gevatter Adam! Was ist mit euch geschehn? Wie seht ihr aus? ADAM Ja, seht. Zum Straucheln braucht's doch nichts, als Füße. Auf diesem glatten Boden, ist ein Strauch hier? Gestrauchelt bin ich hier; denn jeder trägt Den leid'gen Stein zum Anstoß in sich selbst. LICHT Nein, sagt mir, Freund! Den Stein trüg' jeglicher —? ADAM Ja, in sich selbst! LICHT Verflucht das! ADAM Was beliebt? LICHT Ihr stammt von einem lockern Ältervater, Der so beim Anbeginn der Dinge fiel, Und wegen seines Falls berühmt geworden; Ihr seid doch nicht —? ADAM Nun? LICHT Gleichfalls —? ADAM Ob ich —? Ich glaube —? Hier bin ich hingefallen, sag ich euch. LICHT Unbildlich hingeschlagen? ADAM Ja, unbildlich. Es mag ein schlechtes Bild gewesen sein. LICHT Wann trug sich die Begebenheit denn zu? ADAM Jetzt, in dem Augenblick, da ich dem Bett' Entsteig'. Ich hatte noch das Morgenlied Im Mund', da stolpr' ich in den Morgen schon, Und eh' ich noch den Lauf des Tags beginne, Renkt unser Herrgott mir den Fuß schon aus. LICHT Und wohl den linken obenein? ADAM Den linken? LICHT Hier, den gesetzten? ADAM Freilich! LICHT Allgerechter! Der ohnhin schwer den Weg der Sünde wandelt. ADAM Der Fuß! Was! Schwer! Warum? LICHT Der Klumpfuß? ADAM Klumpfuß! Ein Fuß ist, wie der andere, ein Klumpen. LICHT Erlaubt! Da thut ihr eurem rechten Unrecht. Der rechte kann sich dieser — Wucht nicht rühmen, Und wagt sich eh'r auf's Schlüpfrige. ADAM Ach, was! Wo sich der Eine hinwagt, folgt der Andre. LICHT Und was hat das Gesicht euch so verrenkt? ADAM Mir das Gesicht? LICHT Wie? Davon wißt ihr nichts? ADAM Ich müßt' ein Lügner sein — wie sieht's denn aus? LICHT Wie's aussieht? ADAM Ja, Gevatterchen. LICHT Abscheulich! ADAM Erklärt euch deutlicher. LICHT Geschunden ist's, Ein Gräul zu sehn. Ein Stück fehlt von der Wange, Wie groß? Nicht ohne Waage kann ich's schätzen. ADAM Den Teufel auch! LICHT / bringt einen Spiegel. / Hier! Ueberzeugt euch selbst! Ein Schaaf, das, eingehetzt von Hunden, sich Durch Dornen drängt, läßt nicht mehr Wolle sitzen, Als ihr, Gott weiß wo? Fleisch habt sitzen lassen. ADAM Hm! Ja! S' ist wahr. Unlieblich sieht es aus. Die Nas' hat auch gelitten. LICHT Und das Auge. ADAM Das Auge nicht, Gevatter. LICHT Ei, hier liegt Querfeld ein Schlag, blutrünstig, straf mich Gott, Als hätt' ein Großknecht wüthend ihn geführt. ADAM Das ist der Augenknochen. — Ja, nun seht, Das Alles hatt' ich nicht einmal gespürt. LICHT Ja, ja! So geht's im Feuer des Gefechts. ADAM Gefecht! Was! — Mit dem verfluchten Ziegenbock, Am Ofen focht' ich, wenn ihr wollt. Jetzt weiß' ich's. Da ich das Gleichgewicht verlier, und gleichsam Ertrunken in den Lüften um mich greife, Fass' ich die Hosen, die ich gestern Abend Durchnäßt an das Gestell des Ofens hing. Nun fass ich sie, versteht ihr, denke mich, Ich Thor, daran zu halten, und nun reißt Der Bund; Bund jetzt und Hos' und ich, wir stürzen, Und Häuptlings mit dem Stirnblatt schmettr' ich auf Den Ofen hin, just wo ein Ziegenbock Die Nase an der Ecke vorgestreckt. LICHT / lacht. / Gut, gut. ADAM Verdammt! LICHT Der erste Adamsfall, Den ihr aus einem Bett hinaus gethan. ADAM Mein Seel! — Doch, was ich sagen wollte, was giebts Neues? LICHT Ja, was es Neues giebt! Der Henker hol's, Hätt' ich's doch bald vergessen. ADAM Nun? LICHT Macht euch bereit auf unerwarteten Besuch aus Utrecht. ADAM So? LICHT Der Herr Gerichtsrath kömmt. ADAM Wer kömmt? LICHT Der Herr Gerichtsrath Walter kömmt, aus Utrecht. Er ist in Revisions-Bereisung auf den Ämtern, Und heut noch trifft er bei uns ein. ADAM Noch heut! Seid ihr bei Trost? LICHT So wahr ich lebe. Er war in Holla, auf dem Gränzdorf, gestern, Hat das Justizamt dort schon revidirt. Ein Bauer sah zur Fahrt nach Huisum schon Die Vorspannpferde vor den Wagen schirren. ADAM Heut noch, er, der Gerichtsrath, her, aus Utrecht! Zur Revision, der wackre Mann, der selbst Sein Schäfchen schiert, dergleichen Fratzen haßt. Nach Huisum kommen, und uns cujoniren! LICHT Kam er bis Holla, kommt er auch bis Huisum. Nehmt euch in Acht. ADAM Ach geht! LICHT Ich sag' es euch. ADAM Geht mir mit eurem Mährchen, sag' ich euch. LICHT Der Bauer hat ihn selbst gesehn, zum Henker. ADAM Wer weiß, wen der triefäugige Schuft gesehn. Die Kerle unterscheiden ein Gesicht Von einem Hinterkopf nicht, wenn er kahl ist. Setzt einen Huth dreieckig auf mein Rohr, Hängt ihm den Mantel um, zwei Stiefeln drunter, So hält so'n Schubjak ihn für wen ihr wollt. LICHT Wohlan so zweifelt fort, ins Teufels Namen, Bis er zur Thür hier eintritt. ADAM Er, eintreten! — Ohn' uns ein Wort vorher gesteckt zu haben. LICHT Der Unverstand! Als ob's der vorige Revisor noch, der Rath Wacholder, wäre! Es ist Rath Walter jetzt, der revidirt. ADAM Wenn gleich Rath Walter! Geht, laßt mich zufrieden. Der Mann hat seinen Amtseid ja geschworen, Und praktisirt, wie wir, nach den Bestehenden Edikten und Gebräuchen. LICHT Nun ich versichr' euch, der Gerichtsrath Walter Erschien in Holla unvermuthet gestern, Vis'tirte Kassen und Registraturen, Und suspendirte Richter dort und Schreiber, Warum? ich weiß nicht, ab officio. ADAM Den Teufel auch? Hat das der Bauer gesagt? LICHT Dies und noch mehr — ADAM So? LICHT Wenn ihr's wissen wollt. Denn in der Frühe heut sucht man den Richter, Dem man in seinem Haus' Arrest gegeben, Und findet hinten in der Scheuer ihn Am Sparren hoch des Daches aufgehangen. ADAM Was sagt ihr? LICHT Hülf' inzwischen kommt herbei, Man lös't ihn ab, man reibt ihn, und begießt ihn, Ins nackte Leben bringt man ihn zurück. ADAM So? Bringt man ihn? LICHT Doch jetzo wird versiegelt, In seinem Haus, vereidet und verschlossen, Es ist, als wär er eine Leiche schon, Und auch sein Richteramt ist schon beerbt. ADAM Ei, Henker, seht! — Ein liederlicher Hund war's — Sonst eine ehrliche Haut, so wahr ich lebe, Ein Kerl, mit dem sich's gut zusammen war; Doch grausam liederlich, das muß ich sagen. Wenn der Gerichtsrath heut in Holla war, So ging's ihm schlecht, dem armen Kauz, das glaub' ich. LICHT Und dieser Vorfall einzig, sprach der Bauer, Sei Schuld, daß der Gerichtsrath noch nicht hier; Zu Mittag treff' er doch ohnfehlbar ein. ADAM Zu Mittag! Gut, Gevatter! Jetzt gilt's Freundschaft. Ihr wißt, wie sich zwei Hände waschen können. Ihr wollt auch gern, ich weiß, Dorfrichter werden, Und ihr verdient's, bei Gott, so gut wie Einer. Doch heut ist noch nicht die Gelegenheit, Heut laßt ihr noch den Kelch vorübergehn. LICHT Dorfrichter, ich! Was denkt ihr auch von mir? ADAM Ihr seid ein Freund von wohlgesetzter Rede, Und euren Cicero habt ihr studirt Trotz Einem auf der Schul' in Amsterdam. Drückt euren Ehrgeitz heut hinunter, hört' ihr? Es werden wohl sich Fälle noch ergeben, Wo ihr mit eurer Kunst euch zeigen könnt. LICHT Wir zwei Gevatterleute! Geht mir fort. ADAM Zu seiner Zeit, ihr wißt's, schwieg auch der große Demosthenes. Folgt hierin seinem Muster. Und bin ich König nicht von Macedonien, Kann ich auf meine Art doch dankbar sein. LICHT Geht mir mit eurem Argwohn, sag' ich euch. Hab ich jemals —? ADAM Seht, ich, ich, für mein Theil, Dem großen Griechen folg' ich auch. Es ließe Von Depositionen sich und Zinsen Zuletzt auch eine Rede ausarbeiten: Wer wollte solche Perioden drehn? LICHT Nun, also! ADAM Von solchem Vorwurf bin ich rein, Der Henker hol's! Und alles, was es gilt, Ein Schwank ist's etwa, der zur Nacht geboren, Des Tags vorwitz'gen Lichtstrahl scheut. LICHT Ich weiß. ADAM Mein Seel! Es ist kein Grund, warum ein Richter, Wenn er nicht auf dem Richtstuhl sitzt, Soll gravitätisch, wie ein Eisbär, sein. LICHT Das sag ich auch. ADAM Nun denn, so kommt Gevatter, Folgt mir ein wenig zur Registratur; Die Aktenstöße setz' ich auf, denn die, Die liegen wie der Thurm zu Babylon. ZWEITER AUFTRITT / Ein BEDIENTER tritt auf. Die VORIGEN. — Nachher: Zwei MÄGDE. / DER BEDIENTE Gott helf, Herr Richter! Der Gerichtsrath Walter Läßt seinen Gruß vermelden, gleich wird er hier sein. ADAM Ei, du gerechter Himmel! Ist er mit Holla Schon fertig? DER BEDIENTE Ja, er ist in Huisum schon. ADAM He! Liese! Grete! LICHT Ruhig, ruhig jetzt. ADAM Gevatterchen! LICHT Laßt euern Dank vermelden. DER BEDIENTE Und morgen reisen wir nach Hussahe. ADAM Was thu ich jetzt? Was laß ich? / Er greift nach seinen Kleidern. / ERSTE MAGD / tritt auf. / Hier bin ich, Herr. LICHT Wollt ihr die Hosen anziehn? Seid ihr toll? ZWEITE MAGD / tritt auf. / Hier bin ich, Herr Dorfrichter. LICHT Nehmt den Rock. ADAM / sieht sich um. / Wer? Der Gerichtsrath? LICHT Ach, die Magd ist es. ADAM Die Bäffchen! Mantel! Kragen! ERSTE MAGD Erst die Weste! ADAM Was? — Rock aus! Hurtig! LICHT / zum Bedienten. / Der Herr Gerichtsrath werden Hier sehr willkommen sein. Wir sind sogleich Bereit ihn zu empfangen. Sagt ihm das. ADAM Den Teufel auch! Der Richter Adam läßt sich Entschuldigen. LICHT Entschuldigen! ADAM Entschuld'gen. Ist er schon unterwegs etwa? DER BEDIENTE Er ist Im Wirthshaus noch. Er hat den Schmidt bestellt; Der Wagen ging entzwei. ADAM Gut. Mein Empfehl. Der Schmidt ist faul. Ich ließe mich entschuld'gen. Ich hätte Hals und Beine fast gebrochen, Schaut selbst, s' ist ein Spektakel, wie ich ausseh; Und jeder Schreck purgirt mich von Natur. Ich wäre krank. LICHT Seid ihr bei Sinnen? — Der Herr Gerichtsrath wär sehr angenehm. — Wollt ihr? ADAM Zum Henker! LICHT Was? ADAM Der Teufel soll mich holen, Ist's nicht so gut, als hätt' ich schon ein Pulver! LICHT Das fehlt noch, daß ihr auf den Weg ihm leuchtet. ADAM Margarethe! he! Der Sack voll Knochen! Liese! DIE BEIDEN MÄGDE. Hier sind wir ja. Was wollt ihr? ADAM Fort! sag ich. Kuhkäse, Schinken, Butter, Würste, Flaschen, Aus der Registratur geschafft! Und flink! — Du nicht. Die Andere. — Maulaffe! Du, ja! — Gott's Blitz, Margarethe! Liese soll, die Kuhmagd, In die Registratur! / Die erste Magd geht ab. / DIE ZWEITE MAGD Sprecht, soll man euch verstehn! ADAM Halt's Maul jetzt, sag' ich —! Fort! schaff mir die Perücke! Marsch! Aus dem Bücherschrank! Geschwind! Pack dich! / Die zweite Magd ab. / LICHT / zum Bedienten. / Es ist dem Herrn Gerichtsrath, will ich hoffen, Nichts Böses auf der Reise zugestoßen? DER BEDIENTE Je, nun! Wir sind im Hohlweg umgeworfen. ADAM Pest! Mein geschundner Fuß! Ich krieg' die Stiefeln — LICHT Ei, du mein Himmel! Umgeworfen, sagt ihr? Doch keinen Schaden weiter —? DER BEDIENTE Nichts von Bedeutung. Der Herr verstauchte sich die Hand ein wenig. Die Deichsel brach. ADAM Daß er den Hals gebrochen! LICHT Die Hand verstaucht! Ei, Herr Gott! Kam der Schmidt schon? DER BEDIENTE Ja, für die Deichsel. LICHT Was? ADAM Ihr meint, der Doctor. LICHT Was? DER BEDIENTE Für die Deichsel? ADAM Ach, was! Für die Hand. DER BEDIENTE Adies, ihr Herrn. — Ich glaub', die Kerls sind toll. / ab. / LICHT Den Schmidt meint' ich. ADAM Ihr gebt euch bloß, Gevatter. LICHT Wie so? ADAM Ihr seid verlegen. LICHT Was! DIE ERSTE MAGD tritt auf. He! Liese! ADAM Was hast du da? ERSTE MAGD Braunschweiger Wurst, Herr Richter. ADAM Das sind Pupillenacten. LICHT Ich, verlegen! ADAM Die kommen wieder zur Registratur. ERSTE MAGD Die Würste? ADAM Würste! Was! Der Einschlag hier. LICHT Es war ein Mißverständniß. DIE ZWEITE MAGD / tritt auf. / Im Bücherschrank, Herr Richter, find ich die Perücke nicht. ADAM Warum nicht? ZWEITE MAGD Hm! Weil ihr — ADAM Nun? ZWEITE MAGD Gestern Abend — Glock eilf — ADAM Nun? Werd ich's hören? ZWEITE MAGD Ei, ihr kamt ja, Besinnt euch, ohne die Perück' ins Haus. ADAM Ich, ohne die Perücke? ZWEITE MAGD In der That. Da ist die Liese, die's bezeugen kann. Und Eure andr' ist beim Perückenmacher. ADAM Ich wär —?Ich wär —? ERSTE MAGD Ja, meiner Treu, Herr Richter Adam! Kahlköpfig wart ihr, als ihr wiederkamt; Ihr spracht, ihr wärt gefallen, wißt ihr nicht? Das Blut mußt ich euch noch vom Kopfe waschen. ADAM Die Unverschämte! ERSTE MAGD Ich will nicht ehrlich sein. ADAM Halt's Maul, sag' ich, es ist kein wahres Wort. LICHT Habt ihr die Wund' seit gestern schon? ADAM Nein, heut. Die Wunde heut und gestern die Perücke. Ich trug sie weiß gepudert auf dem Kopfe, Und nahm sie mit dem Huth, auf Ehre, bloß, Als ich ins Haus trat, aus Versehen ab. Was die gewaschen hat, das weiß ich nicht. — Scheer dich zum Satan, wo du hingehörst! In die Registratur! Erste Magd ab. Geh, Margarethe! Gevatter Küster soll mir seine borgen; In meine hätt' die Katze heute Morgen Gejungt, das Schwein! Sie läge eingesäuet Mir unterm Bette da, ich weiß nun schon. LICHT Die Katze? Was? Seid ihr —? ADAM So wahr ich lebe. Fünf Junge, gelb und schwarz, und eins ist weiß. Die schwarzen will ich in der Vecht ersäufen. Was soll man machen? Wollt ihr eine haben? LICHT In die Perücke? ADAM Der Teufel soll mich holen! Ich hatte die Perücke aufgehängt, Auf einen Stuhl, da ich zu Bette ging, Den Stuhl berühr' ich in der Nacht, sie fällt — LICHT Drauf nimmt die Katze sie ins Maul — ADAM Mein Seel — LICHT Und trägt sie unter's Bett und jungt darin. ADAM In's Maul? Nein — LICHT Nicht? Wie sonst? ADAM Die Katz'? Ach, was! LICHT Nicht? Oder ihr vielleicht? ADAM In's Maul! Ich glaube —! Ich stieß sie mit dem Fuße heut hinunter, Als ich es sah. LICHT Gut, gut. ADAM Canaillen die! Die balzen sich und jungen, wo ein Platz ist. ZWEITE MAGD / kichernd. / So soll ich hingehn? ADAM Ja, und meinen Gruß An Muhme Schwarzgewand, die Küsterinn. Ich schickt' ihr die Perücke unversehrt Noch heut zurück — ihm brauchst du nichts zu sagen. Verstehst du mich? ZWEITE MAGD Ich werd' es schon bestellen. ab. DRITTER AUFTRITT / ADAM und LICHT. / ADAM Mir ahndet heut nichts Guts, Gevatter Licht. LICHT Warum? ADAM Es geht bunt Alles über Ecke mir. Ist nicht auch heut Gerichtstag? LICHT Allerdings. Die Kläger stehen vor der Thüre schon. ADAM — Mir träumt', es hätt' ein Kläger mich ergriffen, Und schleppte vor den Richtstuhl mich; und ich, Ich säße gleichwohl auf dem Richtstuhl dort, Und schält' und hunzt' und schlingelte mich herunter, Und judicirt' den Hals ins Eisen mir. LICHT Wie? Ihr euch selbst? ADAM So wahr ich ehrlich bin. Drauf wurden Beide wir zu Eins, und flohn, Und mußten in den Fichten übernachten. LICHT Nun? Und der Traum meint ihr —? ADAM Der Teufel hol's. Wenn's auch der Traum nicht ist, ein Schabernack, Sei's, wie es woll', ist wider mich im Werk! LICHT Die läpp'sche Furcht! Gebt ihr nur vorschriftsmäßig, Wenn der Gerichtsrath gegenwärtig ist, Recht den Partheien auf dem Richterstuhle, Damit der Traum vom ausgehunzten Richter Auf andre Art nicht in Erfüllung geht. VIERTER AUFTRITT / Der GERICHTSRATH WALTER tritt auf. Die VORIGEN. / WALTER Gott grüß euch, Richter Adam. ADAM Ei willkommen! Willkommen, gnäd'ger Herr, in unserm Huisum! Wer konnte, du gerechter Gott, wer konnte So freudigen Besuches sich gewärt'gen. Kein Traum, der heute früh Glock achte noch Zu solchem Glücke sich versteigen durfte. WALTER Ich komm ein wenig schnell, ich weiß; und muß Auf dieser Reis', in unsrer Staaten Dienst, Zufrieden sein, wenn meine Wirthe mich Mit wohlgemeintem Abschiedsgruß entlassen. Inzwischen ich, was meinen Gruß betrifft, Ich mein's von Herzen gut, schon wenn ich komme. Das Obertribunal in Utrecht will Die Rechtspfleg' auf dem platten Land verbessern, Die mangelhaft von mancher Seite scheint, Und strenge Weisung hat der Mißbrauch zu erwarten. Doch mein Geschäfft auf dieser Reis' ist noch Ein strenges nicht, sehn soll ich bloß, nicht strafen, Und find ich gleich nicht Alles, wie es soll, Ich freue mich, wenn es erträglich ist. ADAM Fürwahr, so edle Denkart muß man loben. Ew. Gnaden werden hie und da, nicht zweifl' ich, Den alten Brauch im Recht zu tadeln wissen; Und wenn er in den Niederlanden gleich Seit Kaiser Karl dem fünften schon besteht: Was läßt sich in Gedanken nicht erfinden? Die Welt, sagt unser Sprichwort, wird stets klüger, Und Alles lies't, ich weiß, den Puffendorff; Doch Huisum ist ein kleiner Theil der Welt, Auf den nicht mehr, nicht minder, als sein Theil nur Kann von der allgemeinen Klugheit kommen. Klärt die Justiz in Huisum gütigst auf, Und überzeugt euch, gnäd'ger Herr, ihr habt Ihr noch sobald den Rücken nicht gekehrt, Als sie auch völlig euch befried'gen wird; Doch fändet ihr sie heut im Amte schon, Wie ihr es wünscht, mein Seel, so wär's ein Wunder, Da sie nur dunkel weiß noch, was ihr wollt. WALTER Es fehlt an Vorschriften, ganz recht. Vielmehr Es sind zu viel, man wird sie sichten müssen. ADAM Ja, durch ein großes Sieb. Viel Spreu! Viel Spreu! WALTER Das ist dort der Herr Schreiber? LICHT Der Schreiber Licht, Zu Eurer hohen Gnaden Diensten. Pfingsten Neun Jahre, daß ich im Justizamt bin. ADAM / bringt einen Stuhl. / Setzt euch. WALTER Laßt sein. ADAM Ihr kommt von Holla schon. WALTER Zwei kleine Meilen — Woher wißt ihr das? ADAM Woher? Ew. Gnaden Diener — LICHT Ein Bauer sagt' es, Der eben jetzt von Holla eingetroffen. WALTER Ein Bauer? ADAM Aufzuwarten. WALTER — Ja! Es trug sich Dort ein unangenehmer Vorfall zu, Der mir die heitre Laune störte, Die in Geschäften uns begleiten soll. — Ihr werdet davon unterrichtet sein? ADAM Wär's wahr, gestrenger Herr? Der Richter Pfaul, Weil er Arrest in seinem Haus' empfing, Verzweiflung hätt' den Thoren überrascht, Er hing sich auf? WALTER Und machte Übel ärger. Was nur Unordnung schien, Verworrenheit, Nimmt jetzt den Schein an der Veruntreuung, Die das Gesetz, ihr wißt's, nicht mehr verschont. — Wie viele Kassen habt ihr? ADAM Fünf, zu dienen. WALTER Wie, fünf? Ich stand im Wahn — Gefüllte Kassen? Ich stand im Wahn, daß ihr nur vier — ADAM Verzeiht! Mit der Rhein-Inundations-Collecten-Kasse? WALTER Mit der Inundations-Collecten-Kasse! Doch jetzo ist der Rhein nicht inundirt, Und die Collecten gehn mithin nicht ein. — Sagt doch, ihr habt ja wohl Gerichtstag heut? ADAM Ob wir —? WALTER Was? LICHT Ja, den ersten in der Woche. WALTER Und jene Schaar von Leuten, die ich draußen Auf eurem Flure sah, sind das —? ADAM Das werden — LICHT Die Kläger sind's, die sich bereits versammeln. WALTER Gut. Dieser Umstand ist mir lieb, ihr Herren. Laßt diese Leute, wenn's beliebt, erscheinen. Ich wohne dem Gerichtsgang bei; ich sehe Wie er in eurem Huisum üblich ist. Wir nehmen die Registratur, die Kassen, Nachher, wenn diese Sache abgethan. ADAM Wie ihr befehlt. — Der Büttel! He! Hanfriede! FÜNFTER AUFTRITT / Die ZWEITE MAGD tritt auf. Die VORIGEN. / ZWEITE MAGD Gruß von Frau Küsterinn, Herr Richter Adam; So gern sie die Perück' euch auch — ADAM Wie? Nicht? ZWEITE MAGD Sie sagt, es wäre Morgenpredigt heute; Der Küster hätte selbst die eine auf, Und seine andre wäre unbrauchbar, Sie sollte heut zu dem Perückenmacher. ADAM Verflucht! ZWEITE MAGD Sobald der Küster wieder kömmt, Wird sie jedoch sogleich euch seine schicken. ADAM Auf meine Ehre, gnäd'ger Herr — WALTER Was giebt's? ADAM Ein Zufall, ein verwünschter, hat um beide Perücken mich gebracht. Und jetzt bleibt mir Die dritte aus, die ich mir leihen wollte: Ich muß kahlköpfig den Gerichtstag halten. WALTER Kahlköpfig! ADAM Ja, beim ewigen Gott! So sehr Ich ohne der Perücke Beistand um Mein Richteransehn auch verlegen bin. — Ich müßt' es auf dem Vorwerk noch versuchen, Ob mir vielleicht der Pächter —? WALTER Auf dem Vorwerk! Kann jemand anders hier im Orte nicht —? ADAM Nein, in der That — WALTER Der Prediger vielleicht. ADAM Der Prediger? Der — WALTER Oder Schulmeister. ADAM Seit der Sackzehnde abgeschafft, Ew. Gnaden, Wozu ich hier im Amte mitgewirkt, Kann ich auf beider Dienste nicht mehr rechnen. WALTER Nun, Herr Dorfrichter? Nun? Und der Gerichtstag? Denkt ihr zu warten, bis die Haar' euch wachsen? ADAM Ja, wenn ihr mir erlaubt, schick' ich auf's Vorwerk. WALTER — Wie weit ist's auf das Vorwerk? ADAM Ei! Ein kleines Halbstündchen. WALTER Eine halbe Stunde, was! Und Eurer Sitzung Stunde schlug bereits. Macht fort! Ich muß noch heut nach Hussahe. ADAM Macht fort! Ja — WALTER Ei, so pudert euch den Kopf ein! Wo Teufel auch, wo ließt ihr die Perücken? — Helft euch so gut ihr könnt. Ich habe Eile. ADAM Auch das. DER BÜTTEL / tritt auf. / Hier ist der Büttel! ADAM Kann ich inzwischen Mit einem guten Frühstück, Wurst aus Braunschweig, Ein Gläschen Danziger etwa — WALTER Danke sehr. ADAM Ohn' Umständ'! WALTER Dank', ihr hört's, hab's schon genossen. Geht ihr, und nutzt die Zeit, ich brauche sie, In meinem Büchlein etwas mir zu merken. ADAM Nun, wenn ihr so befehlt — Komm, Margarethe! WALTER — Ihr seid ja bös' verletzt, Herr Richter Adam. Seid ihr gefallen? ADAM — Hab' einen wahren Mordschlag Heut früh, als ich dem Bett' entstieg, gethan: Seht, gnäd'ger Herr Gerichtsrath, einen Schlag Ins Zimmer hin, ich glaubt' es wär' ins Grab. WALTER Das thut mir leid. — Es wird doch weiter nicht Von Folgen sein? ADAM Ich denke nicht. Und auch In meiner Pflicht soll's weiter mich nicht stören. — Erlaubt! WALTER Geht, geht! ADAM / zum Büttel. / Die Kläger rufst du — Marsch! / Adam, die Magd und der Büttel ab. / SECHSTER AUFTRITT / FRAU MARTHE, EVE, VEIT und RUPRECHT treten auf. — WALTER und LICHT im Hintergrunde. / FRAU MARTHE Ihr krugzertrümmerndes Gesindel, ihr! Ihr sollt mir büßen, ihr! VEIT Sei sie nur ruhig, Frau Marth'! Es wird sich Alles hier entscheiden. FRAU MARTHE O ja. Entscheiden. Seht doch. Den Klugschwätzer. Den Krug mir, den zerbrochenen, entscheiden. Wer wird mir den geschied'nen Krug entscheiden? Hier wird entschieden werden, daß geschieden Der Krug mir bleiben soll. Für so'n Schiedsurtheil Geb' ich noch die geschied'nen Scherben nicht. VEIT Wenn sie sich Recht erstreiten kann, sie hört's, Ersetz' ich ihn. FRAU MARTHE Er mir den Krug ersetzen. Wenn ich mir Recht erstreiten kann, ersetzen. Setz' er den Krug mal hin, versuch' er's mal, Setz' er'n mal hin auf das Gesims! Ersetzen! Den Krug, der kein Gebein zum Stehen hat, Zum Liegen oder Sitzen hat, ersetzen! VEIT Sie hört's! Was geifert sie? Kann man mehr thun? Wenn Einer ihr von uns den Krug zerbrochen, Soll sie entschädigt werden. FRAU MARTHE Ich entschädigt! Als ob ein Stück von meinem Hornvieh spräche. Meint er, daß die Justiz ein Töpfer ist? Und kämen die Hochmögenden und bänden Die Schürze vor, und trügen ihn zum Ofen, Die könnten sonst was in den Krug mir thun, Als ihn entschädigen. Entschädigen! RUPRECHT Laß er sie, Vater. Folg' er mir. Der Drache! S' ist der zerbrochne Krug nicht, der sie wurmt, Die Hochzeit ist es, die ein Loch bekommen, Und mit Gewalt hier denkt sie sie zu flicken. Ich aber setze noch den Fuß Eins drauf: Verflucht bin ich, wenn ich die Metze nehme. FRAU MARTHE Der eitle Flaps! Die Hochzeit ich hier flicken! Die Hochzeit, nicht des Flickdrahts, unzerbrochen Nicht Einen von des Kruges Scherben werth. Und stünd' die Hochzeit blankgescheuert vor mir, Wie noch der Krug auf dem Gesimse gestern, So faßt' ich sie beim Griff jetzt mit den Händen, Und schlüg' sie gellend ihm am Kopf entzwei, Nicht aber hier die Scherben möcht' ich flicken! Sie flicken! EVE Ruprecht! RUPRECHT Fort du —! EVE Liebster Ruprecht! RUPRECHT Mir aus den Augen! EVE Ich beschwöre dich. RUPRECHT Die Lüderliche —! Ich mag nicht sagen, was. EVE Laß mich ein einz'ges Wort dir heimlich — RUPRECHT Nichts! EVE — Du gehst zum Regimente jetzt, o Ruprecht, Wer weiß, wenn du erst die Muskete trägst, Ob ich dich je im Leben wieder sehe. Krieg ist's, bedenke, Krieg, in den du ziehst: Willst du mit solchem Grolle von mir scheiden? RUPRECHT Groll? Nein, bewahr' mich Gott, das will ich nicht. Gott schenk' dir so viel Wohlergehn, als er Erübrigen kann. Doch kehrt ich aus dem Kriege Gesund, mit erzgegoßnem Leib zurück, Und würd' in Huisum achtzig Jahre alt, So sagt ich noch im Tode zu dir: Metze! Du willst's ja selber vor Gericht beschwören. FRAU MARTHE / zu Eve. / Hinweg! Was sagt' ich dir? Willst du dich noch Beschimpfen lassen? Der Herr Corporal Ist was für dich, der würd'ge Holzgebein, Der seinen Stock im Militair geführt, Und nicht dort der Maulaffe, der dem Stock Jetzt seinen Rücken bieten wird. Heut ist Verlobung, Hochzeit, wäre Taufe heute, Es wär' mir recht, und mein Begräbniß leid' ich, Wenn ich dem Hochmuth erst den Kamm zertreten, Der mir bis an die Krüge schwillet. EVE Mutter! Laßt doch den Krug! Laßt mich doch in der Stadt versuchen, Ob ein geschickter Handwerksmann die Scherben, Nicht wieder euch zur Lust zusammenfügt. Und wär's um ihn geschehn, nehmt meine ganze Sparbüchse hin, und kauft euch einen neuen. Wer wollte doch um einen irdnen Krug, Und stammt er von Herodes Zeiten her, Solch einen Aufruhr, so viel Unheil stiften. FRAU MARTHE Du sprichst, wie du's verstehst. Willst du etwa Die Fiedel tragen, Evchen, in der Kirche Am nächsten Sonntag reuig Buße thun? Dein guter Name lag in diesem Topfe, Und vor der Welt mit ihm ward er zerstoßen, Wenn auch vor Gott nicht, und vor mir und dir. Der Richter ist mein Handwerksmann, der Schergen, Der Block ist's, Peitschenhiebe, die es braucht, Und auf den Scheiterhaufen das Gesindel, Wenn's unsre Ehre weiß zu brennen gilt, Und diesen Krug hier wieder zu glasiren. SIEBENTER AUFTRITT / ADAM im Ornat, doch ohne Perücke, tritt auf. Die VORIGEN. / ADAM / für sich. / Ei, Evchen. Sieh! Und der vierschröt'ge Schlingel, Der Ruprecht! Ei, was Teufel, sieh! die ganze Sippschaft! — Die werden mich doch nicht bei mir verklagen? EVE O liebste Mutter, folgt mir, ich beschwör' euch, Laßt diesem Unglückszimmer uns entfliehen! ADAM Gevatter! Sagt mir doch, was bringen die? LICHT Was weiß ich? Lärm um nichts; Lappalien. Es ist ein Krug zerbrochen worden, hör' ich. ADAM Ein Krug! So! Ei! — Ei, wer zerbrach den Krug? LICHT Wer ihn zerbrochen? ADAM Ja, Gevatterchen. LICHT Mein Seel, setzt euch: so werdet ihr's erfahren. ADAM / heimlich. / Evchen! EVE / gleichfalls. / Geh er. ADAM Ein Wort. EVE Ich will nichts wissen. ADAM Was bringt ihr mir? EVE Ich sag' ihm, er soll gehn. ADAM Evchen! Ich bitte dich! Was soll mir das bedeuten? EVE Wenn er nicht gleich —! Ich sag's ihm, laß er mich. ADAM / zu Licht. / Gevatter, hört, mein Seel, ich halt's nicht aus. Die Wund' am Schienbein macht mir Übelkeiten; Führt ihr die Sach', ich will zu Bette gehn. LICHT Zu Bett —? Ihr wollt —? Ich glaub', ihr seid verrückt. ADAM Der Henker hol's. Ich muß mich übergeben. LICHT Ich glaub, ihr ras't, im Ernst. So eben kommt ihr —? — Meinethalben. Sagt's dem Herrn Gerichtsrath dort. Vielleicht erlaubt er's. — Ich weiß nicht, was euch fehlt? ADAM / wieder zu Even. / Evchen! Ich flehe dich! Um alle Wunden! Was ist's, das ihr mir bringt? EVE Er wird's schon hören. ADAM Ist's nur der Krug dort, den die Mutter hält, Den ich so viel —? EVE Ja, der zerbrochne Krug nur. ADAM Und weiter nichts? EVE Nichts weiter. ADAM Nichts? Gewiß nichts? EVE Ich sag' ihm, geh er. Laß er mich zufrieden. ADAM Hör du, bei Gott, sei klug, ich rath' es dir. EVE Er, Unverschämter! ADAM In dem Attest steht Der Nahme jetzt, Fracturschrift, Ruprecht Tümpel. Hier trag' ich's fix und fertig in der Tasche; Hörst du es knackern, Evchen? Sieh, das kannst du, Auf meine Ehr', heut übers Jahr dir holen. Dir Trauerschürz' und Mieder zuzuschneiden, Wenn's heißt: der Ruprecht in Batavia Krepirt' — ich weiß, an welchem Fieber nicht, War's gelb, war's scharlach, oder war es faul. WALTER Sprecht nicht mit den Parthei'n, Herr Richter Adam, Vor der Session! Hier setzt euch, und befragt sie. ADAM Was sagt er? — Was befehlen Ew. Gnaden? WALTER Was ich befehl'? — Ich sagte deutlich euch, Daß ihr nicht heimlich vor der Sitzung sollt Mit den Parthein zweideut'ge Sprache führen. Hier ist der Platz, der eurem Amt gebührt, Und öffentlich Verhör, was ich erwarte. ADAM / für sich. / Verflucht! Ich kann mich nicht dazu entschließen —! — Es klirrte etwas, da ich Abschied nahm — LICHT / ihn aufschreckend. / Herr Richter! Seid ihr —? ADAM Ich? Auf Ehre nicht! Ich hatte sie behutsam drauf gehängt, Und müßt' ein Ochs gewesen sein — LICHT Was? ADAM Was? LICHT Ich fragte —? ADAM Ihr fragtet, ob ich —? LICHT Ob ihr taub seid, fragt' ich. Dort Sr. Gnaden haben euch gerufen. ADAM Ich glaubte —? Wer ruft? LICHT Der Herr Gerichtsrath dort. ADAM / für sich. / Ei! Hol's der Henker auch! Zwei Fälle giebt's, Mein Seel, nicht mehr, und wenn's nicht biegt, so bricht's. — Gleich! Gleich! Gleich! Was befehlen Ew. Gnaden? Soll jetzt die Procedur beginnen? WALTER Ihr seid ja sonderbar zerstreut. Was fehlt euch? ADAM — Auf Ehr'! Verzeiht. Es hat ein Perlhuhn mir, Das ich von einem Indienfahrer kaufte, Den Pips: ich soll es nudeln, und versteh's nicht, Und fragte dort die Jungfer bloß um Rath. Ich bin ein Narr in solchen Dingen, seht, Und meine Hühner nenn' ich meine Kinder. WALTER Hier. Setzt euch. Ruft den Kläger und vernehmt ihn. Und ihr, Herr Schreiber, führt das Protokoll. ADAM Befehlen Ew. Gnaden den Proceß Nach den Formalitäten, oder so, Wie er in Huisum üblich ist, zu halten? WALTER Nach den gesetzlichen Formalitäten, Wie er in Huisum üblich ist, nicht anders. ADAM Gut, gut. Ich werd' euch zu bedienen wissen. Seid ihr bereit, Herr Schreiber? LICHT Zu euren Diensten. ADAM — So nimm, Gerechtigkeit, denn deinen Lauf! Klägere trete vor. FRAU MARTHE Hier, Herr Dorfrichter! ADAM Wer seyd ihr? FRAU MARTHE Wer —? ADAM Ihr. FRAU MARTHE Wer ich —? ADAM Wer ihr seid! Wes Namens, Standes, Wohnorts, und so weiter. FRAU MARTHE Ich glaub', er spaßt, Herr Richter. ADAM Spaßen, was! Ich sitz' im Namen der Justiz, Frau Marthe, Und die Justiz muß wissen, wer ihr seid. LICHT / halb laut. / Laßt doch die sonderbare Frag' — FRAU MARTHE Ihr guckt Mir alle Sonntag in die Fenster ja, Wenn ihr auf's Vorwerk geht! WALTER Kennt ihr die Frau? ADAM Sie wohnt hier um die Ecke, Ew. Gnaden, Wenn man den Fußsteig durch die Hecken geht; Wittw' eines Kastellans, Hebamme jetzt, Sonst eine ehrliche Frau, von gutem Rufe. WALTER Wenn ihr so unterrichtet seid, Herr Richter, So sind dergleichen Fragen überflüßig. Setzt ihren Namen in das Protokoll, Und schreibt dabei: dem Amte wohlbekannt. ADAM Auch das. Ihr seid nicht für Formalitäten. Thut so, wie Sr. Gnaden anbefohlen. WALTER Fragt nach dem Gegenstand der Klage jetzt. ADAM Jetzt soll ich —? WALTER Ja, den Gegenstand ermitteln! ADAM Das ist gleichfalls ein Krug, verzeiht. WALTER Wie? Gleichfalls! ADAM Ein Krug. Ein bloßer Krug. Setzt einen Krug, Und schreibt dabei: dem Amte wohlbekannt. LICHT Auf meine hingeworfene Vermuthung Wollt ihr, Herr Richter —? ADAM Mein Seel, wenn ich's euch sage, So schreibt ihrs hin. Ist's nicht ein Krug, Frau Marthe? FRAU MARTHE Ja, hier der Krug — ADAM Da habt ihr's. FRAU MARTHE Der zerbrochne — ADAM Pedantische Bedenklichkeit. LICHT Ich bitt' euch — ADAM Und wer zerbrach den Krug? Gewiß der Schlingel —? FRAU MARTHE Ja, er, der Schlingel dort — ADAM / für sich. / Mehr brauch ich nicht. RUPRECHT Das ist nicht wahr, Herr Richter. ADAM / für sich. / Auf, aufgelebt, du alter Adam! RUPRECHT Das lügt sie in den Hals hinein — ADAM Schweig, Maulaffe! Du steckst den Hals noch früh genug in's Eisen. — Setzt einen Krug, Herr Schreiber, wie gesagt, Zusammt dem Namen dess', der ihn zerschlagen. Jetzt wird die Sache gleich ermittelt sein. WALTER Herr Richter! Ei! Welch' ein gewaltsames Verfahren. ADAM Wie so? LICHT Wollt ihr nicht förmlich —? ADAM Nein! sag' ich; Ihr Gnaden lieben Förmlichkeiten nicht. WALTER Wenn ihr die Instruction, Herr Richter Adam, Nicht des Prozesses einzuleiten wißt, Ist hier der Ort jetzt nicht, es euch zu lehren. Wenn ihr Recht anders nicht, als so, könnt geben, So tretet ab: vielleicht kann's euer Schreiber. ADAM Erlaubt! Ich gab's, wie's hier in Huisum üblich; Ew. Gnaden haben's also mir befohlen. WALTER Ich hätt' —? ADAM Auf meine Ehre! WALTER Ich befahl euch, Recht hier nach den Gesetzen zu ertheilen; Und hier in Huisum glaubt' ich die Gesetze, Wie anderswo in den vereinten Staaten. ADAM Da muß submiß ich um Verzeihung bitten! Wir haben hier, mit Ew. Erlaubniß, Statuten, eigenthümliche, in Huisum, Nicht aufgeschriebene, muß ich gestehn, doch durch Bewährte Tradition uns überliefert. Von dieser Form, getrau ich mir zu hoffen, Bin ich noch heut kein Jota abgewichen. Doch auch in eurer andern Form bin ich, Wie sie im Reich mag üblich sein, zu Hause. Verlangt ihr den Beweis? Wohlan, befehlt! Ich kann Recht so jetzt, jetzo so ertheilen. WALTER Ihr gebt mir schlechte Meinungen, Herr Richter. Es sei. Ihr fangt von vorn die Sache an. — ADAM Auf Ehr'! Gebt Acht, ihr sollt zufrieden sein. — Frau Marthe Rull! Bringt eure Klage vor. FRAU MARTHE Ich klag', ihr wißt's, hier wegen dieses Krugs; Jedoch vergönnt, daß ich, bevor ich melde Was diesem Krug geschehen, auch beschreibe Was er vorher mir war. ADAM Das Reden ist an euch. FRAU MARTHE Seht ihr den Krug, ihr werthgeschätzten Herren? Seht ihr den Krug? ADAM O ja, wir sehen ihn. FRAU MARTHE Nichts seht ihr, mit Verlaub, die Scherben seht ihr; Der Krüge schönster ist entzwei geschlagen. Hier grade auf dem Loch, wo jetzo nichts, Sind die gesammten niederländischen Provinzen Dem span'schen Philipp übergeben worden. Hier im Ornat stand Kaiser Carl der fünfte: Von dem seht ihr nur noch die Beine stehn. Hier kniete Philipp, und empfing die Krone: Der liegt im Topf, bis auf den Hintertheil, Und auch noch der hat einen Stoß empfangen. Dort wischten seine beiden Muhmen sich, Der Franzen und der Ungarn Königinnen, Gerührt die Augen aus; wenn man die Eine Die Hand noch mit dem Tuch empor sieht heben, So ist's, als weinete sie über sich. Hier im Gefolge stützt sich Philibert, Für den den Stoß der Kaiser aufgefangen, Noch auf das Schwerdt; doch jetzo müßt' er fallen, So gut wie Maximilian: der Schlingel! Die Schwerdter unten jetzt sind weggeschlagen. Hier in der Mitte, mit der heil'gen Mütze, Sah man den Erzbischof von Arras stehn; Den hat der Teufel ganz und gar geholt, Sein Schatten nur fällt lang noch übers Pflaster. Hier standen rings, im Grunde, Leibtrabanten, Mit Hellebarden, dicht gedrängt, und Spießen, Hier Häuser, seht, vom großen Markt zu Brüssel, Hier guckt noch ein Neugier'ger aus dem Fenster: Doch was er jetzo sieht, das weiß ich nicht. ADAM Frau Marth! Erlaßt uns das zerscherbte Pactum, Wenn es zur Sache nicht gehört. Uns geht das Loch — nichts die Provinzen an, Die darauf übergeben worden sind. FRAU MARTHE Erlaubt! Wie schön der Krug, gehört zur Sache! — Den Krug erbeutete sich Childerich, Der Kesselflicker, als Oranien Briel mit den Wassergeusen überrumpelte. Ihn hatt' ein Spanier, gefüllt mit Wein, Just an den Mund gesetzt, als Childerich Den Spanier von hinten niederwarf, Den Krug ergriff, ihn leert', und weiter ging. ADAM Ein würd'ger Wassergeuse. FRAU MARTHE Hierauf vererbte Der Krug auf Fürchtegott, den Todtengräber; Der trank zu dreimal nur, der Nüchterne, Und stets vermischt mit Wasser aus dem Krug. Das erstemal, als er im Sechzigsten Ein junges Weib sich nahm; drei Jahre drauf, Als sie noch glücklich ihn zum Vater machte; Und als sie jetzt noch funfzehn Kinder zeugte, Trank er zum drittenmale, als sie starb. ADAM Gut. Das ist auch nicht übel. FRAU MARTHE Drauf fiel der Krug An den Zachäus, Schneider in Tirlemont, Der meinem seel'gen Mann, was ich euch jetzt Berichten will, mit eignem Mund erzählt. Der warf, als die Franzosen plünderten, Den Krug, samt allem Hausrath, aus dem Fenster, Sprang selbst, und brach den Hals, der Ungeschickte, Und dieser irdne Krug, der Krug von Thon, Auf's Bein kam er zu stehen, und blieb ganz. ADAM Zur Sache, wenn's beliebt, Frau Marthe Rull! Zur Sache! FRAU MARTHE Drauf in der Feuersbrunst von Sechs und sechszig, Da hatt' ihn schon mein Mann, Gott hab' ihn selig — ADAM Zum Teufel! Weib! So seid ihr noch nicht fertig? FRAU MARTHE — Wenn ich nicht reden soll, Herr Richter Adam, So bin ich unnütz hier, so will ich gehn, Und ein Gericht mir suchen, das mich hört. WALTER Ihr sollt hier reden: doch von Dingen nicht, Die eurer Klage fremd. Wenn ihr uns sagt, Daß jener Krug euch werth, so wissen wir So viel, als wir zum Richten hier gebrauchen. FRAU MARTHE Wie viel ihr brauchen möget, hier zu richten, Das weiß ich nicht, und untersuch' es nicht; Das aber weiß ich, daß ich, um zu klagen, Muß vor euch sagen dürfen, über was. WALTER Gut denn. Zum Schluß jetzt. Was geschah dem Krug? Was? — Was geschah dem Krug im Feuer Von Anno sechs und sechszig? Wird man's hören? Was ist dem Krug geschehn? FRAU MARTHE Was ihm geschehen? Nichts ist dem Krug, ich bitt' euch sehr, ihr Herren, Nichts Anno sechs und sechszig ihm geschehen. Ganz blieb der Krug, ganz in der Flammen Mitte, Und aus des Hauses Asche zog ich ihn Hervor, glasirt, am andern Morgen, glänzend, Als käm' er eben aus dem Töpferofen. WALTER Nun gut. Nun kennen wir den Krug. Nun wissen Wir Alles, was dem Krug geschehn, was nicht. Was giebt's jetzt weiter? FRAU MARTHE Nun diesen Krug jetzt seht — den Krug, Zertrümmert einen Krug noch werth, den Krug Für eines Fräuleins Mund, die Lippe selbst, Nicht der Frau Erbstatthalterin zu schlecht, Den Krug, ihr hohen Herren Richter beide, Den Krug hat jener Schlingel mir zerbrochen. ADAM Wer? FRAU MARTHE Er, der Ruprecht dort. RUPRECHT Das ist gelogen, Herr Richter. ADAM Schweig' er, bis man ihn fragen wird. Auch heut an ihn noch wird die Reihe kommen. — Habt ihr's im Protocoll bemerkt? LICHT O ja. ADAM Erzählt den Hergang, würdige Frau Marthe. FRAU MARTHE Es war Uhr eilfe gestern — ADAM Wann, sagt ihr? FRAU MARTHE Uhr eilf. ADAM Am Morgen! FRAU MARTHE Nein, verzeiht am Abend, Und schon die Lamp' im Bette wollt' ich löschen, Als laute Männerstimmen, ein Tumult, In meiner Tochter abgelegnen Kammer, Als ob der Feind einbräche, mich erschreckt. Geschwind' die Trepp' eil' ich hinab, ich finde Die Kammerthür gewaltsam eingesprengt, Schimpfreden schallen wüthend mir entgegen, Und da ich mir den Auftritt jetzt beleuchte, Was find' ich jetzt, Herr Richter, was jetzt find' ich? Den Krug find' ich zerscherbt im Zimmer liegen, In jedem Winkel liegt ein Stück, Das Mädchen ringt die Händ', und er der Flaps dort, Der trotzt, wie toll, euch in des Zimmers Mitte. ADAM Ei, Wetter! FRAU MARTHE Was? ADAM Sieh da, Frau Marthe! FRAU MARTHE Ja! — Drauf ist's, als ob in so gerechtem Zorn, Mir noch zehn Arme wüchsen, jeglichen Fühl' ich mir wie ein Geier ausgerüstet. Ihn stell' ich dort zu Rede, was er hier In später Nacht zu suchen, mir die Krüge Des Hauses tobend einzuschlagen habe: Und er, zur Antwort giebt er mir, jetzt rathet? Der Unverschämte! Der Halunke, der! Aufs Rad will ich ihn sehen, oder mich Nicht mehr geduldig auf den Rücken legen: Er spricht, es hab' ein Anderer den Krug Vom Sims' gestürzt — ein Anderer, ich bitt' euch, Der vor ihm aus der Kammer nur entwichen; — Und überhäuft mit Schimpf mir da das Mädchen. ADAM O! faule Fische — Hierauf? FRAU MARTHE Auf dies Wort Seh' ich das Mädchen fragend an; die steht Gleich einer Leiche da, ich sage: Eve! — Sie setzt sich; ist's ein Anderer gewesen, Frag' ich? Und Joseph und Marie, ruft sie, Was denkt ihr Mutter auch? — So sprich! Wer war's? Wer sonst, sagt sie, — und wer auch konnt' es anders? Und schwört mir zu, daß er's gewesen ist. EVE Was schwor ich euch? Was hab' ich euch geschworen? Nichts schwor ich, nichts euch — FRAU MARTHE Eve! EVE Nein! Dies lügt ihr. — RUPRECHT Da hört ihr's. ADAM Hund, jetzt, verfluchter, schweig, Soll hier die Faust den Rachen dir noch stopfen! Nachher ist Zeit für dich, nicht jetzt. FRAU MARTHE Du hättest nicht —? EVE Nein, Mutter! Dies verfälscht ihr. Seht, leid thut's in der That mir tief zur Seele, Daß ich es öffentlich erklären muß: Doch nichts schwor ich, nichts, nichts hab' ich geschworen. ADAM Seid doch vernünftig, Kinder. LICHT Das ist ja seltsam. FRAU MARTHE Du hättest mir, o Eve, nicht versichert? Nicht Joseph und Marie angerufen? EVE Beim Schwur nicht! Schwörend nicht! Seht dies jetzt schwör' ich, Und Joseph und Maria ruf ich an. ADAM Ei, Leutchen! Ei, Frau Marthe! Was auch macht sie? Wie schüchtert sie das gute Kind auch ein. Wenn sich die Jungfer wird besonnen haben, Erinnert ruhig dessen, was geschehen, — Ich sage, was geschehen ist, und was, Spricht sie nicht, wie sie soll, geschehn noch kann: Gebt Acht, so sagt sie heut uns aus, wie gestern, Gleichviel, ob sie's beschwören kann ob nicht. Laßt Joseph und Maria aus dem Spiele. WALTER Nicht doch, Herr Richter, nicht! Wer wollte den Partheien so zweideut'ge Lehren geben. FRAU MARTHE Wenn sie in's Angesicht mir sagen kann, Schamlos, die liederliche Dirne, die, Daß es ein Andrer, als der Ruprecht war, So mag meinetwegen sie — ich mag nicht sagen, was. Ich aber, ich versichr' es euch, Herr Richter, Und kann ich gleich nicht, daß sie's schwor, behaupten, Daß sie's gesagt hat gestern, das beschwör' ich, Und Joseph und Maria ruf' ich an. ADAM Nun weiter will ja auch die Jungfer — WALTER Herr Richter! ADAM Ew. Gnaden? — Was sagt er? Nicht, Herzens-Evchen? FRAU MARTHE Heraus damit! Hast du's mir nicht gesagt? Hast du's mir gestern nicht, mir nicht gesagt? EVE Wer läugnet euch, daß ich's gesagt — ADAM Da habt ihr's. RUPRECHT Die Metze, die! ADAM Schreibt auf. VEIT Pfui, schäm' sie sich. WALTER Von eurer Aufführung, Herr Richter Adam, Weiß ich nicht, was ich denken soll. Wenn ihr selbst Den Krug zerschlagen hättet, könntet ihr Von euch ab den Verdacht nicht eifriger Hinwälzen auf den jungen Mann, als jetzt. — Ihr setzt nicht mehr ins Protokoll, Herr Schreiber, Als nur der Jungfer Eingeständniß, hoff' ich, Vom gestrigen Geständniß, nicht vom Facto. — Ist's an die Jungfer jetzt schon auszusagen? ADAM Mein Seel, wenn's ihre Reihe noch nicht ist, In solchen Dingen irrt der Mensch, Ew. Gnaden. Wen hätt' ich fragen sollen jetzt? Beklagten? Auf Ehr'! Ich nehme gute Lehre an. WALTER Wie unbefangen! — Ja, fragt den Beklagten. Fragt, macht ein Ende, fragt, ich bitt' euch sehr: Dies ist die letzte Sache, die ihr führt. ADAM Die letzte! Was! Ei freilich! Den Beklagten! Wohin auch, alter Richter, dachtest du? Verflucht, das pips'ge Perlhuhn mir! Daß es Krepirt wär an der Pest in Indien! Stets liegt der Kloß von Nudeln mir im Sinn. WALTER Was liegt? Was für ein Kloß liegt euch —? ADAM Der Nudelkloß, Verzeiht, den ich dem Huhne geben soll. Schluckt mir das Aas die Pille nicht herunter, Mein Seel, so weiß ich nicht, wie's werden wird. WALTER Thut eure Schuldigkeit, sag ich, zum Henker! ADAM Beklagter trete vor. RUPRECHT Hier, Herr Dorfrichter. Ruprecht, Veits des Kossäthen Sohn, aus Huisum. ADAM Vernahm er dort, was vor Gericht so eben Frau Marthe gegen ihn hat angebracht? RUPRECHT Ja, Herr Dorfrichter, das hab' ich. ADAM Getraut er sich Etwas dagegen aufzubringen, was? Bekennt er, oder unterfängt er sich, Hier wie ein gottvergeßner Mensch zu läugnen? RUPRECHT Was ich dagegen aufzubringen habe, Herr Richter? Ei! Mit euerer Erlaubniß, Daß sie kein wahres Wort gesprochen hat. ADAM So? Und das denkt er zu beweisen? RUPRECHT O ja. ADAM Die würdige Frau Marthe, die. Beruhige sie sich. Es wird sich finden. WALTER Was geht ihn die Frau Marthe an, Herr Richter? ADAM Was mir —? Bei Gott! Soll ich als Christ —? WALTER Bericht' Er, was er für sich anzuführen hat. — Herr Schreiber, wißt ihr den Prozeß zu führen? ADAM Ach, was! LICHT Ob ich — ei nun, wenn Ew. Gnaden — ADAM Was glotzt er da? Was hat er aufzubringen? Steht nicht der Esel, wie ein Ochse, da? Was hat er aufzubringen? RUPRECHT Was ich aufzubringen? WALTER Er ja, er soll den Hergang jetzt erzählen. RUPRECHT Mein Seel', wenn man zu Wort mich kommen ließe. WALTER S' ist in der That, Herr Richter, nicht zu dulden. RUPRECHT Glock zehn Uhr mogt' es etwa sein zu Nacht, — Und warm, just diese Nacht des Januars Wie Mai, als ich zum Vater sage: Vater! Ich will ein Bissel noch zur Eve gehn. Denn heuren wollt' ich sie, das müßt ihr wissen, Ein rüstig Mädel ist's, ich hab's beim Erndten Gesehn, wo Alles von der Faust ihr ging, Und ihr das Heu man flog, als wie gemaus't. Das sagt' ich: willst du? Und sie sagte: ach! Was du da gakelst. Und nachher sagt' sie, ja. ADAM Bleib er bei seiner Sache. Gakeln! Was! Ich sagte, willst du? Und sie sagte, ja. RUPRECHT Ja, meiner Treu, Herr Richter. WALTER Weiter! Weiter! RUPRECHT Nun — Da sagt' ich: Vater, hört er? Laß er mich. Wir schwatzen noch am Fenster was zusammen. Na, sagt er, lauf; bleibst du auch draußen, sagt er? Ja, meiner Seel', sag' ich, das ist geschworen. Na, sagt' er, lauf, um eilfe bist du hier. ADAM Na, so sag' du, und gakle, und kein Ende. Na, hat er bald sich ausgesagt? RUPRECHT Na, sag' ich, Das ist ein Wort, und setz' die Mütze auf, Und geh; und über'n Steig will ich, und muß Durch's Dorf zurückgehn, weil der Bach geschwollen. Ei, alle Wetter, denk' ich, Ruprecht, Schlag! Nun ist die Gartenthür bei Marthens zu: Denn bis um zehn läßt's Mädel sie nur offen, Wenn ich um zehn nicht da bin, komm ich nicht. ADAM Die liederliche Wirthschaft, die. WALTER Drauf weiter? RUPRECHT Drauf — wie ich über'n Lindengang mich näh're, Bei Marthens, wo die Reihen dicht gewölbt, Und dunkel, wie der Dom zu Utrecht, sind, Hör' ich die Gartenthüre fernher knarren. Sieh da! Da ist die Eve noch! sag' ich, Und schicke freudig euch, von wo die Ohren Mir Kundschaft brachten, meine Augen nach — — Und schelte sie, da sie mir wiederkommen, Für blind, und schicke auf der Stelle sie Zum zweitenmal, sich besser umzusehen, Und schimpfe sie nichtswürdige Verläumder, Aufhetzer, niederträcht'ge Ohrenbläser, Und schicke sie zum drittenmal, und denke, Sie werden, weil sie ihre Pflicht gethan, Unwillig los sich aus dem Kopf mir reißen, Und sich in einen andern Dienst begeben: Die Eve ist's, am Latz erkenn ich sie, Und Einer ist's noch obenein. ADAM So? Einer noch? Und wer, er Klugschwätzer? RUPRECHT Wer? Ja, mein Seel, da fragt ihr mich — ADAM Nun also! Und nicht gefangen, denk ich, nicht gehangen. WALTER Fort! Weiter in der Rede! Laßt ihn doch! Was unterbrecht ihr ihn, Herr Dorfrichter? RUPRECHT Ich kann das Abendmal darauf nicht nehmen, Stockfinster war's, und alle Katzen grau. Doch müßt ihr wissen, daß der Flickschuster, Der Lebrecht, den man kürzlich losgesprochen, Dem Mädel längst mir auf die Fährte ging. Ich sagte vor'gen Herbst schon: Eve, höre, Der Schuft schleicht mir um's Haus, das mag ich nicht; Sag' ihm, daß du kein Braten bist für ihn, Mein Seel', sonst werf ich ihn vom Hof herunter. Die spricht: Ich glaub', du schierst mich, sagt ihm was, Das ist nicht hin, nicht her, nicht Fisch, nicht Fleisch: Drauf geh ich hin und werf' den Schlingel herunter. ADAM So? Lebrecht heißt der Kerl? RUPRECHT Ja, Lebrecht. ADAM Gut. Das ist ein Nam'. Es wird sich Alles finden. — Habt ihr's bemerkt im Protokoll, Herr Schreiber? LICHT O ja, und Alles Andere, Herr Richter. ADAM Sprich weiter, Ruprecht, jetzt, mein Sohn. RUPRECHT Nun schießt, Da ich Glock eilf das Pärchen hier begegne, — Glock zehn Uhr zog ich immer ab — das Blatt mir. Ich denke, halt, jetzt ist's noch Zeit, o Ruprecht, Noch wachsen dir die Hirschgeweihe nicht: — Hier mußt du sorgsam dir die Stirn befühlen, Ob dir von fern hornartig etwas keimt. Und drücke sacht mich durch die Gartenpforte, Und berg' in einen Strauch von Taxus mich: Und hör euch ein Gefispre hier, ein Scherzen, Ein Zerren hin, Herr Richter, Zerren her, Mein Seel, ich denk', ich soll vor Lust — EVE Du Bös'wicht! Was das, o schändlich ist von dir! FRAU MARTHE Hallunke! Dir weis' ich noch einmal, wenn wir allein sind, Die Zähne! Wart! Du weißt noch nicht, wo mir Die Haare wachsen! Du sollst's erfahren! RUPRECHT Ein Viertelstündchen dauert's so, ich denke, Was wird's doch werden, ist doch heut nicht Hochzeit? Und eh' ich den Gedanken ausgedacht, Husch! sind sie beid' in's Haus schon, vor dem Pastor. EVE Geht, Mutter, mag es werden, wie es will — ADAM Schweig du mir dort, rath' ich, das Donnerwetter Schlägt über dich ein, unberufne Schwätzerin! Wart, bis ich auf zur Red' dich rufen werde. WALTER Sehr sonderbar, bei Gott! RUPRECHT Jetzt hebt, Herr Richter Adam, Jetzt hebt sich's, wie ein Blutsturz, mir. Luft! Da mir der Knopf am Brustlatz springt: Luft jetzt! Und reiße mir den Latz auf: Luft jetzt sag' ich! Und geh, und drück, und tret' und donnere, Da ich der Dirne Thür, verriegelt finde, Gestemmt, mit Macht, auf einen Tritt, sie ein. ADAM Blitzjunge, du! RUPRECHT Just da sie auf jetzt rasselt, Stürzt dort der Krug vom Sims ins Zimmer hin, Und husch! springt Einer aus dem Fenster euch: Ich seh die Schöße noch vom Rocke wehn. ADAM War das der Leberecht? RUPRECHT Wer sonst, Herr Richter? Das Mädchen steht, die werf' ich über'n Haufen, Zum Fenster eil' ich hin, und find' den Kerl Noch in den Pfählen hangen, am Spalier, Wo sich das Weinlaub aufrankt bis zum Dach. Und da die Klinke in der Hand mir blieb, Als ich die Thür eindonnerte, so reiß' ich Jetzt mit dem Stahl Eins pfundschwer über'n Detz ihm: Den just, Herr Richter, konnt' ich noch erreichen. ADAM Wars eine Klinke? RUPRECHT Was? ADAM Ob's — RUPRECHT Ja, die Thürklinke. ADAM Darum. LICHT Ihr glaubtet wohl, es war ein Degen? ADAM Ein Degen? Ich — wie so? RUPRECHT Ein Degen! LICHT Je nun! Man kann sich wohl verhören. Eine Klinke Hat sehr viel Ähnlichkeit mit einem Degen. ADAM Ich glaub' —! LICHT Bei meiner Treu! Der Stiel, Herr Richter? ADAM Der Stiel! RUPRECHT Der Stiel! Der wars nun aber nicht. Der Klinke umgekehrtes Ende war's. ADAM Das umgekehrte Ende war's der Klinke! LICHT So! So! RUPRECHT Doch auf dem Griffe lag ein Klumpen Blei, wie ein Degengriff, das muß ich sagen. ADAM Ja, wie ein Griff. LICHT Gut. Wie ein Degengriff. Doch irgend eine tücksche Waffe mußt' es Gewesen sein. Das wußt' ich wohl. WALTER Zur Sache stets, ihr Herrn, doch! Zur Sache! ADAM Nichts als Allotrien, Herr Schreiber! — Er, weiter! RUPRECHT Jetzt stürzt der Kerl, und ich schon will mich wenden, Als ich's im Dunkeln auf sich rappeln sehe. Ich denke, lebst du noch? und steig auf's Fenster Und will dem Kerl das Gehen unten legen: Als jetzt, ihr Herrn, da ich zum Sprung just aushol', Mir eine Handvoll grobgekörnten Sandes — — Und Kerl und Nacht und Welt und Fensterbrett, Worauf ich steh, denk' ich nicht, straf mich Gott, Das Alles fällt in einen Sack zusammen — Wie Hagel, stiebend, in die Augen fliegt. ADAM Verflucht! Sieh da! Wer that das? RUPRECHT Wer? Der Lebrecht. ADAM Hallunke! RUPRECHT Meiner Treu! Wenn er's gewesen. ADAM Wer sonst! RUPRECHT Als stürzte mich ein Schlossenregen Von eines Bergs zehn Klaftern hohen Abhang, So schlag' ich jetzt vom Fenster euch ins Zimmer: Ich denk' ich schmettere den Boden ein. Nun brech' ich mir den Hals doch nicht, auch nicht Das Kreuz mir, Hüften, oder sonst, inzwischen Konnt' ich des Kerls doch nicht mehr habhaft werden, Und sitze auf, und wische mir die Augen. Die kommt, und ach, Herr Gott! ruft sie, und Ruprecht! Was ist dir auch? Mein Seel', ich hob den Fuß, Gut war's, daß ich nicht sah, wohin ich stieß. ADAM Kam das vom Sande noch? RUPRECHT Vom Sandwurf, ja. ADAM Verdammt! Der traf! RUPRECHT Da ich jetzt aufersteh' Was sollt' ich auch die Fäuste hier mir schänden? So schimpf' ich sie, und sage liederliche Metze, Und denke, das ist gut genug für sie. Doch Thränen, seht, ersticken mir die Sprache. Denn da Frau Marthe jetzt in's Zimmer tritt, Die Lampe hebt, und ich das Mädchen dort Jetzt schlotternd, zum Erbarmen vor mir sehe, Sie, die so herzhaft sonst wohl um sich sah, So sag' ich zu mir, blind ist auch nicht übel. Ich hätte meine Augen hingegeben, Knippkügelchen, wer will, damit zu spielen. EVE Er ist nicht werth, der Bös'wicht — ADAM Sie soll schweigen. RUPRECHT Das Weitre wißt ihr. ADAM Wie, das Weitere? RUPRECHT Nun ja, Frau Marthe kam, und geiferte, Und Ralf, der Nachbar, kam, und Hinz, der Nachbar, Und Muhme Sus' und Muhme Liese kamen, Und Knecht und Mägd' und Hund' und Katzen kamen, S' war ein Spektakel, und Frau Marthe fragte Die Jungfer dort, wer ihr den Krug zerschlagen, Und die, die sprach, ihr wißt's, daß ich's gewesen. Mein Seel', sie hat so Unrecht nicht, ihr Herren. Den Krug, den sie zu Wasser trug, zerschlug ich, Und der Flickschuster hat im Kopf ein Loch. — ADAM Frau Marthe! Was entgegnet ihr der Rede? Sagt an! FRAU MARTHE Was ich der Red entgegene? Daß sie, Herr Richter, wie der Marder einbricht, Und Wahrheit wie ein gakelnd Huhn erwürgt. Was Recht liebt, sollte zu den Keulen greifen, Um dieses Ungethüm der Nacht zu tilgen. ADAM Da wird sie den Beweis uns führen müssen. FRAU MARTHE O ja, sehr gern. Hier ist mein Zeuge. — Rede! ADAM Die Tochter? Nein, Frau Marthe. WALTER Nein? Warum nicht? ADAM Als Zeuginn, gnäd'ger Herr? Steht im Gesetzbuch Nicht titulo, ist's quarto? oder quinto? Wenn Krüge oder sonst, was weiß ich? Von jungen Bengeln sind zerschlagen worden, So zeugen Töchter ihren Müttern nicht? WALTER In eurem Kopf liegt Wissenschaft und Irrthum Geknetet, innig, wie ein Teig, zusammen; Mit jedem Schnitte gebt ihr mir von beidem. Die Jungfer zeugt noch nicht, sie deklarirt jetzt; Ob, und für wen, sie zeugen will und kann, Wird erst aus der Erklärung sich ergeben. ADAM Ja, deklariren. Gut. Titulo sexto. Doch was sie sagt, das glaubt man nicht. WALTER Tritt vor, mein junges Kind. ADAM He! Lis' —! — Erlaubt! Die Zunge wird sehr trocken mir — Margrethe! ACHTER AUFTRITT / Eine MAGD tritt auf. Die VORIGEN. / ADAM Ein Glas mit Wasser! — DIE MAGD Gleich! ADAM Kann ich euch gleichfalls —? WALTER Ich danke. ADAM Franz? oder Mos'ler? Was ihr wollt. WALTER / verneigt sich; die Magd bringt Wasser und entfernt sich. / NEUNTER AUFTRITT / WALTER, ADAM, FRAU MARTHE u. s. w. ohne die MAGD. / ADAM — Wenn ich freimüthig reden darf, Ihr Gnaden, Die Sache eignet gut sich zum Vergleich. WALTER Sich zum Vergleich? Das ist nicht klar, Herr Richter. Vernünft'ge Leute können sich vergleichen; Doch wie ihr den Vergleich schon wollt bewirken, Da noch durchaus die Sache nicht entworren, Das hätt' ich wohl von euch zu hören Lust. Wie denkt ihr's anzustellen, sagt mir an? Habt ihr ein Urtheil schon gefaßt? ADAM Mein Seel! Wenn ich, da das Gesetz im Stich mich läßt, Philosophie zu Hülfe nehmen soll, So war's — der Leberecht — WALTER Wer? ADAM Oder Ruprecht — WALTER Wer? ADAM Oder Lebrecht, der den Krug zerschlug. WALTER Wer also war's? Der Lebrecht oder Ruprecht? Ihr greift, ich seh, mit eurem Urtheil ein, Wie eine Hand in einen Sack voll Erbsen. ADAM Erlaubt! WALTER Schweigt, schweigt, ich bitt' euch. ADAM Wie ihr wollt. Auf meine Ehr, mir wär's vollkommen recht, Wenn sie es alle beid' gewesen wären. WALTER Fragt dort, so werdet ihr's erfahren. ADAM Sehr gern. Doch wenn ihr's heraus bekommt, bin ich ein Schuft. — Habt ihr das Protokoll da in Bereitschaft? LICHT Vollkommen. ADAM Gut. LICHT Und brech' ein eignes Blatt mir, Begierig, was darauf zu stehen kommt. ADAM Ein eignes Blatt? Auch gut. WALTER Sprich dort, mein Kind. ADAM Sprich, Evchen, hörst du, sprich jetzt, Jungfer Evchen! Gieb Gotte, hörst du, Herzchen, gieb, mein Seel, Ihm und der Welt, gieb ihm was von der Wahrheit. Denk, daß du hier vor Gottes Richtstuhl bist, Und daß du deinen Richter nicht mit Läugnen, Und Plappern, was zur Sache nicht gehört, Betrüben mußt. Ach, was! Du bist vernünftig. Ein Richter immer, weißt du, ist ein Richter, Und Einer braucht ihn heut, und Einer morgen. Sagst du, daß es der Lebrecht war: nun gut; Und sagst du, daß es Ruprecht war: auch gut! Sprich so, sprich so, ich bin kein ehrlicher Kerl, Es wird sich Alles, wie du's wünschest finden. Willst du mir hier von einem andern trätschen, Und dritten etwa, dumme Namen nennen: Sieh, Kind, nimm dich in Acht, ich sag' nichts weiter. In Huisum, hol's der Henker, glaubt dir's keiner, Und Keiner, Evchen, in den Niederlanden, Du weißt, die weißen Wände zeugen nicht, Der auch wird zu vertheidigen sich wissen: Und deinen Ruprecht holt die Schwerenoth! WALTER Wenn ihr doch eure Reden lassen wolltet. Geschwätz, gehauen nicht und nicht gestochen. ADAM Verstehen's Ew. Gnaden nicht? WALTER Macht fort! Ihr habt zulängst hier auf dem Stuhl gesprochen. ADAM Auf Ehr! Ich habe nicht studirt, Ew. Gnaden. Bin ich euch Herrn aus Utrecht nicht verständlich, Mit diesem Volk vielleicht verhält sich's anders: Die Jungfer weiß, ich wette, was ich will. FRAU MARTHE Was soll das? Dreist heraus jetzt mit der Sprache! EVE O liebste Mutter! FRAU MARTHE Du —! Ich rathe dir! RUPRECHT Mein Seel, 's ist schwer, Frau Marthe, dreist zu sprechen, Wenn das Gewissen an der Kehl' uns sitzt. ADAM Schweig' er jetzt, Nas'weis, mucks' er nicht. FRAU MARTHE Wer war's? EVE O Jesus! FRAU MARTHE Maulaffe, der! Der niederträchtige! O Jesus! Als ob sie eine Hure wäre. War's der Herr Jesus? ADAM Frau Marthe! Unvernunft! Was das für —! Laß sie die Jungfer doch gewähren! Das Kind einschrecken — Hure — Schaafsgesicht! So wird's uns nichts. Sie wird sich schon besinnen. RUPRECHT O ja, besinnen. ADAM Flaps dort, schweig er jetzt. RUPRECHT Der Flickschuster wird ihr schon einfallen. ADAM Der Satan! Ruft den Büttel! He! Hanfriede! RUPRECHT Nun, nun! Ich schweig', Herr Richter, laßt's nur sein. Sie wird euch schon auf meinen Nahmen kommen. FRAU MARTHE Hör du, mach mir hier kein Spektakel, sag' ich. Hör, neun und vierzig bin ich alt geworden In Ehren: funfzig möcht' ich gern erleben. Den dritten Februar ist mein Geburtstag; Heut ist der erste. Mach es kurz. Wer war's? ADAM Gut, meinethalben! Gut, Frau Marthe Rull! FRAU MARTHE Der Vater sprach, als er verschied: Hör', Marthe, Dem Mädel schaff mir einen wackern Mann; Und wird sie eine liederliche Metze, So gieb dem Todtengräber einen Groschen, Und laß mich wieder auf den Rücken legen: Mein Seel, ich glaub ich kehr' im Grab mich um. ADAM Nun, das ist auch nicht übel. FRAU MARTHE Willst du Vater Und Mutter jetzt, mein Evchen, nach dem vierten Gebot hoch ehren, gut, so sprich: in meine Kammer Ließ ich den Schuster, oder einen dritten, Hörst du? Der Bräut'gam aber war es nicht. RUPRECHT Sie jammert mich. Laßt doch den Krug, ich bitt' euch; Ich will'n nach Utrecht tragen. Solch' ein Krug — Ich wollt' ich hätt' ihn nur entzwei geschlagen. EVE Unedelmüth'ger, du! Pfui, schäme dich, Daß du nicht sagst, gut, ich zerschlug den Krug! Pfui, Ruprecht, pfui, o schäme dich, daß du Mir nicht in meiner That vertrauen kannst. Gab' ich die Hand dir nicht, und sagte, ja, Als du mich fragtest, Eve, willst du mich? Meinst du, daß du den Flickschuster nicht werth bist? Und hättest du durch's Schlüsselloch mich mit Dem Lebrecht aus dem Kruge trinken sehen, Du hättest denken sollen: Ev' ist brav, Es wird sich alles ihr zum Ruhme lösen, Und ist's im Leben nicht, so ist es jenseits, Und wenn wir auferstehn ist auch ein Tag. RUPRECHT Mein Seel, das dauert mir zu lange, Evchen. Was ich mit Händen greife, glaub' ich gern. EVE Gesetzt, es wär der Leberecht gewesen, Warum — des Todes will ich ewig sterben, Hätt' ich's dir Einzigem nicht gleich vertraut; Jedoch warum vor Nachbarn, Knecht und Mägden — Gesetzt, ich hätte Grund, es zu verbergen, Warum, o Ruprecht, sprich, warum nicht sollt' ich, Auf dein Vertraun hin sagen, daß du's warst? Warum nicht sollt' ich's? Warum sollt' ich's nicht? RUPRECHT Ei, so zum Henker, sag's, es ist mir Recht, Wenn du die Fiedel dir ersparen kannst. EVE O du Abscheulicher! Du Undankbarer! Werth, daß ich mir die Fiedel spare! Werth, Daß ich mit einem Wort zu Ehren mich, Und dich in ewiges Verderben bringe. WALTER Nun —? Und dies einz'ge Wort —? Halt uns nicht auf. Der Ruprecht also war es nicht? EVE Nein gnäd'ger Herr, weil ers denn selbst so will, Um seinetwillen nur verschwieg ich es: Den irdnen Krug zerschlug der Ruprecht nicht, Wenn er's euch selber läugnet, könnt ihr's glauben. FRAU MARTHE Eve! Der Ruprecht nicht? EVE Nein, Mutter, nein! Und wenn ich's gestern sagte, war's gelogen. FRAU MARTHE Hör, dir zerschlag' ich alle Knochen! / Sie setzt den Krug nieder. / EVE Thut, was ihr wollt. WALTER / drohend. / Frau Marthe! ADAM FRAU MARTHE War es der Lebrecht etwa? War's der Lebrecht? ADAM Sprich, Evchen, war's der Lebrecht nicht, mein Herzchen? EVE Er Unverschämter, er! Er Niederträcht'ger! Wie kann er sagen, daß es Lebrecht — WALTER Jungfer! Was untersteht sie sich? Ist das mir der Respekt, den sie dem Richter schuldig ist? EVE Ei, was! Der Richter dort! Werth, selbst vor dem Gericht, ein armer Sünder, dazustehn — — Er, der wohl besser weiß, wer es gewesen! sich zum Dorfrichter wendend: Hat er den Lebrecht in die Stadt nicht gestern Geschickt nach Utrecht, vor die Commission, Mit dem Attest, der die Rekruten aushebt? Wie kann er sagen, daß es Lebrecht war, Wenn er wohl weiß, daß der in Utrecht ist? ADAM Nun wer denn sonst? Wenn's Lebrecht nicht, zum Henker — Nicht Ruprecht ist, nicht Lebrecht ist — — Was machst du? RUPRECHT Mein Seel', Herr Richter Adam, laßt euch sagen, Hierin mag doch die Jungfer just nicht lügen, Dem Lebrecht bin ich selbst begegnet gestern, Als er nach Utrecht ging, früh war's Glock acht, Und wenn er auf ein Fuhrwerk sich nicht lud, Hat sich der Kerl, krummbeinig wie er ist, Glock zehn Uhr Nachts noch nicht zurück gehaspelt. Es kann ein dritter wohl gewesen sein. ADAM Ach, was! Krummbeinig! Schaafsgesicht! Der Kerl Geht seinen Stiefel, der, trotz Einem. Ich will von ungespaltnem Leibe sein, Wenn nicht ein Schäferhund von mäß'ger Größe Muß seinen Trab gehn, mit ihm fortzukommen. WALTER Erzähl' den Hergang uns. ADAM Verzeih'n Ew. Gnaden! Hierauf wird euch die Jungfer schwerlich dienen. WALTER Nicht dienen? Mir nicht dienen? Und warum nicht? ADAM Ein twatsches Kind. Ihr seht's. Gut, aber twatsch. Blutjung, gefirmelt kaum; das schämt sich noch, Wenn's einen Bart von weitem sieht. So'n Volk, Im Finstern leiden sie's, und wenn es Tag wird, So läugnen sie's vor ihrem Richter ab. WALTER Ihr seid sehr nachsichtsvoll, Herr Richter Adam, Sehr mild, in allem, was die Jungfer angeht. ADAM Die Wahrheit euch zu sagen, Herr Gerichtsrath, Ihr Vater war ein guter Freund von mir. Wollen Ew. Gnaden heute huldreich sein, So thun wir hier nicht mehr, als unsre Pflicht, Und lassen seine Tochter gehn. WALTER Ich spüre große Lust in mir, Herr Richter, Der Sache völlig auf den Grund zu kommen. — Sei dreist, mein Kind; sag, wer den Krug zerschlagen. Vor niemand stehst du, in dem Augenblick, Der einen Fehltritt nicht verzeihen könnte. EVE Mein lieber, würdiger und gnäd'ger Herr, Erlaßt mir, euch den Hergang zu erzählen. Von dieser Weig'rung denkt uneben nicht. Es ist des Himmels wunderbare Fügung, Die mir den Mund in dieser Sache schließt. Daß Ruprecht jenen Krug nicht traf, will ich Mit einem Eid, wenn ihr's verlangt, Auf heiligem Altar bekräftigen. Jedoch die gestrige Begebenheit, Mit jedem andern Zuge, ist mein eigen, Und nicht das ganze Garnstück kann die Mutter, Um eines einz'gen Fadens willen, fordern, Der, ihr gehörig, durch's Gewebe läuft. Ich kann hier, wer den Krug zerschlug, nicht melden, Geheimnisse, die nicht mein Eigenthum, Müßt' ich, dem Kruge völlig fremd, berühren. Früh oder spät, will ich's ihr anvertrauen, Doch hier das Tribunal ist nicht der Ort, Wo sie das Recht hat, mich darnach zu fragen. ADAM Nein, Rechtens nicht. Auf meine Ehre nicht. Die Jungfer weiß, wo unsre Zäume hängen. Wenn sie den Eid hier vor Gericht will schwören, So fällt der Mutter Klage weg: Dagegen ist nichts weiter einzuwenden. WALTER Was sagt zu der Erklärung sie, Frau Marthe? FRAU MARTHE Wenn ich gleich was Erkleckliches nicht aufbring', Gestrenger Herr, so glaubt, ich bitt' euch sehr, Daß mir der Schlag bloß jetzt die Zunge lähmte. Beispiele giebts, daß ein verlohrner Mensch, Um vor der Welt zu Ehren sich zu bringen, Den Meineid vor dem Richtstuhle wagt; doch daß Ein falscher Eid sich schwören kann, auf heil'gem Altar, um an den Pranger hinzukommen, Das heut erfährt die Welt zum erstenmal. Wär', daß ein Andrer, als der Ruprecht sich In ihre Kammer gestern schlich, gegründet, Wär's überall nur möglich, gnäd'ger Herr, Versteht mich wohl, — so säumt ich hier nicht länger. Den Stuhl setzt' ich, zur ersten Einrichtung, Ihr vor die Thür', und sagte, geh, mein Kind, Die Welt ist weit, da zahlst du keine Miethe, Und lange Haare hast du auch geerbt, Woran du dich, kommt Zeit, kommt Rath, kannst hängen. WALTER Ruhig, ruhig, Frau Marthe. FRAU MARTHE Da ich jedoch Hier den Beweis noch anders führen kann, Als bloß durch sie, die diesen Dienst mir weigert, Und überzeugt bin völlig, daß nur er Mir, und kein Anderer den Krug zerschlug, So bringt die Lust, es kurz hin abzuschwören, Mich noch auf einen schändlichen Verdacht. Die Nacht von gestern birgt ein anderes Verbrechen noch, als bloß die Krugverwüstung. Ich muß euch sagen, gnäd'ger Herr, daß Ruprecht Zur Conscription gehört, in wenig Tagen Soll er den Eid zur Fahn' in Utrecht schwören. Die jungen Landessöhne reißen aus. Gesetzt, er hätte gestern Nacht gesagt: Was meinst du, Evchen? Komm. Die Welt ist groß. Zu Kist' und Kasten hast du ja die Schlüssel — Und sie, sie hätt' ein wenig sich gesperrt: So hätte ohngefähr, da ich sie störte, — Bei ihm aus Rach', aus Liebe noch bei ihr — Der Rest, so wie geschehn, erfolgen können. RUPRECHT Das Rabenaas! Was das für Reden sind! Zu Kist' und Kasten — WALTER Still! EVE Er, austreten! WALTER Zur Sache hier. Vom Krug ist hier die Rede. — Beweis, Beweis, daß Ruprecht ihn zerbrach! FRAU MARTHE Gut, gnäd'ger Herr. Erst will ich hier beweisen, Daß Ruprecht mir den Krug zerschlug, Und dann will ich im Hause untersuchen. — Seht eine Zunge, die mir Zeugniß redet, Bring' ich für jedes Wort auf, das er sagte, Und hätt' in Reihen gleich sie aufgeführt, Wenn ich von fern geahndet nur, daß diese Die ihrige für mich nicht brauchen würde. Doch wenn ihr Frau Brigitte jetzo ruft, Die ihm die Muhm' ist, so genügt mir die, Weil die den Hauptpunkt just bestreiten wird. Denn die, die hat Glock halb auf eilf im Garten, Merkt wohl, bevor der Krug zertrümmert worden, Wortwechselnd mit der Ev' ihn schon getroffen; Und wie die Fabel, die er aufgestellt, Vom Kopf zu Fuß dadurch gespalten wird, Durch diese einz'ge Zung', ihr hohen Richter, Das überlaß' ich selbst euch einzusehn. RUPRECHT Wer hat mich —? VEIT Schwester Briggy? RUPRECHT Mich mit Ev'? Im Garten? FRAU MARTHE Ihn mit der Ev', im Garten, Glock halb eilf, Bevor er noch, wie er geschwätzt, um eilf Das Zimmer überrumpelnd eingesprengt: Im Wortgewechsel, kosend bald, bald zerrend, Als wollt' er sie zu etwas überreden. ADAM / für sich. / Verflucht! Der Teufel ist mir gut. WALTER Schafft diese Frau herbei. RUPRECHT Ihr Herrn, ich bitt' euch: Das ist kein wahres Wort, das ist nicht möglich. ADAM O wart, Hallunke! — He! Der Büttel! Hanfried! — Denn auf der Flucht zerschlagen sich die Krüge — — Herr Schreiber, geht, schafft Frau Brigitt' herbei! VEIT Hör, du verfluchter Schlingel, du, was machst du? Dir brech ich alle Knochen noch. RUPRECHT Weshalb auch? VEIT Warum verschwiegst du, daß du mit der Dirne Glock halb eilf im Garten schon scharwenzt? Warum verschwiegst du's? RUPRECHT Warum ich's verschwieg? Gott's Schlag und Donner, weil's nicht wahr ist, Vater! Wenn das die Muhme Briggy zeugt, so hängt mich. Und bei den Beinen sie meinthalb dazu. VEIT Wenn aber sie's bezeugt — nimm dich in Acht! Du und die saub're Jungfer Eve dort, Wie ihr auch vor Gericht euch stellt, ihr steckt Doch unter einer Decke noch. S' ist irgend Ein schändliches Geheimniß noch, von dem Sie weiß, und nur aus Schonung hier nichts sagt. RUPRECHT Geheimniß? Welches? VEIT Warum hast du eingepackt? He? Warum hast du gestern Abend eingepackt? RUPRECHT Die Sachen? VEIT Röcke, Hosen, ja, und Wäsche; Ein Bündel, wie's ein Reisender just auf Die Schultern wirft? RUPRECHT Weil ich nach Utrecht soll! Weil ich zum Regiment soll! Himmel-Donner —! Glaubt er, daß ich —? VEIT Nach Utrecht? Ja, nach Utrecht! Du hast geeilt, nach Utrecht hinzukommen! Vorgestern wußtest du noch nicht, ob du Den fünften oder sechsten Tag wirst reisen. WALTER Weiß er zur Sache was zu melden, Vater? VEIT — Gestrenger Herr, ich will noch nichts behaupten. Ich war daheim, als sich der Krug zerschlug, Und auch von einer andern Unternehmung Hab' ich, die Wahrheit zu gestehn, noch nichts, Wenn ich jedweden Umstand wohl erwäge, Das meinen Sohn verdächtig macht, bemerkt. Von seiner Unschuld völlig überzeugt, Kam ich hieher, nach abgemachtem Streit Sein ehelich Verlöbniß aufzulösen, Und ihm das Silberkettlein einzufordern, Zusamt dem Schaupfennig, den er der Jungfer Bei dem Verlöbniß vor'gen Herbst verehrt. Wenn jetzt von Flucht was, und Verrätherei An meinem grauen Haar zu Tage kommt, So ist mir das so neu, ihr Herrn, als euch: Doch dann der Teufel soll den Hals ihm brechen. WALTER Schafft Frau Brigitt' herbei, Herr Richter Adam. ADAM — Wird Ew. Gnaden diese Sache nicht Ermüden? Sie zieht sich in die Länge. Ew. Gnaden haben meine Kassen noch, Und die Registratur — Was ist die Glocke? LICHT Es schlug so eben halb. ADAM Auf eilf? LICHT Verzeiht, auf zwölfe. WALTER Gleichviel. ADAM Ich glaub', die Zeit ist, oder ihr verrückt. er sieht nach der Uhr. Ich bin kein ehrlicher Mann. — Ja, was befehlt ihr? WALTER Ich bin der Meinung — ADAM Abzuschließen? Gut —! WALTER Erlaubt! Ich bin der Meinung, fortzufahren. ADAM Ihr seid der Meinung — Auch gut. Sonst würd' ich Auf Ehre, morgen früh, Glock neun, die Sache, Zu euerer Zufriedenheit beend'igen. WALTER Ihr wißt um meinen Willen. ADAM Wie ihr befehlt. Herr Schreiber, schickt die Büttel ab; sie sollen Sogleich ins Amt die Frau Brigitte laden. WALTER Und nehmt euch — Zeit, die mir viel werth, zu sparen — Gefälligst selbst der Sach' ein wenig an. / Licht ab. / ZEHNTER AUFTRITT / Die VORIGEN ohne LICHT. Späterhin Einige MÄGDE. / ADAM / aufstehend. / Inzwischen könnte man, wenn's so gefällig, Vom Sitze sich ein wenig lüften —? WALTER Hm! O ja. Was ich sagen wollt' — ADAM Erlaubt ihr gleichfalls, Daß die Parthei'n, bis Frau Brigitt' erscheint —? WALTER Was? Die Parthei'n? ADAM Ja, vor die Thür, wenn ihr — WALTER / für sich. / Verwünscht! laut. Herr Richter Adam, wißt ihr was? Gebt ein Glas Wein mir in der Zwischenzeit. ADAM Von ganzem Herzen gern. He! Margarethe! Ihr macht mich glücklich, gnäd'ger Herr. — Margrethe! / Die Magd tritt auf. / DIE MAGD Hier. ADAM Was befehlt ihr! — Tretet ab, ihr Leute. Franz? — Auf den Vorsaal draußen. — Oder Rhein? WALTER Von unserm Rhein. ADAM Gut. — Bis ich rufe. Marsch! WALTER Wohin? ADAM Geh, vom Versiegelten, Margrethe! — Was? Auf den Flur bloß draußen. — Hier. — Der Schlüssel. WALTER Hm! Bleibt. ADAM Fort! Marsch, sag ich! — Geh, Margarethe! Und Butter, frisch gestampft, Käs' auch aus Limburg, Und von der fetten pommerschen Räuchergans. WALTER Halt! Einen Augenblick! Macht nicht so viel Umständ', ich bitt euch sehr, Herr Richter. ADAM Schert Zum Teufel euch, sag' ich! Thu, wie ich sagte. WALTER Schickt ihr die Leute fort, Herr Richter? ADAM Ew. Gnaden? WALTER Ob ihr —? ADAM Sie treten ab, wenn ihr erlaubt. Bloß ab, bis Frau Brigitt' erscheint. Wie, oder soll's nicht etwa —? WALTER Hm! Wie ihr wollt. Doch ob's der Mühe sich verlohnen wird? Meint ihr, daß es so lange Zeit wird währen, Bis man im Ort sie trifft? ADAM S' ist heute Holztag, Gestrenger Herr. Die Weiber größtentheils Sind in den Fichten, Sträucher einzusammeln. Es könnte leicht — RUPRECHT Die Muhme ist zu Hause. WALTER Zu Haus'. Laßt sein. RUPRECHT Die wird sogleich erscheinen. WALTER Die wird uns gleich erscheinen. Schafft den Wein. ADAM / für sich. / Verflucht! WALTER Macht fort. Doch nichts zum Imbiß, bitt ich, Als ein Stück trocknen Brodes nur, und Salz. ADAM / für sich. / Zwei Augenblicke mit der Dirn' allein — laut.. Ach, trocknes Brod! Was! Salz! Geht doch. WALTER Gewiß. ADAM Ei, ein Stück Käs' aus Limburg — mindstens Käse — Macht erst geschickt die Zunge, Wein, zu schmekken. WALTER Gut. Ein Stück Käse denn, doch weiter nichts. ADAM So geh. Und weiß, von Damast, aufgedeckt. Schlecht alles zwar, doch recht. Die Magd ab. Das ist der Vortheil Von uns verrufnen hagestolzen Leuten, Daß wir, was Andre knapp und kummervoll, Mit Weib und Kindern täglich theilen müssen, Mit einem Freunde zur gelegnen Stunde, Vollauf genießen. WALTER Was ich sagen wollte — Wie kamt ihr doch zu eurer Wund', Herr Richter? Das ist ein böses Loch, fürwahr, im Kopf, das! ADAM — Ich fiel. WALTER Ihr fielt. Hm! So. Wann? Gestern Abend? ADAM Heut, Glock halb sechs, verzeiht, am Morgen, früh, Da ich so eben aus dem Bette stieg. WALTER Worüber? ADAM Über — gnäd'ger Herr Gerichtsrath, Die Wahrheit euch zu sagen, über mich. Ich schlug euch häuptlings an den Ofen nieder, Bis diese Stunde weiß ich nicht, warum? WALTER Von hinten? ADAM Wie? Von hinten — WALTER Oder vorn? Ihr habt zwo Wunden, vorne ein' und hinten. ADAM Von vorn und hinten. Margarethe! / DIE BEIDEN MÄGDE mit Wein u. s. w. Sie decken auf, und gehen wieder ab. / WALTER Wie? ADAM Erst so, dann so. Erst auf die Ofenkante, Die vorn die Stirn mir einstieß, und sodann Vom Ofen rückwärts auf den Boden wieder, Wo ich mir noch den Hinterkopf zerschlug. Er schenkt ein. Ist's Euch gefällig? WALTER / nimmt das Glas. / Hättet ihr ein Weib, So würd' ich wunderliche Dinge glauben, Herr Richter. ADAM Wie so? WALTER Ja, bei meiner Treu, So rings seh' ich zerkritzt euch und zerkratzt. ADAM / lacht. / Nein, Gott sei Dank! Fraunnägel sind es nicht. WALTER Glaub's. Auch ein Vortheil noch der Hagestolzen. ADAM / fortlachend. / Strauchwerk, für Seidenwürmer, das man trocknend Mir an dem Ofenwinkel aufgesetzt. — Auf euer Wohlergehn! / Sie trinken. / WALTER Und grad' auch heut Noch die Perücke seltsam einzubüßen! Die hätt' euch eure Wunden noch bedeckt. ADAM Ja, ja. Jedwedes Übel ist ein Zwilling. — Hier — von dem fetten jetzt — kann ich —? WALTER Ein Stückchen. Aus Limburg? ADAM Rect' aus Limburg, gnäd'ger Herr. WALTER — Wie Teufel aber, sagt mir, ging das zu? ADAM Was? WALTER Daß ihr die Perücke eingebüßt. ADAM Ja, seht. Ich sitz' und lese gestern Abend Ein Actenstück, und weil ich mir die Brille Verlegt, duck' ich so tief mich in den Streit, Daß bei der Kerze Flamme lichterloh Mir die Perücke angeht. Ich, ich denke, Feu'r fällt vom Himmel auf mein sündig Haupt, Und greife sie, und will sie von mir werfen; Doch eh ich noch das Nackenband gelößt, Brennt sie wie Sodom und Gomorrha schon. Kaum daß ich die drei Haare noch mir rette. WALTER Verwünscht! Und eure andre ist in der Stadt. ADAM Bei dem Perückenmacher. — Doch zur Sache. WALTER Nicht allzurasch, ich bitt', Herr Richter Adam. ADAM Ei, was! Die Stunde rollt. Ein Gläschen hier. / er schenkt ein. / WALTER Der Lebrecht — wenn der Kauz dort wahr gesprochen — Er auch hat einen bösen Fall gethan. ADAM Auf meine Ehr' / er trinkt. / WALTER Wenn hier die Sache, Wie ich fast fürchte, unentworren bleibt, So werdet ihr, in eurem Ort, den Thäter Leicht noch aus seiner Wund' entdecken können. er trinkt. Niersteiner? ADAM Was? WALTER Oder guter Oppenheimer? ADAM Nierstein. Sieh da! Auf Ehre! Ihr versteht's. Aus Nierstein, gnäd'ger Herr, als hätt' ich ihn geholt. WALTER Ich prüft' ihn, vor drei Jahren, an der Kelter. ADAM / schenkt wieder ein. / WALTER — Wie hoch ist euer Fenster — dort! Frau Marthe. FRAU MARTHE Mein Fenster? WALTER Das Fenster jener Kammer ja, Worin die Jungfer schläft? FRAU MARTHE Die Kammer zwar Ist nur vom ersten Stock, ein Keller drunter, Mehr als neun Fuß das Fenster nicht vom Boden; Jedoch die ganze, wohlerwogene Gelegenheit sehr ungeschickt zum Springen. Denn auf zwei Fuß steht von der Wand ein Weinstock, Der seine knot'gen Äste rankend hin Durch ein Spalier treibt, längs der ganzen Wand: Das Fenster selbst ist noch davon umstrickt. Es würd' ein Eber, ein gewaffneter, Müh mit den Fängern haben, durchzubrechen. ADAM Es hing auch keiner drin. / er schenkt sich ein. / WALTER Meint ihr? ADAM Ach, geht! / er trinkt. / WALTER / zu Ruprecht. / Wie traf er denn den Sünder? Auf den Kopf? ADAM Hier. WALTER Laßt. ADAM Gebt her. WALTER S' ist halb noch voll. ADAM Wills füllen. WALTER Ihr hört's. ADAM Ei, für die gute Zahl. WALTER Ich bitt' euch. ADAM Ach, was! Nach der Pythagoräer-Regel. / er schenkt ihm ein. / WALTER / wieder zu Ruprecht. / Wie oft traf er dem Sünder denn den Kopf? ADAM Eins ist der Herr; Zwei ist das finstre Chaos; Drei ist die Welt. Drei Gläser lob' ich mir. Im dritten trinkt man mit den Tropfen Sonnen, Und Firmamente mit den übrigen. WALTER Wie oftmals auf den Kopf traf er den Sünder? Er, Ruprecht, ihn dort frag' ich! ADAM Wird man's hören? Wie oft trafst du den Sündenbock? Na, heraus! Gott's Blitz, seht, weiß der Kerl wohl selbst, ob er — Vergaßt du's? RUPRECHT Mit der Klinke? ADAM Ja, was weiß ich. WALTER Vom Fenster, als er nach ihm herunter hieb? RUPRECHT Zweimal, ihr Herrn. ADAM Hallunke! das behielt er! / er trinkt. / WALTER Zweimal! Er konnt' ihn mit zwei solchen Hieben Erschlagen, weiß er —? RUPRECHT Hätt' ich ihn erschlagen, So hätt' ich ihn. Es wär mir grade recht. Läg' er hier vor mir, todt, so könnt' ich sagen, Der war's, ihr Herrn, ich hab euch nicht belogen. ADAM Ja, todt! Das glaub' ich. Aber so — / er schenkt ein. / WALTER Konnt' er ihn denn im dunkeln nicht erkennen? RUPRECHT Nicht einen Stich, gestrenger Herr. Wie sollt ich? ADAM Warum sperrt'st du nicht die Augen auf? — Stoßt an! RUPRECHT Die Augen auf! Ich hatt' sie aufgesperrt. Der Satan warf sie mir voll Sand. ADAM / in den Bart. / Voll Sand, ja! Warum sperrt'st du deine großen Augen auf. — Hier. Was wir lieben, gnäd'ger Herr! Stoßt an! WALTER — Was recht und gut und treu ist, Richter Adam! / sie trinken. / ADAM Nun denn, zum Schluß jetzt, wenns gefällig ist. / er schenkt ein. / WALTER Ihr seid zuweilen bei Frau Marthe wohl, Herr Richter Adam. Sagt mir doch, Wer, außer Ruprecht, geht dort aus und ein. ADAM Nicht allzuoft, gestrenger Herr, verzeiht. Wer aus und eingeht, kann ich euch nicht sagen. WALTER Wie? Solltet ihr die Wittwe nicht zuweilen Von eurem seel'gen Freund besuchen? ADAM Nein, in der That, sehr selten nur. WALTER Frau Marthe! Habt ihr's mit Richter Adam hier verdorben? Er sagt, er spräche nicht mehr bei euch ein? FRAU MARTHE Hm! Gnäd'ger Herr, verdorben? Das just nicht. Ich denk er nennt mein guter Freund sich noch. Doch daß ich oft in meinem Haus' ihn sähe, Das vom Herrn Vetter kann ich just nicht rühmen. Neun Wochen sind's, daß er's zuletzt betrat, Und auch nur da noch im Vorübergehn. WALTER Wie sagt ihr? FRAU MARTHE Was? WALTER Neun Wochen wären's —? FRAU MARTHE Neun, Ja — Donnerstag sind's zehn. Er bat sich Saamen Bei mir, von Nelken und Aurikeln aus. WALTER Und — Sontags — wenn er auf das Vorwerk geht —? FRAU MARTHE Ja, da — da gukt er mir in's Fenster wohl, Und saget guten Tag zu mir und meiner Tochter; Doch dann so geht er wieder seiner Wege. WALTER / für sich. / Hm! Sollt ich auch dem Manne wohl — er trinkt. Ich glaubte, Weil ihr die Jungfer Muhme dort zuweilen In eurer Wirthschaft braucht, so würdet ihr Zum Dank die Mutter dann und wann besuchen. ADAM Wie so, gestrenger Herr? WALTER Wie so? Ihr sagtet, Die Jungfer helfe euren Hühnern auf, Die euch im Hof erkranken. Hat sie nicht Noch heut in dieser Sach' euch Rath ertheilt? FRAU MARTHE Ja, allerdings, gestrenger Herr, das thut sie. Vorgestern schickt' er ihr ein krankes Perlhuhn Ins Haus, das schon den Tod im Leibe hatte. Vorm Jahr rettete sie ihm eins vom Pips, Und dies auch wird sie mit der Nudel heilen: Jedoch zum Dank ist er noch nicht erschienen. WALTER / verwirrt. / — Schenkt ein, Herr Richter Adam, seid so gut. Schenkt gleich mir ein. Wir wollen eins noch trinken. ADAM Zu eurem Dienst. Ihr macht mich glücklich. Hier. / er schenkt ein. / WALTER Auf euer Wohlergehn! — Der Richter Adam, Er wird früh oder spät schon kommen. FRAU MARTHE Meint ihr? Ich zweifle. Könnt' ich Niersteiner, solchen, wie ihr trinkt, Und wie mein seel'ger Mann, der Castellan, Wohl auch, von Zeit zu Zeit, im Keller hatte, Vorsetzen dem Herrn Vetter, wär's was anders: Doch so besitz' ich nichts, ich arme Wittwe, In meinem Hause, das ihn lockt. WALTER Um so viel besser. EILFTER AUFTRITT / LICHT. FRAU BRIGITTE mit einer Perücke in der Hand. Die MÄGDE. Die VORIGEN. / LICHT Hier, Frau Brigitte, herein. WALTER Ist das die Frau, Herr Schreiber Licht? LICHT Das ist die Frau Brigitte, Ew. Gnaden. WALTER Nun denn, so laßt die Sach' uns jetzt beschließen. Nehmt ab, ihr Mägde. Hier. / Die Mägde mit Gläsern u. s. w. ab. / ADAM / während dessen. / Nun, Evchen, höre, Dreh du mir deine Pille ordentlich, Wie sich's gehört, so sprech ich heute Abend Auf ein Gericht Karauschen bei euch ein. Dem Luder muß sie ganz jetzt durch die Gurgel, Ist sie zu groß, so mag's den Tod dran fressen. WALTER / erblickt die Perücke. / Was bringt uns Frau Brigitte dort für eine Perücke? LICHT Gnäd'ger Herr? WALTER Was jene Frau uns dort für eine Perücke bringt? LICHT Hm! WALTER Was? LICHT Verzeiht — WALTER Werd ich's erfahren? LICHT Wenn Ew. Gnaden gütigst Die Frau, durch den Herrn Richter fragen wollen, So wird, wem die Perücke angehört, Sich, und das Weitre, zweifl' ich nicht ergeben. WALTER — Ich will nicht wissen, wem sie angehört. Wie kam die Frau dazu? Wo fand sie sie? LICHT Die Frau fand die Perücke im Spalier Bei Frau Margrethe Rull. Sie hing gespießt, Gleich einem Nest, im Kreuzgeflecht des Weinstocks, Dicht unterm Fenster, wo die Jungfer schläft. FRAU MARTHE Was? Bei mir? Im Spalier? WALTER / heimlich. / Herr Richter Adam, Habt ihr mir etwas zu vertraun, So bitt' ich, um die Ehre des Gerichtes, Ihr seid so gut, und sagt mir's an. ADAM Ich euch —? WALTER Nicht? Habt ihr nicht —? ADAM Auf meine Ehre — / er ergreift die Perücke. / WALTER Hier die Perücke ist die eure nicht? ADAM Hier die Perück' ihr Herren, ist die meine! Das ist, Blitz-Element, die nemliche, Die ich dem Burschen vor acht Tagen gab, Nach Utrecht sie zum Meister Mehl zu bringen. WALTER Wem? Was? LICHT Dem Ruprecht? RUPRECHT Mir? ADAM Hab ich ihm, Schlingel, Als er nach Utrecht vor acht Tagen ging, Nicht die Perück' hier anvertraut, sie zum Friseur, daß er sie renoviere, hinzutragen? RUPRECHT Ob er —? Nun ja. Er gab mir — ADAM Warum hat er Nicht die Perück', Hallunke, abgegeben? Warum nicht hat er sie, wie ich befohlen, Beim Meister in der Werkstatt abgegeben? RUPRECHT Warum ich sie —? Gott's, Himmel-Donner — Schlag! Ich hab' sie in der Werkstatt abgegeben. Der Meister Mehl nahm sie — ADAM Sie abgegeben? Und jetzt hängt sie im Weinspalier bei Marthens? O wart, Canaille! So entkommst du nicht. Dahinter steckt mir von Verkappung was, Und Meuterei, was weiß ich? — Wollt ihr erlauben, Daß ich sogleich die Frau nur inquirire? WALTER Ihr hättet die Perücke —? ADAM Gnäd'ger Herr, Als jener Bursche dort, vergangnen Dienstag, Nach Utrecht fuhr mit seines Vaters Ochsen, Kam er in's Amt, und sprach, Herr Richter Adam, Habt ihr im Städtlein etwas zu bestellen? Mein Sohn, sag ich, wenn du so gut willt sein, So laß mir die Perück' hier auftoupiren — Nicht aber sagt' ich ihm, geh und bewahre Sie bei dir auf, verkappe dich darin, Und laß sie im Spalier bei Marthens hängen. FRAU BRIGITTE Ihr Herrn, der Ruprecht, mein' ich, halt zu Gnaden, Der war's wohl nicht. Denn da ich gestern nacht Hinaus auf's Vorwerk geh', zu meiner Muhme, Die schwer im Kindbett liegt, hört' ich die Jungfer Gedämpft, im Garten hinten jemand schelten: Wuth scheint und Furcht die Stimme ihr zu rauben. Pfui, schäm' er sich, er Niederträchtiger, Was macht er? Fort. Ich werd' die Mutter rufen; Als ob die Spanier im Lande wären. Drauf: Eve! durch den Zaun hin: Eve! ruf' ich. Was hast du? Was auch giebt's? — Und still wird es: Nun? Wirst du antworten? — Was wollt ihr, Muhme? Was hast du vor? frag' ich. — Was werd' ich haben. Ist es der Ruprecht? — „Ei so ja, der Ruprecht. Geht euren Weg doch nur.“ — So koch dir Thee. Das liebt sich, denk' ich, wie sich andre zanken. FRAU MARTHE Mithin —? RUPRECHT Mithin —? WALTER Schweigt! Laßt die Frau vollenden. FRAU BRIGITTE Da ich vom Vorwerk nun zurückekehre, Zur Zeit der Mitternacht etwa, und just, Im Lindengang, bei Marthens Garten bin, Huscht euch ein Kerl bei mir vorbei, kahlköpfig, Mit einem Pferdefuß, und hinter ihm Erstinkt's wie Dampf von Pech und Haar und Schwefel. Ich sprech' ein Gott sei bei uns aus, und drehe Entsetzensvoll mich um, und seh', mein Seel', Die Glatz ihr Herrn im Verschwinden noch, Wie faules Holz, den Lindengang durchleuchten. RUPRECHT Was! Himmel — Tausend —! FRAU MARTHE Ist sie toll, Frau Briggy? RUPRECHT Der Teufel, meint Sie, wär's —? LICHT Still! Still! FRAU BRIGITTE Mein Seel! Ich weiß, was ich gesehen und gerochen. WALTER / ungeduldig. / Frau, ob's der Teufel war, will ich nicht untersuchen, Ihn aber, ihn denunciirt man nicht. Kann sie von einem andern melden, gut: Doch mit dem Sünder da verschont sie uns. LICHT Wollen Ew. Gnaden sie vollenden lassen. WALTER Blödsinnig Volk, das! FRAU BRIGITTE Gut, wie ihr befehlt. Doch der Herr Schreiber Licht sind mir ein Zeuge. WALTER Wie? Ihr ein Zeuge? LICHT Gewissermaßen, ja. WALTER Fürwahr, ich weiß nicht — LICHT Bitte ganz submiß, Die Frau in dem Berichte nicht zu stören. Daß es der Teufel war, behaupt' ich nicht; Jedoch mit Pferdefuß, und kahler Glatze Und hinten Dampf, wenn ich nicht sehr mich irre, Hat's seine völl'ge Richtigkeit! — Fahrt fort! FRAU BRIGITTE Da ich nun mit Erstaunen heut vernehme, Was bei Frau Marthe Rull geschehn, und ich Den Krugzertrümmrer auszuspioniren, Der mir zu Nacht begegnet am Spalier, Den Platz, wo er gesprungen, untersuche, Find ich im Schnee, ihr Herrn, euch eine Spur — Was find ich euch für eine Spur im Schnee? Rechts fein und scharf und nett gekantet immer, Ein ordentlicher Menschenfuß, Und links unförmig grobhin eingetölpelt Ein ungeheurer klotz'ger Pferdefuß. WALTER / ärgerlich. / Geschwätz, wahnsinniges, verdammenswürd'ges —! VEIT Es ist nicht möglich, Frau! FRAU BRIGITTE Bei meiner Treu! Erst am Spalier, da, wo der Sprung geschehen, Seht, einen weiten, schneezerwühlten Kreis, Als ob sich eine Sau darin gewälzt; Und Menschenfuß und Pferdefuß von hier, Und Menschenfuß und Pferdefuß, und Menschenfuß und Pferdefuß, Quer durch den Garten, bis in alle Welt. ADAM Verflucht! — hat sich der Schelm vielleicht erlaubt, Verkappt des Teufels Art —? RUPRECHT Was! Ich! LICHT Schweigt! Schweigt! FRAU BRIGITTE Wer einen Dachs sucht, und die Fährt' entdeckt, Der Waidmann, triumphirt nicht so, als ich. Herr Schreiber Licht, sag' ich, denn eben seh' ich, Von Euch geschickt, den Würd'gen zu mir treten, Herr Schreiber Licht, spart Eure Session, Den Krugzertrümmerer judicirt ihr nicht, Der sitzt nicht schlechter euch, als in der Hölle: Hier ist die Spur die er gegangen ist. WALTER So habt ihr selbst euch überzeugt? LICHT Ew. Gnaden, Mit dieser Spur hat's völl'ge Richtigkeit. WALTER Ein Pferdefuß? LICHT Fuß eines Menschen, bitte, Doch praeter propter wie ein Pferdehuf. ADAM Mein Seel, ihr Herrn, die Sache scheint mir ernsthaft. Man hat viel beißend abgefaßte Schriften, Die, daß ein Gott sei, nicht gestehen wollen; Jedoch den Teufel hat, soviel ich weiß, Kein Atheist noch bündig wegbewiesen. Der Fall, der vorliegt, scheint besonderer Erörtrung werth. Ich trage darauf an, Bevor wir ein Conclusum fassen, Im Haag bei der Synode anzufragen, Ob das Gericht befugt sei, anzunehmen, Daß Belzebub den Krug zerbrochen hat. WALTER Ein Antrag, wie ich ihn von euch erwartet. Was wohl meint ihr, Herr Schreiber? LICHT Ew. Gnaden werden Nicht die Synode brauchen, um zu urtheil'n. Vollendet — mit Erlaubniß! — den Bericht, Ihr Frau Brigitte, dort; so wird der Fall Aus der Verbindung, hoff' ich, klar constiren. FRAU BRIGITTE Hierauf: Herr Schreiber Licht, sag' ich, laßt uns Die Spur ein wenig doch verfolgen, sehn, Wohin der Teufel wohl entwischt mag sein. Gut, sagt er, Frau Brigitt', ein guter Einfall; Vielleicht gehn wir uns nicht weit um, Wenn wir zum Herrn Dorfrichter Adam gehn. WALTER Nun? Und jetzt fand sich —? FRAU BRIGITTE Zuerst jetzt finden wir Jenseits des Gartens, in dem Lindengange, Den Platz, wo Schwefeldämpfe von sich lassend, Der Teufel bei mir angeprellt: ein Kreis, Wie scheu ein Hund etwa zur Seite weicht, Wenn sich die Katze prustend vor ihm setzt. WALTER Drauf weiter? FRAU BRIGITTE Nicht weit davon jetzt steht ein Denkmal seiner, An einem Baum, daß ich davor erschrecke. WALTER Ein Denkmal? Wie? FRAU BRIGITTE Wie? ja, da werdet ihr — ADAM / für sich. / Verflucht mein Unterleib. LICHT Vorüber, bitte, Vorüber hier, ich bitte, Frau Brigitte. WALTER Wohin die Spur euch führte, will ich wissen! FRAU BRIGITTE Wohin? Mein Treu, den nächsten Weg zu euch, Just wie Herr Schreiber Licht gesagt. WALTER Zu uns? Hierher? FRAU BRIGITTE Vom Lindengange, ja, Auf's Schulzenfeld, den Karpfenteich entlang, Den Steg, quer über'n Gottesacker dann, Hier, sag' ich, her, zum Herrn Dorfrichter Adam. WALTER Zum Herrn Dorfrichter Adam? ADAM Hier zu mir? FRAU BRIGITTE Zu euch, ja. RUPRECHT Wird doch der Teufel nicht In dem Gerichtshof wohnen? FRAU BRIGITTE Mein Treu, ich weiß nicht, Ob er in diesem Hause wohnt; doch hier, Ich bin nicht ehrlich, ist er abgestiegen: Die Spur geht hinten ein bis an die Schwelle. ADAM Sollt' er vielleicht hier durchpassirt —? FRAU BRIGITTE Ja, oder durchpassirt. Kann sein. Auch das. Die Spur vornaus — WALTER War eine Spur vornaus? LICHT Vornaus, verzeihn Ew. Gnaden, keine Spur. FRAU BRIGITTE Ja, vornaus war der Weg zertreten. ADAM Zertreten. Durchpassirt. Ich bin ein Schuft. Der Kerl, paßt auf, hat den Gesetzen hier Was angehängt. Ich will nicht ehrlich sein, Wenn es nicht stinkt in der Registratur. Wenn meine Rechnungen, wie ich nicht zweifle, Verwirrt befunden werden sollten, Auf meine Ehr', ich stehe für nichts ein. WALTER Ich auch nicht. für sich. Hm! Ich weiß nicht, war's der Linke, War es der Rechte? Seiner Füße Einer — Herr Richter! Eure Dose! — Seid so gefällig. ADAM Die Dose? WALTER Die Dose. Gebt! hier! ADAM / zuLicht. / Bringt dem Herrn Gerichtsrath. WALTER Wozu die Umständ'? Einen Schritt gebraucht's. ADAM Es ist schon abgemacht. Gebt Sr. Gnaden. WALTER Ich hätt euch was ins Ohr gesagt. ADAM Vielleicht, daß wir nachher Gelegenheit — WALTER Auch gut. nachdem sich Licht wieder gesetzt. Sagt doch, ihr Herrn, ist jemand hier im Orte, Der mißgeschaffne Füße hat? LICHT Hm! Allerdings ist jemand hier in Huisum — WALTER So? Wer? LICHT Wollen Ew. Gnaden den Herrn Richter fragen — WALTER Den Herrn Richter Adam? ADAM Ich weiß von nichts. Zehn Jahre bin ich hier im Amt zu Huisum, So viel ich weiß, ist Alles grad gewachsen. WALTER / zu Licht. / Nun? Wen hier meint ihr? FRAU MARTHE Laß er doch seine Füße draußen! Was steckt er unter'n Tisch verstört sie hin, Daß man fast meint, er wär die Spur gegangen. WALTER Wer? Der Herr Richter Adam? ADAM Ich? Die Spur? Bin ich der Teufel? Ist das ein Pferdefuß? / er zeigt seinen linken Fuß. / WALTER Auf meine Ehr'. Der Fuß ist gut. heimlich Macht jetzt mit der Session sogleich ein Ende. ADAM Ein Fuß, wenn den der Teufel hätt', So könnt' er auf die Bälle gehn und tanzen. FRAU MARTHE Das sag' ich auch. Wo wird der Herr Dorfrichter — ADAM Ach, was! Ich! WALTER Macht', sag' ich, gleich ein Ende. FRAU BRIGITTE Den einz'gen Skrupel nur, ihr würd'gen Herrn, Macht, dünkt mich, dieser feierliche Schmuck! ADAM Was für ein feierlicher —? FRAU BRIGITTE Hier, die Perücke! Wer sah den Teufel je in solcher Tracht? Ein Bau, gethürmter, strotzender von Talg, Als eines Domdechanten auf der Kanzel! ADAM Wir wissen hier zu Land nur unvollkommen, Was in der Hölle Mod' ist, Frau Brigitte! Man sagt, gewöhnlich trägt er eignes Haar. Doch auf der Erde, bin ich überzeugt, Wirft er in die Perücke sich, um sich Den Honoratioren beizumischen. WALTER Nichtswürd'ger! Werth, vor allem Volk ihn schmachvoll Vom Tribunal zu jagen! Was euch schützt, Ist einzig nur die Ehre des Gerichts. Schließt eure Session! ADAM Ich will nicht hoffen — WALTER Ihr hofft jetzt nichts. Ihr zieht euch aus der Sache. ADAM Glaubt ihr, ich hätte, ich, der Richter, gestern, Im Weinstock die Perücke eingebüßt? WALTER Behüte Gott! Die eur' ist ja im Feuer, Wie Sodom und Gomorrha, aufgegangen. LICHT Vielmehr — vergebt mir, gnäd'ger Herr! die Katze Hat gestern in die seinige gejungt. ADAM Ihr Herrn, wenn hier der Anschein mich verdammt: Ihr übereilt euch nicht, bitt' ich. Es gilt Mir Ehre oder Prostitution. Solang die Jungfer schweigt, begreif' ich nicht, Mit welchem Recht ihr mich beschuldiget. Hier auf dem Richterstuhl von Huisum sitz' ich, Und lege die Perücke auf den Tisch: Den, der behauptet, daß sie mein gehört, Fordr' ich vor's Oberlandgericht in Utrecht. LICHT Hm! Die Perücke paßt euch doch, mein Seel, Als wär auf euren Scheiteln sie gewachsen. / er setzt sie ihm auf. / ADAM Verläumdung! LICHT Nicht? ADAM Als Mantel um die Schultern Mir noch zu weit, wie viel mehr um den Kopf. / er besieht sich im Spiegel. / RUPRECHT Ei, solch ein Donnerwetter-Kerl! WALTER Still, er! FRAU MARTHE Ei, solch ein Blitz verfluchter Richter, das! WALTER Noch einmal, wollt ihr gleich, soll ich die Sache enden? ADAM Ja, was befehlt ihr? RUPRECHT / zu Eve. / Eve, sprich, ist er's? WALTER Was untersteht der Unverschämte sich? VEIT Schweig du, sag' ich. ADAM Wart, Bestie! Dich fass' ich. RUPRECHT Ei, du Blitz-Pferdefuß! WALTER Heda! der Büttel! VEIT Halt's Maul, sag' ich. RUPRECHT Wart! Heute reich' ich dich. Heut' streust du keinen Sand mir in die Augen. WALTER Habt ihr nicht so viel Witz, Herr Richter —? ADAM Ja, wenn Ew. Gnaden Erlauben, fäll ich jetzo die Sentenz. WALTER Gut. Thut das. Fällt sie. ADAM Die Sache jetzt constirt, Und Ruprecht dort, der Racker, ist der Thäter. WALTER Auch gut das. Weiter. ADAM Den Hals erkenn ich Ins Eisen ihm, und weil er ungebührlich Sich gegen seinen Richter hat betragen, Schmeiß ich ihn ins vergitterte Gefängniß. Wie lange, werd ich noch bestimmen. EVE Den Ruprecht —? RUPRECHT In's Gefängniß mich? EVE In's Eisen? WALTER Spart eure Sorgen Kinder. — Seid ihr fertig? ADAM Den Krug meinthalb mag er ersetzen, oder nicht. WALTER Gut denn. Geschlossen ist die Session. Und Ruprecht appellirt an die Instanz zu Utrecht. EVE Er soll, er, erst nach Utrecht appelliren? RUPRECHT Was? Ich —? WALTER Zum Henker, ja! Und bis dahin — EVE Und bis dahin —? RUPRECHT In das Gefängniß gehn? EVE Den Hals in's Eisen stecken? Seid ihr auch Richter? Er dort, der Unverschämte, der dort sitzt, Er selber war's — WALTER Du hörst's, zum Teufel! Schweig! Ihm bis dahin krümmt sich kein Haar — EVE Auf, Ruprecht! Der Richter Adam hat den Krug zerbrochen! RUPRECHT Ei, wart, du! FRAU MARTHE Er? FRAU BRIGITTE Der dort? EVE Er, ja! Auf Ruprecht! Er war bei deiner Eve gestern! Auf! Fass' ihn! Schmeiß ihn jetzo, wie du willst. WALTER / steht auf. / Halt dort! Wer hier Unordnungen — EVE Gleichviel! Das Eisen ist verdient, geh Ruprecht! Geh schmeiß ihn von dem Tribunal herunter. ADAM Verzeiht, ihr Herrn. / läuft weg. / EVE Hier! Auf! RUPRECHT Halt' ihn! EVE Geschwind! ADAM Was? RUPRECHT Blitz-Hinketeufel! EVE Hast du ihn? RUPRECHT Gotts Schlag und Wetter! Es ist sein Mantel bloß! WALTER Fort! Ruft den Büttel! RUPRECHT / schlägt den Mantel. / Ratz! Das ist Eins. Und Ratz! Und Ratz! Noch Eins. Und noch Eins! In Ermangelung des Buckels. WALTER Er ungezogner Mensch! — Schafft hier mir Ordnung! — An ihm, wenn er sogleich nicht ruhig ist, Ihm wird der Spruch vom Eisen heut noch wahr. VEIT Sei ruhig, du vertrackter Schlingel! ZWÖLFTER AUFTRITT / Die VORIGEN, ohne ADAM — Sie begeben sich alle in den Vordergrund der Bühne. / RUPRECHT Ei, Evchen! Wie hab' ich heute schändlich dich beleidigt! Ei Gott's Blitz, alle Wetter; und wie gestern! Ei, du mein goldnes Mädchen, Herzens-Braut! Wirst du dein Lebtag mir vergeben können? EVE / wirft sich dem Gerichtsrath zu Füßen. / Herr! Wenn ihr jetzt nicht helft, sind wir verloren! WALTER Verloren? Warum das? RUPRECHT Herr Gott! Was giebt's? EVE Errettet Ruprecht von der Conscription! Denn diese Conscription — der Richter Adam Hat mir's als ein Geheimniß anvertraut, Geht nach Ostindien; und von dort, ihr wißt, Kehrt von drei Männern Einer nur zurück! WALTER Was! Nach Ostindien! Bist du bei Sinnen? EVE Nach Bantam, gnäd'ger Herr; verläugnet's nicht! Hier ist der Brief, die stille heimliche Instruction, die Landmiliz betreffend, Die die Regierung jüngst deshalb erließ: Ihr seht, ich bin von Allem unterrichtet. WALTER / nimmt den Brief und lies't ihn. / O unerhört, arglistiger Betrug! — Der Brief ist falsch! EVE Falsch? WALTER Falsch, so wahr ich lebe! Herr Schreiber Licht, sagt selbst, ist das die Ordre, Die man aus Utrecht jüngst an euch erließ? LICHT Die Ordre! Was! Der Sünder, der! Ein Wisch, Den er mit eignen Händen aufgesetzt! — Die Truppen, die man anwarb, sind bestimmt Zum Dienst im Landesinneren; kein Mensch Denkt dran, sie nach Ostindien zu schicken! EVE Nein, nimmermehr, ihr Herrn? WALTER Bei meiner Ehre! Und zum Beweise meines Worts: den Ruprecht, Wärs so, wie du mir sagst: ich kauf' ihn frei! EVE / steht auf. / O Himmel! Wie belog der Böswicht mich! Denn mit der schrecklichen Besorgniß eben Quält er mein Herz, und kam, zur Zeit der Nacht, Mir ein Attest für Ruprecht aufzudringen; Bewies, wie ein erlognes Krankheitszeugniß, Von allem Kriegsdienst ihn befreien könnte; Erklärte und versicherte und schlich, Um es mir auszufert'gen, in mein Zimmer: So Schändliches, ihr Herren, von mir fordernd, Daß es kein Mädchenmund wagt auszusprechen! FRAU BRIGITTE Ei, der nichtswürdig-schändliche Betrüger! RUPRECHT Laß, laß den Pferdehuf, mein süßes Kind! Sieh, hätt' ein Pferd bei dir den Krug zertrümmert, Ich wär' so eifersüchtig just, als jetzt! / sie küssen sich. / VEIT Das sag' ich auch! Küßt und versöhnt und liebt euch; Und Pfingsten, wenn ihr wollt, mag Hochzeit sein! LICHT / am Fenster. / Seht, wie der Richter Adam, bitt' ich euch, Berg auf, Berg ab, als flöh er Rad und Galgen, Das aufgepflügte Winterfeld durchstampft! WALTER Was? Ist das Richter Adam? LICHT Allerdings! MEHRERE Jetzt kommt er auf die Straße. Seht! seht! Wie die Perücke ihm den Rücken peitscht! WALTER Geschwind, Herr Schreiber, fort! Holt ihn zurück! Daß er nicht Übel rettend ärger mache. Von seinem Amt zwar ist er suspendirt, Und euch bestell' ich, bis auf weitere Verfügung, hier im Ort es zu verwalten; Doch sind die Cassen richtig, wie ich hoffe, Zur Desertion ihn zwingen will ich nicht. Fort! Thut mir den Gefallen, holt ihn wieder! LETZTER AUFTRITT / Die VORIGEN ohne LICHT. / FRAU MARTHE Sagt doch, gestrenger Herr, wo find' ich auch Den Sitz in Utrecht der Regierung? WALTER Weshalb, Frau Marthe? FRAU MARTHE / empfindlich. / Hm! Weshalb? Ich weiß nicht — Soll hier dem Kruge nicht sein Recht geschehn? WALTER Verzeiht mir! Allerdings. Am großen Markt, Und Dienstag ist und Freitag Session. FRAU MARTHE Gut! Auf die Woche stell' ich dort mich ein. / Alle ab. / / Ende. / VARIANT ZWÖLFTER AUFTRITT / Die Vorigen ohne Adam. — Sie bewegen sich alle in den Vordergrund der Bühne. / RUPRECHT Ei, Evchen! Wie hab' ich heute schändlich dich beleidigt! Ei, Gott's Blitz, alle Wetter, und wie gestern! Ei, du mein goldnes Mädchen, Herzens-Braut! Wirst du dein Lebtag mir vergeben können? EVE Geh, laß mich sein. RUPRECHT Ei, ich verfluchter Schlingel! Könnt' ich die Hände brauchen, mich zu prügeln. Nimm, weißt du was? hör: thu mir den Gefallen, Dein Pätschchen, hol's der Henker, nimm's und ball's, Und schlage tüchtig Eins mir hinters Ohr. Willst du's mir thun? Mein Seel, ich bin nicht ruhig. EVE Du hör'st. Ich will nichts von dir wissen. RUPRECHT Ei, solch ein Tölpel! Der Lebrecht denk' ich, Schaafsgesicht, und geh. Mich beim Dorfrichter ehrlich zu beklagen, Und er, vor dem ich klage, ist es selbst: Den Hals noch judicirt er mir in's Eisen. WALTER Wenn sich die Jungfer gestern gleich der Mutter Eröffnet hätte züchtiglich, so hätte Sie dem Gerichte Schand' erspart, und sich Zweideut'ge Meinungen von ihrer Ehre. RUPRECHT Sie schämte sich. Verzeiht ihr, gnäd'ger Herr! Es war ihr Richter doch, sie mußt' ihn schonen. — Komm nur jetzt fort zu Haus'. Es wird sich finden. EVE Ja, schämen! RUPRECHT Gut. So war's was Anderes. Behalts für dich, was brauchen wir's zu wissen. Du wirst's schon auf der Flieder-Bank mir Eins, Wenn von dem Thurm die Vesper geht, erzählen. Komm, sei nur gut. WALTER Was wir's zu wissen brauchen? So denk' ich nicht. Wenn Jungfer Eve will, Daß wir an ihre Unschuld glauben sollen: So wird sie, wie der Krug zerbrochen worden, Umständlich nach dem Hergang uns berichten. Ein Wort keck hingeworfen, macht den Richter In meinem Aug' der Sünd noch gar nicht schuldig. RUPRECHT Nun denn, so faß' ein Herz! Du bist ja schuldlos. Sag's, was er dir gewollt, der Pferdefuß. Sieh, hätt' ein Pferd bei dir den Krug zertrümmert, Ich wär' so eifersüchtig just, als jetzt. EVE Was hilft's, daß ich jetzt schuldlos mich erzähle? Unglücklich sind wir beid' auf immerdar. RUPRECHT Unglücklich, wir? WALTER Warum ihr unglücklich? RUPRECHT Was gilt's, da ist die Conscription im Spiele. EVE / wirft sich Waltern zu Füßen. / Herr, wenn ihr jetzt nicht helft, sind wir verloren! WALTER Wenn ich nicht —? RUPRECHT Ewiger Gott! WALTER Steh auf, mein Kind. EVE Nicht eher, Herr, als bis ihr eure Züge, Die menschlichen, die euch vom Antlitz strahlen, Wahr macht durch eine That der Menschlichkeit. WALTER Mein liebenswerthes Kind! Wenn du mir deine Unschuldigen bewährst, wie ich nicht zweifle, Bewähr' ich auch dir meine menschlichen. Steh auf! EVE Ja, Herr, das werd ich. WALTER Gut. So sprich. EVE Ihr wißt, daß ein Edict jüngst ist erschienen, Das von je hundert Söhnen jeden Orts Zehn für dies Frühjahr zu den Waffen ruft, Der rüstigsten. Denn der Hispanier Versöhnt sich mit dem Niederländer nicht, Und die Tyrannenruthe will er wieder Sich, die zerbrochene, zusammenbinden. Kriegshaufen sieht man ziehn auf allen Wegen, Die Flotten rings, die er uns zugesendet, Von unsrer Staaten Küsten abzuhalten, Und die Miliz steht auf, die Thor' inzwischen In den verlaßnen Städten zu besetzen. WALTER So ist es. EVE Ja, so heißt's, ich weiß. WALTER Nun? Weiter? EVE Wir eben sitzen, Mutter, Vater, Ruprecht Und ich, an dem Camin, und halten Rath, Ob Pfingsten sich, ob Pfingsten übers Jahr, Die Hochzeit feiern soll: als plötzlich jetzt Die Commission, die die Rekruten aushebt, In's Zimmer tritt, und Ruprecht aufnotirt, Und unsern frohen Streit mit schneidendem Machtspruch, just da er sich zu Pfingsten neigte, Für, Gott weiß, welches Pfingstfest nun? — entscheidet. WALTER Mein Kind — EVE Gut, gut. WALTER Das allgemeine Loos. EVE Ich weiß. WALTER Dem kann sich Ruprecht gar nicht weigern. RUPRECHT Ich denk' auch nicht daran. EVE Er denkt nicht dran, Gestrenger Herr, und Gott behüte mich, Daß ich in seiner Sinnesart ihn störte. Wohl uns, daß wir was Heil'ges, jeglicher, Wir freien Niederländer, in der Brust, Des Streites wert bewahren: so gebe jeder denn Die Brust auch her, es zu vertheidigen. Müßt' er dem Feind' im Treffen selbst begegnen, Ich spräche noch, zieh hin, und Gott mit dir: Was werd' ich jetzt ihn weigern, da er nur Die Wälle, die geebneten, in Utrecht, Vor Knaben soll, und ihren Spielen schützen. Inzwischen, lieber Herr, ihr zürnt mir nicht — Wenn ich die Mai'n in unserm Garten rings Dem Pfingstfest röthlich seh' entgegen knospen, So kann ich mich der Thränen nicht enthalten: Denk' ich doch sonst, und thue, wie ich soll. WALTER Verhüt' auch Gott, daß ich darum dir zürne. Sprich weiter. EVE Nun schickt die Mutter gestern Mich in gleichgültigem Geschäft in's Amt, Zum Richter Adam. Und da ich in das Zimmer trete, „Gott grüß dich, Evchen! Ei, warum so traurig?” Spricht er. „Das Köpfchen hängt dir ja wie'n Maienglöckchen! Ich glaubte fast, du weißt, daß es dir steht. Der Ruprecht! Gelt? Der Ruprecht!” — Je nun freilich, Der Ruprecht, sag' ich; wenn der Mensch was liebt, Muß er schon auch auf Erden etwas leiden. Drauf er: „du armes Ding! Hm! Was wohl gäbst du, Wenn ich den Ruprecht dir von der Miliz befreite? ” Und ich: wenn ihr den Ruprecht mir befreitet? Ei nun, dafür mögt' ich euch schon was geben. Wie fingt ihr das wohl an? — „Du Närrchen”, sagt er, Der Physikus, der kann, und ich kann schreiben, Verborgne Leibesschäden sieht man nicht, Und bringt der Ruprecht ein Attest darüber Zur Commission, so giebt die ihm den Abschied: Das ist ein Handel, wie um eine Semmel.” — So, sag ich. — „Ja” — So, so! Nun, laßt's nur sein, Herr Dorfrichter, sprech' ich. Daß Gott der Herr Gerad' den Ruprecht mir zur Lust erschaffen, Mag ich nicht vor der Commission verläugnen. Des Herzens' innerliche Schäden sieht er, Und ihn irrt kein Attest vom Physikus. WALTER Recht! Brav! EVE „Gut”, spricht er. „Wie du willst. So mag Er seiner Wege gehn. Doch was ich sagen wollte — Die hundert Gulden, die er kürzlich erbte, Läßt du dir doch, bevor er geht, verschreiben?” — Die hundert Gulden, frag' ich? Ei, warum? Was hat's mir für Gefahr auch mit den Gulden? Wird er denn weiter, als nach Utrecht gehn? — „Ob er dir weiter als nach Utrecht geht? Ja, du gerechter Gott, spricht er, was weiß ich, Wohin der jetzo geht. Folgt er einmal der Trommel Die Trommel folgt dem Fähndrich, der dem Hauptmann, Der Hauptmann folgt dem Obersten, der folgt Dem General, und der folgt den vereinten Staaten wieder, Und die vereinten Staaten, hol's der Henker, Die ziehen in Gedanken weit herum. Die lassen trommeln, daß die Felle platzen.” WALTER Der Schändliche. EVE Bewahr mich Gott, sprech' ich, Ihr habt, als ihr den Ruprecht aufnotirt, Ja die Bestimmung deutlich ihm verkündigt. „Ja! Die Bestimmung!” spricht er: „Speck für Mäuse! Wenn sie die Landmiliz in Utrecht haben, So klappt die Falle hinten schnappend zu. Laß du die hundert Gulden dir verschreiben.” — Ist das gewiß, frag' ich, Herr Richter Adam? Will man zum Kriegsdienst förmlich sie gebrauchen? „Ob man zum Kriegsdienst sie gebrauchen will?” — „Willst du Geheimniß, unverbrüchliches, Mir angeloben gegen jedermann?” Ei, Herr Gott, sprech' ich, was auch giebt's, Herr Richter! Was sieht er so bedenklich? Sag' er's heraus. WALTER Nun? Nun? Was wird das werden? EVE Was das wird werden? Herr, jetzo sagt er mir, was ihr wohl wißt, Daß die Miliz sich einschifft nach Batavia, Den eingebornen Kön'gen dort, von Bantam, Von Java, Jakarta, was weiß ich? Raub Zum Heil der Haager Krämer abzujagen. WALTER Was? nach Batavia? RUPRECHT Ich, nach Asien? WALTER Davon weiß ich kein Wort. EVE Gestrenger Herr, Ich weiß, ihr seid verbunden, so zu reden. WALTER Auf meine Pflicht! EVE Gut, gut. Auf eure Pflicht. Und die ist, uns, was wahr ist, zu verbergen. WALTER Du hörst's. Wenn ich — EVE Ich sah den Brief, verzeiht, den ihr Aus Utrecht an die Ämter habt erlassen. WALTER Welch einen Brief? EVE Den Brief, Herr, die geheime Instruktion, die Landmiliz betreffend, Und ihre Stellung aus den Dörfern rings. WALTER Den hast du? EVE Herr, den sah ich. WALTER Und darin? EVE Stand, daß die Landmiliz, im Wahn, sie sei Zum innern Friedensdienste nur bestimmt, Soll hingehalten werden bis zum März: Im März dann schiffe sie nach Asien ein. WALTER Das in dem Brief selbst hättest du gelesen? EVE Ich nicht. Ich las es nicht. Ich kann nicht lesen. Doch er, der Richter, las den Brief mir vor. WALTER So. Er, der Richter. EVE Ja. Und Wort vor Wort. WALTER Gut, gut. Nun weiter. EVE Gott im Himmel, ruf' ich, Das junge Volk, das blüh'nde, nach Batavia! Das Eiland, das entsetzliche, wovon Jedweden Schiffes Mannschaft, das ihm naht, Die eine Hälfte stets die andere begräbt. Das ist ja keine offen ehrliche Conscription, das ist Betrug, Herr Richter, Gestohlen ist dem Land' die schöne Jugend, Um Pfeffer und Muskaten einzuhandeln. List gegen List jetzt, schaff' er das Attest Für Ruprecht mir, und alles geb ich ihm Zum Dank, was er nur redlich fordern kann. WALTER Das machtest du nicht gut. EVE List gegen List. WALTER Drauf er? EVE „Das wird sich finden”, spricht er, „Evchen, Vom Dank nachher, jetzt gilt es das Attest. Wann soll der Ruprecht gehn?” — In diesen Tagen. „Gut,” spricht er, „gut. Es trifft sich eben günstig. Denn heut noch kommt der Physikus in's Amt; Da kann ich gleich mein Heil mit ihm versuchen. Wie lange bleibt der Garten bei dir offen?” Bei mir der Garten, frag' ich? — „Ja, der Garten.” Bis gegen zehn, sag' ich. Warum, Herr Richter? „Vielleicht kann ich den Schein dir heut noch bringen.” — Er mir den Schein! Ei, wohin denkt er auch? Ich werd' den Schein mir morgen früh schon holen. — „Auch gut”, spricht er. „Gleichviel. So holst du ihn. Glock halb auf neun früh Morgens bin ich auf.” WALTER Nun? EVE Nun — geh' ich zur Mutter heim, und harre, Den Kummer, den verschwiegnen, in der Brust, In meiner Klause, durch den Tag, und harre, Bis zehn zu Nacht auf Ruprecht, der nicht kömmt. Und geh verstimmt Glock zehn die Trepp' hinab, Die Gartenthür zu schließen, und erblicke, Da ich sie öffn', im Dunkeln fernhin wen, Der schleichend von den Linden her mir naht. Und sage: Ruprecht! — „Evchen”, heisert es. — Wer ist da? frag ich. — „St! Wer wird es sein?” — Ist er's, Herr Richter? — „Ja, der alte Adam” — RUPRECHT Gott's Blitz! EVE Er selbst — RUPRECHT Gott's Donnerwetter! EVE Ist's, Und kommt, und scherzt, und kneipt mir in die Backen, Und fragt, ob Mutter schon zu Bette sei. RUPRECHT Seht, den Hallunken! EVE Drauf ich: Ei, was Herr Richter, Was will er auch so spät zu Nacht bei mir? „Je, Närrchen”, spricht er — Dreist heraus, sag' ich; Was hat er hier Glock zehn bei mir zu suchen? „Was ich Glock zehn bei dir zu suchen habe?” — Ich sag', laß er die Hand mir weg! Was will er? — „Ich glaube wohl, du bist verrückt,” spricht er. „Warst du nicht heut Glock eilf im Amt bei mir, Und wolltest ein Attest für Ruprecht haben?” Ob ich? — Nun ja. — „Nun gut. Das bring ich dir.” Ich sagt's ihm ja, daß ich's mir holen wollte. — „Bei meiner Treu! Die ist nicht recht gescheut. Ich muß Glock fünf Uhr morgen früh verreisen, Und ungewiß, wann ich zurücke kehre, Liefr' ich den Schein noch heut ihr in die Hände; Und sie, nichts fehlt, sie zeigt die Thüre mir; Sie will den Schein sich morgen bei mir holen.” — Wenn er verreisen will Glock fünf Uhr morgen — Davon ja wußt' er heut noch nichts Glock eilf? „Ich sag's”, spricht er, „die ist nicht recht bei Troste. Glock zwölf bekam ich heut die Ordre erst.” — Das ist was Anderes, das wußt' ich nicht. „Du hörst es ja,” spricht er. — Gut, gut, Herr Richter. So dank' ich herzlich ihm für seine Mühe. Verzeih er mir. Wo hat er das Attest? WALTER Wißt ihr was von der Ordre? LICHT Nicht ein Wort. Vielmehr bekam er kürzlich noch die Ordre, Sich nicht von seinem Amte zu entfernen. Auch habt ihr heut zu Haus' ihn angetroffen. WALTER Nun? EVE Wenn er log, ihr Herrn, konnt ich's nicht prüfen. Ich mußte seinem Wort vertraun. WALTER Ganz recht. Du konntest es nicht prüfen. Weiter nur. Wo ist der Schein, sprachst du? EVE „Hier,” sagt er, „Evchen;” Und zieht ihn vor. „Doch höre,” fährt er fort, „Du mußt, so wahr ich lebe, mir vorher Noch sagen, wie der Ruprecht zubenams't? Heißt er nicht Ruprecht Gimpel?” — Wer? Der Ruprecht? „Ja. Oder Simpel? Simpel oder Gimpel.” Ach, Gimpel! Simpel! Tümpel heißt der Ruprecht. „Gott's Blitz, ja,” spricht er; „Tümpel! Ruprecht Tümpel! Hab ich, Gott tödt mich, mit dem Wetternamen Auf meiner Zunge nicht Versteck gespielt!” — Ich sag', Herr Richter Adam, weiß er nicht —? „Der Teufel soll mich holen, nein!” spricht er. — Steht denn der Nam' hier im Attest noch nicht? „Ob er in dem Attest —?” — Ja, hier im Scheine. „Ich weiß nicht, wie du heute bist”, spricht er. „Du hörst's, ich sucht' und fand ihn nicht, als ich Heut nachmittag bei mir den Schein hier mit Dem Physikus zusammen fabricirte.” Das ist ja aber dann kein Schein, sprech' ich. Das ist, nehm er's mir übel nicht, ein Wisch, das! Ich brauch' ein ordentlich Attest, Herr Richter. — „Die ist, mein Seel, heut,” spricht er, „ganz von Sinnen. Der Schein ist fertig, ge- und unterschrieben, Datirt, besiegelt auch, und in der Mitte Ein Platz, so groß just, wie ein Tümpel, offen; Den füll ich jetzt mit Dinte aus, so ist's Ein Schein, nach allen Regeln, wie du brauchst.” — Doch ich: wo will er in der Nacht, Herr Richter, Hier unterm Birnbaum auch den Platz erfüllen? — „Gott's Menschenkind auch, unvernünftiges!” Spricht er; „du hast ja in der Kammer Licht, Und Dint und Feder führ' ich in der Tasche. Fort! Zwei Minuten braucht's, so ist's geschehn. RUPRECHT Ei, solch ein blitz-verfluchter Kerl! WALTER Und darauf gingst du mit ihm in die Kammer? EVE Ich sag: Herr Dorfrichter, was das auch für Anstalten sind! Ich werde jetzt mit ihm, Da Mutter schläft, in meine Kammer gehn. Daraus wird nichts, das konnt' er sich wohl denken. „Gut”, spricht er, „wie du willst. Ich bins zufrieden. So bleibt die Sach' bis auf ein andermal. In Tagner drei bis acht bin ich zurück.” — Herr Gott, sag' ich, er in acht Tagen erst! Und in drei Tagen geht der Ruprecht schon — WALTER Nun, Evchen, kurz — EVE Kurz, gnäd'ger Herr — WALTER Du gingst — EVE Ich ging. Ich führt' ihn in die Kammer ein. FRAU MARTHE Ei, Eve! Eve! EVE Zürnt nicht! WALTER Nun jetzt — weiter? EVE Da wir jetzt in der Stube sind — zehnmal Verwünscht' ich's schon, eh wir sie noch erreicht — Und ich die Thür behutsam zugedrückt, Legt er Attest und Dint' und Feder auf den Tisch, Und rückt den Stuhl herbei sich, wie zum Schreiben. Ich denke, setzen wird er sich: doch er, Er geht und schiebt den Riegel vor die Thüre, Und räuspert sich, und lüftet sich die Weste, Und nimmt sich die Perücke förmlich ab, Und hängt, weil der Perückenstock ihm fehlt, Sie auf den Krug dort, den zum Scheuern ich Bei mir auf's Wandgesimse hingestellt. Und da ich frag', was dies auch mir bedeute? Läßt er am Tisch jetzt auf den Stuhl sich nieder, Und faßt mich so, bei beiden Händen, seht, Und sieht mich an. FRAU MARTHE Und sieht —? RUPRECHT Und sieht dich an —? EVE Zwei abgemessene Minuten starr mich an. FRAU MARTHE Und spricht —? RUPRECHT Spricht nichts —? EVE Er, Niederträcht'ger, sag' ich, Da er jetzt spricht; was denkt er auch von mir? Und stoß' ihm, vor die Brust daß er euch taumelt — Und: Jesus Christus! ruf ich: Ruprecht kömmt! — Denn an der Thür ihn draußen hör' ich donnern. RUPRECHT Ei, sieh! da kam ich recht. EVE „Verflucht!” spricht er, „Ich bin verrathen!” — und springt, den Schein ergreifend, Und Dint' und Feder, zu dem Fenster hin. „Du!” sagt er jetzt, „sei klug!” — und öffnet es. „Den Schein holst du dir morgen bei mir ab. Sagst du ein Wort, so nehm ich ihn, und reiß' ihn, Und mit ihm deines Lebens Glück, entzwei.” RUPRECHT Die Bestie! EVE Und tappt sich auf die Hütsche, Und auf den Stuhl, und steigt auf's Fensterbrett, Und untersucht, ob er wohl springen mag. Und wendet sich, und beugt sich zum Gesimse, Wo die Perück' hängt, die er noch vergaß. Und greift und reißt vom Kruge sie, und reißt Von dem Gesims den Krug herab: Der stürzt; er springt; und Ruprecht kracht ins Zimmer. RUPRECHT Gott's Schlag und Wetter! EVE Jetzt will, ich jetzt will reden, Gott der Allwissende bezeugt es mir! Doch dieser — schnaubend fliegt er euch durch's Zimmer, Und stößt — RUPRECHT Verflucht! EVE Mir vor die Brust — RUPRECHT Mein Evchen! EVE Ich taumle sinnlos nach dem Bette hin. VEIT Verdammter Hitzkopf, du! EVE Jetzt steh' ich noch, Goldgrün, wie Flammen rings, umspielt es mich, Und wank', und halt' am Bette mich; da stürzt Der von dem Fenster schmetternd schon herab; Ich denk', er steht im Leben nicht mehr auf. Ich ruf: Heiland der Welt! und spring' und neige Mich über ihn, und nehm' ihn in die Arme, Und sage: Ruprecht! Lieber Mensch! Was fehlt dir? Doch er — RUPRECHT Fluch mir! EVE Er wüthet — RUPRECHT Traf ich dich? EVE Ich weiche mit Entsetzen aus. FRAU MARTHE Der Grobian! RUPRECHT Daß mir der Fuß erlahmte! FRAU MARTHE Nach ihr zu stoßen! EVE Jetzt erscheint die Mutter, Und stutzt, und hebt die Lamp' und fällt ergrimmt, Da sie den Krug in Scherben sieht, den Ruprecht Als den unzweifelhaften Thäter an. Er, wutvoll steht er, sprachlos da, will sich Vertheidigen: doch Nachbar Ralf fällt ihn, Vom Schein getäuscht, und Nachbar Hinz ihn an, Und Muhme Sus' und Lies' und Frau Brigitte, Die das Geräusch zusammt herbeigezogen, Sie Alle, taub, sie schmähen ihn und schimpfen, Und sehen großen Auges auf mich ein, Da er mit Flüchen, schäumenden, betheuert, Daß nicht er, daß ein Andrer das Geschirr, Der eben nur entwichen sei, zerschlagen. RUPRECHT Verwünscht! Daß ich nicht schwieg! Ein Anderer! Mein liebes Evchen! EVE Die Mutter stellt sich vor mich, Blaß, ihre Lippe zuckt, sie stemmt die Arme. „Ists,” fragt sie, „ists ein Anderer gewesen?” Und: Joseph, sag' ich, und Maria, Mutter; Was denkt ihr auch? — „Und was noch fragt ihr sie,” Schreit Muhme Sus' und Liese: „Ruprecht war's!” Und alle schrein: „Der Schändliche! Der Lügner!” Und ich — ich schwieg, ihr Herrn; ich log, ich weiß, Doch log ich anders nicht, ich schwör's, als schweigend. RUPRECHT Mein Seel, sie sprach kein Wort, das muß ich sagen. FRAU MARTHE Sie sprach nicht, nein, sie nickte mit dem Kopf bloß, Wenn man sie, obs der Ruprecht war, befragte. RUPRECHT Ja, nicken. Gut. EVE Ich nickte? Mutter! RUPRECHT Nicht? Auch gut. EVE Wann hätt' ich —? FRAU MARTHE Nun? Du hättest nicht, Als Muhme Suse vor dir stand, und fragte: Nicht, Evchen, Ruprecht war es? ja genickt? EVE Wie? Mutter? Wirklich? Nickt' ich? Seht — RUPRECHT Beim Schnauben, Beim Schnauben, Evchen! Laß die Sache gut sein. Du hieltst das Tuch, und schneutztest heftig drein; Mein Seel, es schien, als ob du'n bissel nicktest. EVE / verwirrt. / Es muß unmerklich nur gewesen sein. FRAU MARTHE Es war zum Merken just genug. WALTER Zum Schluß jetzt —? EVE Nun war auch heut am Morgen noch mein erster Gedanke, Ruprecht alles zu vertraun. Denn weiß er nur der Lüge wahren Grund, Was gilt's, denk ich, so lügt er selbst noch mit, Und sagt, nun ja, den irdnen Krug zerschlug ich; Und dann so kriegt' ich auch wohl noch den Schein. Doch Mutter, da ich in das Zimmer trete, Die hält den Krug schon wieder, und befiehlt, Sogleich zum Vater Tümpel ihr zu folgen; Dort fordert sie den Ruprecht vor Gericht. Vergebens, daß ich um Gehör ihn bitte, Wenn ich ihm nah, so schmäht und schimpft er mich, Und wendet sich, und will nichts von mir wissen. RUPRECHT Vergieb mir. WALTER Nun laß dir sagen, liebes Kind, Wie zu so viel, stets tadelnswerthen, Schritten — — Ich sage tadelnswerth, wenn sie auch gleich Verzeihlich sind — dich ein gemeiner, grober Betrug verführt. EVE So? Wirklich? WALTER Die Miliz Wird nach Batavia nicht eingeschifft: Sie bleibt, bleibt in der That bei uns, in Holland. EVE Gut, gut, gut. Denn der Richter log; nicht wahr? So oft: und *also* log er gestern mir. Der Brief, den ich gesehen, war verfälscht; Er las mir's aus dem Stegreif nur so vor. WALTER Ja, ich versichr' es dich. EVE O gnäd'ger Herr! — O Gott! Wie könnt ihr mir das thun? O sagt — WALTER Herr Schreiber Licht! Wie lautete der Brief? Ihr müßt ihn kennen. LICHT Ganz unverfänglich. Wie's überall bekannt ist. Die Miliz Bleibt in dem Land, 's ist eine *Land*miliz. EVE O Ruprecht! O mein Leben! Nun ist's aus. RUPRECHT Evchen! Hast du dich wohl auch überzeugt? Besinne dich! EVE Ob ich —? Du wirst's erfahren. RUPRECHT Stand's wirklich so —? EVE Du hörst es, Alles, Alles; Auch dies, daß sie uns täuschen sollen, Freund. WALTER Wenn ich mein Wort dir gebe — EVE O gnäd'ger Herr! RUPRECHT Wahr ist's, es war das erstemal wohl nicht — EVE Schweig! S' ist umsonst — WALTER Das erstemal wär's nicht? RUPRECHT Vor sieben Jahren soll was Ähnliches Im Land geschehen sein — WALTER Wenn die Regierung Ihn hinterginge, wär's das erstemal. So oft sie Truppen noch nach Asien schickte, Hat sie's den Truppen noch gewagt zu sagen. Er geht — EVE Du gehst. Komm. WALTER Wo er hinbeordert; In Utrecht wird er merken, daß er bleibt. EVE Du gehst nach Utrecht. Komm. Da wirst du's merken. Komm, folg'. Es sind die letzten Abschiedsstunden, Die die Regierung uns zum Weinen läßt; Die wird der Herr uns nicht verbittern wollen. WALTER Sieh da! So arm dein Busen an Vertrauen? EVE O Gott! Gott! Daß ich jetzt nicht schwieg. WALTER Dir glaubt' ich Wort vor Wort, was du mir sagtest; Ich fürchte fast, daß ich mich übereilt. EVE Ich glaub' euch ja, ihr hört's, so wie ihr's meint. Komm fort. WALTER Bleib. Mein Versprechen will ich lösen. Du hast mir deines Angesichtes Züge Bewährt, ich will die meinen dir bewähren; Müßt ich auf andere Art dir den Beweis Auch führen, als du mir. Nimm diesen Beutel. EVE Ich soll — WALTER Den Beutel hier mit zwanzig Gulden! Mit so viel Geld kaufst du den Ruprecht los. EVE Wie? Damit —? WALTER Ja, befreist du ganz vom Dienst ihn. Doch so. Schifft die Miliz nach Asien ein, So ist der Beutel ein Geschenk, ist dein. Bleibt sie im Land', wie ich's vorher dir sagte, So trägst du deines bösen Mißtrauns Strafe, Und zahlst, wie billig, Beutel, samt Intressen, Vom Hundert vier, terminlich mir zurück. EVE Wie, gnäd'ger Herr? Wenn die — WALTER Die Sach ist klar. EVE Wenn die Miliz nach Asien sich einschifft, So ist der Beutel ein Geschenk, ist mein. Bleibt sie im Land, wie ihrs vorher mir sagtet, So soll ich bösen Mißtrauns Straf' erdulden, Und Beutel, samt, wie billig, Interessen — / Sie sieht Ruprecht an. / RUPRECHT Pfui! S' ist nicht wahr! Es ist kein wahres Wort! WALTER Was ist nicht wahr? EVE Da nehmt ihn! Nehmt ihn! Nehmt ihn! WALTER Wie? EVE Nehmt, ich bitt' euch, gnäd'ger Herr, nehmt, nehmt ihn! WALTER Den Beutel? EVE O Herr Gott! WALTER Das Geld? Warum das? Vollwichtig neugeprägte Gulden sind's. Sieh her, das Antlitz hier des Spanierkönigs: Meinst du, daß dich der König wird betrügen? EVE O lieber, guter, edler Herr, verzeiht mir. — O der verwünschte Richter! RUPRECHT Ei, der Schurke! WALTER So glaubst du jetzt, daß ich dir Wahrheit gab? EVE Ob ihr mir Wahrheit gabt? O scharfgeprägte, Und Gottes leuchtend Antlitz drauf. O Himmel! Daß ich nicht solche Münze mehr erkenne! WALTER Hör', jetzt geb' ich dir einen Kuß. Darf ich? RUPRECHT Und einen tüchtigen. So. Das ist brav. WALTER Du also gehst nach Utrecht? RUPRECHT Nach Utrecht geh' ich, Und steh ein Jahrlang auf den Wällen Schildwach, Und wenn ich das gethan, u. s. w…. ist Eve mein! ----- Ta lektura, podobnie jak tysiące innych, dostępna jest na stronie wolnelektury.pl. Wersja lektury w opracowaniu merytorycznym i krytycznym (przypisy i motywy) dostępna jest na stronie http://wolnelektury.pl/katalog/lektura/kleist-der-zerbrochne-krug. Utwór opracowany został w ramach projektu Wolne Lektury przez fundację Wolne Lektury. 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Wydawca: Fundacja Nowoczesna Polska Publikacja zrealizowana w ramach projektu Wolne Lektury (http://wolnelektury.pl). Wydano z finansowym wsparciem Fundacji Współpracy Polsko-Niemieckiej. Eine Publikation im Rahmen des Projektes Wolne Lektury. Herausgegeben mit finanzieller Unterstützung der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit. Opracowanie redakcyjne i przypisy: Paulina Choromańska, Katarzyna Dug, Antje Ritter-Jasińska. ISBN-978-83-288-2354-9